15.11.2008 | 21:40 von DonAlphonso

Machen. Oder auch nicht.

Vermutlich wird man in den nächsten Monaten des postnuklearen Medienwinters solche Ankündigungen noch öfters lesen: Projekte, Zeitungen, Redaktionen und Medienmacher werden mit ihrer Tätigkeit scheitern und dann ganz gross ankündigen, im Internet mit etwas Besonderem, Einzigartigen und super Erfolgreichen weiter zu machen. Das nach einigen weniger tollen Dingen ausgeknipste TV-Magazin Polylux hat das mit der Ankündigung schon vorgemacht – dort soll das Blog, das mit einigen anderen szenenahen Figuren 2007 einen Grimme Online Award zugeschoben bekam, mit Internetvideos zum Goldeselchen für die Produzenten werden. Seit Anfang November könnte es losgehen, denn am Ende von Polylux ist nach Worten des RBB nichts mehr zu ändern

Während jetzt aber von der grossen Offensive auf Polyblog.tv bislang noch nichts zu merken ist, tritt schon das nächste Medium zu Gang ins Internet an: Die Zeitgeistpostille Face wollte die alte “Tempo” beerben und coole Texte für coole Leute schreiben – aber schon nach drei Ausgaben kam es zum grossen Knall, der Chefredakteur wurde gefeuert, und seine Redaktion erklärt sich mit einem Rückzug solidarisch:

Der jetzige Status Quo war somit ein fast unvermeidbarer Zustand, und wir bedauern diese Entwicklung zutiefst, freuen uns aber, Ihnen mitteilen zu können, dass wir ab Montag, den 10.11.2008 auf www.faceyourmagazine.de täglich zeigen, wie es jetzt mit uns weitergeht, im Leben zwischen Disko und Diskurs, Anspruch und Ablehnung, Bio und Boulevard, Kritik und Konsum.

Ja. Fein. Heute ist der 15.11, und bislang stehen da in zu kleiner Schrift zwei Filmkritiken und die Ankündigung, dass am Sonntag vielleicht ein Beitrag über Mode kommt. Einen Autorennamen würde sich der Leser vielleicht auch wünschen. Das ist jetzt nicht so arg viel.

Irgendwie fände ich es hübsch, wenn solche Projekte zu Beginn etwas liefern würden, was einen begeistert, mitreisst, gleich mal zeigt, wo der Hammer hängt. Aufmerksamkeit ist ein seltenes Gut im Netz, nie bekommt man mehr als zu Beginn, gerade unter den jetzigen Umständen der Migration ins Netz, und wer es dort erst mal langsam und behäbig angehen lässt, sollte sich nicht wundern, wenn die Leser nicht dauerhaft bleiben. Also: Unterhaltung, und zwar sofort. Sonst ist man am Ende nur ein abserviertes und ins Netz gekipptes Projekt von vielen, und es ist ziemlich offensichtlich, dass der Markt im Netz bald ziemlich dicht sein dürfte.

12.11.2008 | 14:45 von DonAlphonso

Online first? Newsdesk? Im Westen nichts neues.

Zuerst mal: Ich arbeite generell nicht mehr so viel im Journalismus, dafür eher woanders. Und wenn ich mir die Lage des Journalismus so anschaue, bin ich ganz froh über diesen teilweisen Ausstieg. Grob gesagt stehen die Kollegen gerade vor der Wahl, Einkommenseinbussen durch billigere Arbeit zu akzeptieren, oder Einkommenseinbussen durch weniger halbwegs gut bezahlte Arbeit, oder Einkommensstagnation durch mehr Arbeit und Selbstausbeutung. Alle drei Alternativen sind schlecht, und wem sie nicht passen, für den gibt es auch noch die Arbeitslosigkeit. Das, was dem Vernehmen nach 300 Mitarbeitern der WAZ-Gruppe droht. In einer Region, in der die WAZ mit ihren Blättern Monopolist ist.

