Wer sagt uns eigentlich,
dass das Netz das bestimmende Medium bleiben wird?
Ich frage mich das, weil ich einerseits die Verflachungstendenzen in den Medien – Klickstrecken, Boulevardisierung, Twitterreporter – sehe, und auf der anderen Seite nicht wirklich glaube, dass man mit 40 oder 50 Jahren noch den gleichen Medienkonsum wie mit 20 hat. Nachdem ich seit mehr als 10 Jahren im Internet unterwegs bin, kenne ich von Anfang auch diese Theorie, dass die nachwachsende Generation dem Netz ganz anders gegenüber eingestellt sein wird, ganz andere Dinge damit treiben wird, als die erste Generation der Netznutzer, die schon im fortgeschrittenen Alter das Medium entdeckten.
Ich halte diese These für grundfalsch. Würde sie stimmen, hätten wir gerade Unmengen von 20 bis 25-Jährigen, die ganz supitolle Dinge im Internet treiben und ganz neue Welten erschliessen. Statt dessen hängen die meisten bei irgendwelchen Communities wie Knuddels oder Werkenntwen ab, saugen Pr0n und lesen Dreck wie Spiegel Online oder Bild. Sie sind in einem Mitnahmenetz unterwegs, in einem inhaltlichen Grundrauschen, das ein wenig an Privatradio und Musikberieselung erinnert. Das Internet ist für diese Leute vollkommen normal und üblich, und in etwa so banal wie Klopapier. Ich würde mir da nicht allzu viel erwarten.
Noch weniger hoffen würde ich aber darauf, dass es so bleibt und eine Reihe von Leuten irgendwann das Netz etwas öde und langweilig finden. Oder andere Interessensschwerpunkte entwickeln. Die Lust am Senden verlieren. Die vergleichsweise hohe Rate der Blogabbrüche und der Twitterversuche sind da zumindest ein Indiz, dass es nicht allzu weit her mit der Faszination des unbegrenzten Mitmachens sein kann. Dass man sich irgendann wieder auf Email und Google beschränkt. Wie gesagt: Die Hoffnung auf den grossen Schub durch den Nachwuchs sind älter. Nach zwei, drei Jahren sollte man die meisten Netztechniken beherrschen. Es müsste etwas geschehen, es müsste längst phänomenale Entwicklungen geben, es gibt massenhaft Leute, die die Möglichkeiten hätten.
Sie tun es nicht. Und genauso, wie man irgendwann keine Lust mehr auf einen Schnuller hat, kann es auch sein, dass andere Angebote mit dem Alter interessanter werden. Oder das Internet dieses Nachwuchses – wie auch jetzt schon – vollkommen zersplittert, weil man von anderen Bereichen angenervt ist. Ob das für Zeitungen gut ist, wage ich auch zu bezweifeln. Aber die Geschichte von den im Internet quasi Gebürtigen glaube ich erst, wenn ich diese Leute in Scharen beim Betreiben toller Dinge sehe.