In dieser unschönen Lage, 30 Millionen Euro Einsparvorgaben zu haben, hat die WAZ jetzt ein neues Konzept für ihre Printtöchter vorgestellt, das man grob mit Onlinestrategie für Print umschreiben könnte – konktret wird es für alle einen zentral erstellten Mantel geben:

Der Content-Desk

Der Content-Desk liefert für In- und Ausland, Wirtschaft, Sport, Kultur, Vermischtes und Fernsehen qualitativ hochwertigen Content an die Titel von NRZ, WAZ und WR.
Die früheren Ressorts der drei Titel werden ersetzt durch Newsdesks für Politik, Wirtschaft, Sport, Kultur und Vermischtes/Fernsehen. Jeder Newsdesk hat einen eigenen Chef (= Ressortleiter). […] Der Westen gewinnt durch die neue Struktur einen unvergleichlichen Content sowohl in Geschwindigkeit als auch Kompetenz. Durchgängig gilt für alle Redaktionen: Online first.

Das ist so ähnlich wie das Konzept des gemeinsamen, mit einem zentralen Newsdesk bestückten Onlineportals “Der Westen”, diesmal nur auf Papier und mit unterschiedlichen Zeitungsnamen und Lokalteilen. Das wird ohne Zweifel billiger. Aber besser?

“Der Westen” war etwas, das man ohne Zynismus als misslungene Zangengeburt bezeichnen kann, mit lachhaftem Bloggestümper und windigen Löhnen. DerWesten ist zwar besser als die alten Webseiten der Einzelredaktionen, für sich genommen und im Vergleich mit anderen Nachrichtenportalen eher drittklassig. Dass man die Notwendigkeit verspürt, Nutzer über Google Ads “einzukaufen”, ist das eine; dass man mit unter 5 Millionen Visits pro Monat (oder 160.000 pro Tag) bei den 5 Millionen Einwohnern des Ruhrgebiets nur einen Bruchteil mit dem Portal erreicht, das andere. Das selbst gesteckte Ziel, der zentrale Anlaufpunkt für die Region im Internet zu werden, hat man damit verfehlt, aus der geplanten Community wurde sehr wenig, und soweit ich sehe, hat man auch das nutzerbasierte Geotagging, das eine heisse Sache werden sollte, gekippt. Die Einbindung der lokalen Nachrichten ist bis heute rudimentär, um es höflich auszudrücken.

Sprich: Die WAZ hat bereits ein Beispiel für einen nicht funktionierenden Zentralapparat, wie er geplant ist – im eigenen mauen Internetprojekt. Der soll jetzt auch vorrangig bedient werden, mit all den eher fragwürdigen Folgen für Recherchetiefe und Qualität, die das schnelle Raushauen im Internet so mit sich bringt. So kann man natürlich Geld auf allen Ebenen sparen, aber bitte nicht wundern, wenn am Ende “DerWesten” ausgedruckt wird – für den Bruchteil der Regionenbewohner, die für den Schrott zu zahlen bereit sind, den DerWesten heute schon kaum an den Mann bringen kann.

11.11.2008 | 12:49 von DonAlphonso

Eia Blogeia

Ich finde diese Diskussion hier etwas unfair und meine, dass sich das Blog erstmal entwickeln muss. Ein Problem ist sicherlich der so vor sich her getragene hohe Anspruch, aber wie es wirklich wird, weiß man doch nicht nach 10 Tagen sondern erst nach einem halben Jahr.

Ich könnte nochmal ganz anders. In meiner virtuellen Schublade liegen haufenweise Aufrechnungen alter kommerzieller Bloghirngespinste, die man eigentlich noch mal besichtigen müsste. Um zu zeigen, was da draus wurde. Ein Typ, der seine Platte mit Blogs in die Charts bringen wollte. Zwei Typen, die ein Dauerwerbeblog zum Erfolg bringen wollten. Das ganze Elend von Derwesten und Zoomer, mitgemacht von bekannten deutschen Bloggerinnen, die den Mund in Sachen Internet gern voll nehmen, und die man mal an ihren Taten messen könnte. Burdas Lachnummern in Bewegtbild und Blogcommunity – wollten die bei Blog.de nicht im Herbst was ganz Grosses, Werbemässiges machen? Oder wie war das nochmal mit dem grosskotzig vermeldeten, allseits verlinkten Aufruf von Adical/Adnation/Lobo, sich für das Cebit-PR-Blog als Berufs-Twitterer zu melden?

Wenn man sowas macht, kann man sich sofort an den Rechner setzen und beginnen, die Hilfstruppen solcher Knilche rauszulöschen. Ziemlich viele Leute haben ein paar Freunde, die anonym, mit falscher Email und Namen schnellstens mit der persönlichen Schiene bei der Hand sind. Das beginnt im Kieler Hafenschlamm und endet bei einem Scienceblogs-Mitarbeiter, der für sein Getrolle mal schnell eine andere Identität annimmt. Das ist nicht neu, das gibt es hier seit dem Tag, als sich der Journalist Stefan Niggemeier offensichtlich von einer Relativierung seiner Thesen zur Netzeitzung belästigt fühlte. Aber es nervt.

Es nervt, weil es im Ergebnis fast nur Bauchpinseleien gibt, Features zum Start und Lob zum Wagnis, aber keine Debatten über Probleme bei der Umsetzung, Scheitern und Versagen. Das muss man nicht machen, um die anderen zu beleidigen; das kann schlichtweg auch eine banale Fehlersuche sein, die bessere Wege aufweist. Es wird gerade viel darüber gejammert, dass Blogs in einer Stagnation sind, statt zu fragen, warum das eigentlich so ist. Natürlich gibt es Grenzen des Wachstums, aber genauso gibt es Fehlentwicklungen, falsche Vorstellungen und Projekte, deren Scheitern eine ganze Menge Vertrauen zerstört haben – gemeinhin von Typen, denen es erklärtermassen scheissegal ist, weil das nächste Projekt von selbst kommt und man das Thema so lange reitet, bis was Neues da ist. Wichtig ist es nur, von der Fanbase als Säulenheiliger, als cool und bewundernswert betrachtet zu werden, in diesem “Ich mach Euch alle reich wir gegen Bild und die Medien und für die bessere Welt”-Kosmos, in dem sich das zwischen den Fleischtöpfen der Burdas und den PR-Aufträgen dummer Verlage abspielt.

Mir ist das Fortkommen der sich talentiert fühlenden Malte Weldings dieser Welt egal, aber dieser Sektor der Blogger, die mit dem Schreiben im Netz irgendwo hin will, bastelt jetzt seit 4 Jahren an dem Thema, und über den traurigen Stand der Dinge machen sich wohl auch die Beteiligten keine Illusionen, wenn sie in einer klaren Stunde mutmasslich mal wieder den Frust kriegen bei der Vorstellung, bis zur Pension die Bild und andere Medien nach Fehlern absuchen zu müssen, um ihr Blog zu betreiben. Dieser Sektor ist seit vier Jahren in einer Sackgasse, und steht jetzt vor einer massiven Werbe- und Wirtschaftskrise. Statt der allfälligen Bejubelung immer neuer Projekte mit dem immer gleichen vorhersehbaren Rumdümpeln wäre eine Fehleranalyse mal wirklich fein. So in der Art: Mach erst mal was Gutes, ohne gleich vorher Ansprüche zu formulieren, an denen du scheiterst. Mach keine falschen Versprechungen. Überlege dir Ziele, die erreichbar sind. Aber dazu müsste man sich erst mal von den gegenseitlichen Bauchpinseleien lösen, dem frühen Lob der Unternehmung später eine angemessene Revision folgen lassen, gar innerhalb des Berliner Netzwerkes ein paar ehrliche Dinge sagen und einen Bruchteil so schonungslos sein, wie man die Kritik gegenüber den Medien formuliert.

7.11.2008 | 1:43 von DonAlphonso

A la Carta

Ich wurde von ein paar Leuten gebeten, etwas über das neue Gemeinschaftsblog Carta zu schreiben. Na gut. Schauen wir uns an, was die über sich selbst sagen. Obwohl, “sagen” darf man da nicht sagen, sondern eher: Kommunizieren.

CARTA ist ein Netzwerk-Syndikat für Analyse und Meinungsbildung. Die Online-Publikation verknüpft die Beiträge seiner dezentral organisierten Autoren mit Verweisen auf die relevantesten Inhalte aus dem Internet. CARTA ist dezentrales, digitales Op-Ed. CARTA ist Filter und Produzent, Meta- und Mehrautoren-Blog.

CARTA sieht im selbstbestimmten Öffentlichkeitszugang von eigenständig publizierenden Experten, die auf Basis von Hintergrundwissen und komplexen Weltbildern interpretieren und analysieren, eine entscheidende Ressource für die Steigerung des Niveaus aktuell-gesellschaftlicher Informationsverarbeitung.
CARTA verweist offensiv auf andere Online-Publikationen und nutzt damit den Netzwerkcharakter des Internets. CARTA ist überparteilich und unabhängig. CARTA ist den Normen des Qualitätsjournalismus verpflichtet.

CARTA ist zuallererst Dienstleister für seine Autoren. Es nimmt ihnen die Unwägbarkeiten der Online-Publizistik ab und bietet ihnen den gesicherten Aufmerksamkeitsrahmen einer hochwertigen Medienmarke.

Man kann es nie wissen, aber selbst für mich, der ich qua Bildung, Tätigkeit, Interessen und Einkommen ziemlich gut in die Zielgruppe von Carta passen würde, ist mir das zu viel Anspruch in zu grossen Worten. “Ambitious”, würde der grosse englische Bewegungsphilosoph Jeremy Clarkson sagen, “but rubbish”. Anspruchsvoll, aber Mist. Ganz ehrlich: Ich will nicht so steif und förmlich angesprochen werden, so ehrfurchtsheischend und von oben heran. Allein ein Begriff wie die für Carta in Anspruch genommene “Steigerung des Niveaus aktuell-gesellschaftliche Informationsverarbeitung” trägt in seinem neologistischen Bombast ganz sicher zu diesem Ziel bei. Wenn der Link zur Profilseite einer Autorin dann noch dieses Ergebnis ausspuckt:

Nicht gefunden, Fehler 404
Die Seite, die Sie suchen, existiert nicht.

hätte man den Machern vielleicht etwas mehr Planung und Sorgfalt gewünscht, bevor sie sich mit solchen Ansprüchen zur Unzeit exponieren. “Beta” steht über dem Titel, aber inzwischen frage ich mich, was an Fehlern und Schlamperei so toll sein soll, dass man es meint branden zu können. Dass man auf der Startseite in der rechten Spalte prominent die Anreisser von Beiträgen andere Medien bringt, die optisch auf den ersten Blick auch die eigenen sein könnten, ist auch nicht gerade prickelnd. Wenn das Projekt dann auch noch genutzt wird, um Eigen-PR zu machen, wundert sich der Leser schon über das Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit.

Normalerweise versucht man in den Medien am Anfang, die Leser mit tollen Geschichten und aufwändigen Reportagen anzufixen und zu halten. Obwohl ich ein Freund der Länge bin, habe ich es nicht geschafft, auch nur einen einzigen Text bei Carta komplett zu lesen. Ich habe nicht den Eindruck, dass mir da jemand etwas erzählen will, und wenn ich einen Dozenten brauche, lese ich Bundestagsdebatten zu Randthemen nach. Was ich damit nicht sagen will ist, dass “Carta” schlecht ist. Ich kann einfach nichts damit anfangen und habe den Eindruck, dass ich angesichts der Diskrepanz zwischen Zielsetzung und Durchführung nicht der einzige sein werde, der diesem Projekt keine Zukunft als deutsche Antwort auf Huffington Post zutraut. Faslcher Anspruch, falsche Autoren, falsche Themen, Null Spass. Bedaure. Mehr fällt mir dazu aktuell nicht ein.

3.11.2008 | 13:31 von DonAlphonso

Hilmar Poganatz, seine nachplappernden Blogger in der abschreibenden Süddeutschen Zeitung

Hilmar Poganatz hat in der Süddeutschen Zeitung einen Beitrag über das Notizbuch Moleskine geschrieben, und darüber, wie sich Blogger für Marketingmärchen einspannen lassen. Internet- und Bloghass in der Süddeutschen ist ja nichts Neues; die Süddeutsche ist Marktführer für Arroganz einerseits und das mieseste Onlineportal einer Qualitätszeitung andererseits. Jedenfalls meint Poganatz, sich über Blogger erheben zu können, schliesslich seien die willfährige Helfer und Konsumdeppen:

Klassische Werbung haben die Mailänder noch immer nicht nötig. Blogger kauen die Geschichte im Internet wieder und wieder. […] Am Ende setzt der gleiche Mechanismus ein, der auch die Geschichte rechtfertigt: In der Web 2.0-Generation ist der Kunde aufgeklärt genug, die Tricks der Werber zu durchschauen – und kauft trotzdem das, was ihm gefällt. “Obwohl ich ihr Marketing durchschaue, fällt es mir schwer, mich von den starken Gefühlen zu lösen, die es heraufbeschwört”, gibt ein Blogger zu. “Ich habe gelesen, dass die Moleskine-Legende Fiktion ist”, schreibt ein weiterer Fan: “Umso besser!”

Wo Ponagatz das gefunden hat, schreibt er natürlich nicht. Er schreibt übrigens auch nicht, wo er das hier gefunden hat:

Francesco Franceschi, der frühere Chef der Firma, hat die Antwort auf diese Frage längst gegeben: “Das ist Marketing, keine Wissenschaft. Es ist nicht die absolute Wahrheit.”

Das hat Ponagatz wie einige andere Ideen und Abschnitte aus einem grösseren Beitrag des International Herald Tribune abgeschrieben, natürlich ohne die Quelle zu nennen:

“It’s an exaggeration,” conceded Francesco Franceschi, who runs Modo & Modo’s marketing department. “It’s marketing, not science. It’s not the absolute truth.”

Dass Ponagatz nicht selbst mit Franceschi gesprochen hat, ist offensichtlich, schliesslich hat er noch nicht mal dessen Stellung in der Firma richtig erfasst. Und auch in der Brand Eins findet sich ein sehr viel älterer Beitrag zum gleichen Thema, der eine Menge Ähnlichkeiten mit der, sagen wir mal, apokryphen Schreiberei in der Süddeutschen hat.

Aber über unkritische Blogger herziehen, die alles glauben.

29.10.2008 | 17:22 von DonAlphonso

Fünf Blogideen zum Klauen für Verleger

Na? Betroffen von der Wirtschaftskrise? Trudeln gerade die Abokündigungen ein? Schreiben Sie gerade die Entlassung des Werbevermarkterdödels raus, dessen Agenturschnuffi schon letzte Woche gehen musste? Oder geniessen Sie waz das Gefühl, ein paar hundert Minderleister verschnarchter Lokalteile zu entsorgen?

Oder glauben Sie auch, dass Ihre Zukunft irgendwas mit diesem Internet zu tun haben könnte? Gleichzeitig will Ihnen Holtzbrinck aber nicht StudiVZ verkaufen, und ihre eigene Partybildcommunity läuft auch nicht besonders? Am Ende denken Sie vielleicht noch, dass man was Modernes machen könnte, mit Anspruch und Qualität, und im Internet ein wenig mehr ausgeben könnte als die Konkurrenz, um nicht genauso blöd, sondern besser zu sein? Und Sie wollen auch nicht mitspielen, in Schlamm und Schleim um den Gossenpokal des Spiegel-Online-Kopie-Award?

Falls dem so ist: Ich hätte da fünf Ideen, die Sie als typischer deutscher Verleger mit Ihrem Hang zur Bevorzugung interner Seilschaften und Ihrer Vermeidung unnötiger Kosten klauen und vielleicht sogar mit etwas Erfolg nachäffen könnten, wenn Sie Depp schon zu blöd sind, sich das Talent dort zu holen, wo es ist:

1. Für die Wirtschaft FTalphaville. Alphaville ist so gut, so bissig, so respektlos und so schnell, dass man nicht glauben möchte, die Mama wäre die verschnarchte Financial Times. Einen mässigen Kopieversuch gibt es schon, aber staubtrocken, öde und weitgehend von Leuten ohne Insiderwissen geschrieben. Das geht besser.

2. Für einen Kulturteil Moreintelligentlife. Und zwar bitte genauso offen und ohne nervige Overlaywerbung und lange Texte und Sätze und viele gute Autoren. Nicht die strukturellen Analphabeten aus ostdeutschen Pseudounis, die sie sonst im Internet verheizen, wo es keinem aufzoomert äh auffällt. Dann klappt es auch mit der vermögenden Zielgruppe.

3. Für den Sport Allesaussersport. So geht das mit dem Liveticker, der Vorschau und dem Medien- und Wirtschaftshintergrund von Sport. So. Respektlos, direkt, ehrlich, frei vom üblichen Gemauschel. [Edit: Falls es jemand nicht wissen sollte, der Autor von allesaussersport ist Kai Pahl, mit dem ich zusammen das diesem Blog zugrunde liegende Buch herausgegeben habe]

4. Für das Lokale die Ruhrbarone. Gut, vielleicht etwas mehr noch, und noch etwas weiter runter auf die lokale Ebene. Aber prinzipiell schon mal gut, wenn es nicht so ein Clusterfuck zwischen Lokalpolitik und Lokalredaktion ist. Es geht um die Leser und nicht um die Arschkriechereien; das mag sich im Lokalteil revolutionär anhören, aber es könnte klappen.

5. Für das Kochen und Geniessen die Anonymen Köche. Keine synthetische Hausfrauengommjunidie wie Küchengötter oder BonGusto oder was Consultants sonst noch für teures Geld an Langeweile produzieren.

Und wenn Sie es schon klauen: Schauen sie sich das Portal “DerWesten” und hier besonders die Blogs an. Das sollte, als es geplant wurde, in die gute Richtung gehen. Machen Sie ALLES anders. Ãœbernehmen Sie von denen NICHTS. Basteln Sie keinen Ehrensenf und keinen Spreeblick und anderes Zeug für hypig-nervige Cliquen. Dann könnte es vielleicht sogar was werden mit Ihrer Onlinemarke.

28.10.2008 | 1:17 von DonAlphonso

Recherchespam

Frisch aus den Kommentaren gefischt und dortselbst gelöscht: Die Kombination aus qualitativ minderwertiger Recherche und Kommentarspam:

Hallo, arbeite an einem Artikel für die ************ über mögliche Probleme, die Auftritte (Fotos, persönliche Vorlieben) in Online-Portalen, Blog oder ähnlichem nach sich ziehen. Dafür such’ ich nach Betroffenen, denen im Bewerbungsgespräch irgendwelche Bilder oder andere Internet-Einträge unter die Nase gerieben worden sind. Natürlich kann der Name abgekürzt oder ganz verfremdet werden. Also wenn euch so etwas widerfahren ist, dann meldet euch doch bitte bei:

[Emailadresse einer grossen Lokalzeitung]

Danke im Voraus!

Nichts zu danken. Natürlich ist es nicht immer leicht, an Betroffene zu kommen, aber früher haben Journalisten einen wenigstens angemailt und gefragt, ob man jemanden kennt. Das war zwar auch oft Faulheit, aber auf diese Art bekommt man wenigstens halbwegs vertrauenswürdige Informationen. Solche Kommentare sind geradezu eine Einladung, einem Journalisten einen Bären aufzubinden.

24.10.2008 | 23:47 von DonAlphonso

Oh sh*t.

Es war 2001, im Sommer. Da ging gerade die New Economy den Bach runter, aber viele in München, oder besser, der Munich Area, hatten das noch nicht begriffen. Und in einem der vielen Hypenetzwerke der Stadt, dem FIWM, dessen führende Vertreter sich mit einem Sitz im Internetbeirat des Ministerpräsidenten gross taten, wurde weiter an der Zukunft der E-Wirtschaft gebastelt. Nachdem die Krise dennoch ihre Spuren hinterlassen hatten, trafen sich die führenden Köpfe oder so der Munich Area in der de facto kostenlosen Lothringer 13, und redeten dort über “Content” als Zukunft der Geschäftsmodelle im Internet. Das war just zu der Zeit, als eine Reihe von Content Syndicatoren draufging, aber Klaus Eck – exakt dergleiche, der seit ein paar Jahren als PR-Blogger sein Glück versucht – schnarchte sich damals durch eine lahme Podiumsdiskussion, die er als Leiter des “Arbeitskreis Content Bizz” leiten sollte.

Arbeitskreis Content Bizz. So hiess das wirklich. Und es sagt meines Erachtens alles über Klaus eck. Bizz. Mit zwei “z”.

Davor jedenfalls hielten zwei junge, schick-dynamische Menschen einen langatmigen Vortrag über eine Studie, die sie an Content-Startups verkaufen wollten. Diese Studie kam zu einem Ergebnis, das wir nicht erst im 2008er Rückblick auf viele gescheiterte Zahlinhalteversuche als “durchgeknallt” bezeichnen dürfen, ich zitiere:

Bisher galt aber für alle: Content ist zunächst einmal kostenlos! Grund genug für viele Verlage, Journalisten und Redaktionsbüros sich nach der fortwährenden Pleite der werbe- oder bartering-finanzierten Sites aus der Online-Vermarktung ihrer Inhalte zurückzuziehen. Oder nach Möglichkeiten zu suchen, den Kunden zum Bezahlen zu bewegen – doch der will nicht, oder? Mit diesem Vorurteil räumt die aktuelle Studie des Hamburger Marktforschungsunternehmens EarsandEyes auf. Nach ihrer jüngsten Studie ist fast die Hälfte aller User bereit, im Internet zu bezahlen. Solange das Angebot überzeugt.

Ich war damals auch dabei, und bohrte öffentlich nach, mit dem Ergebnis, dass gar nicht jeder zweite zahlen würde, sondern nur jeder zweite das bei der Frage ankreuzte, ob er zahlen würde, wenn er zahlen müsste. Das ist ein ziemlicher Unterschied zum “überzeugenden Angebot”, oder? Nachdem ich am nächsten Tag gesehen hatte, mit was für überdrehten Tritratrullala-“Studien” auf Basis welcher mickriger und passend zusammengestöpselten Zielgruppenbasis Earsandeyes zu agieren pfegt – siehe den Irrsinn der “Web-Andachten” – schrieb ich in meinem damaligen Protoblog einen ziemlichen Verriss, der leider nicht mehr online ist.

Und wenn die Klitsche jetzt immer noch aktiv ist und irgendwelche Ranglisten bekannter Blogs macht und das mit Prozentzahlen garniert und ihre mickrige Nutzerbasis aus die Internetnutzer hochrechnet – dann bin ich doch etwas schockiert, wie leichtgläubig andere diesen Blödsinn übernehmen.

Don´t believe the hype.