22.1.2008 | 19:20 von DonAlphonso

Piyobo – da gibt es nichts mehr zu pimpen

Im Kontext mit dem Übergang von Germanblogs zu neuen Besitzern und neuen, bloggerreduzierten Geschäftsmodellen bin ich über eine andere Idee von Holtzbrinck gestolpert: Nach dem Ausscheiden vieler Mitarbeiter wurde versucht, das Medizinblog bei Germanblogs von Dr. Michael Pang als Videocast fortzuführen. Unter PiYoBo.de – Abkürzung für “pimp your body” – sollte es täglich ein Filmchen und sogar eine Praxis bei Second Life geben, das Material sollte auch bei Sevenload zu sehen sein. Das eine Problem: Dr. Prang arbeitet als PR-Autor, was nicht jedermann zusagte.

Das andere Problem: Nachdem im Sommer der Podcast zwischenzeitlich schon mal ausgefallen und wieder zurückgekehrt war – ist es mittlerweile komplett vorbei. Bei Sevenload sind Filme mit “piyobo” oder “Michael Prang” verschwunden, und auf der Website kommt nur noch:

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Und wieder eine grandiose Web2.0-Idee, die nicht so gelaufen ist, wie es in der Powerpoint vorgesehen war. Immerhin: Es könnte noch schlimmer sein: Die Reste des als Marketingerfolg gefeierten Promoblogs Schlaemmerblog.tv sind jetzt offensichtlich unter die Domaingrabber gefasllen und zeigen weibliches Fleisch, das vielleicht gar nicht schlechter als die beworbenen VW Astras zur Zielgruppe von Schlaemmer passt.

21.1.2008 | 21:39 von DonAlphonso

Germanblogs mit neuer Leitung und noch weniger Autoren

Blogbarleser wissen es schon seit über zwei Wochen: Beim von früh an krisengeschüttelten Netzwerk Germanblogs und der verantwortlichen Agentur Boogie Medien sind harte Schnitte erfolgt; von nun an ist Holtzbrinck elab am Ruder von Germanblogs und will es dem Vernehmen nach gesundschrumpfen, um die Kosten zu reduzieren.

Das ist übrigens gar nicht so schwer, denn inzwischen laufen Germanblogs die Autoren davon: Nachdem Holtzbrinck versucht hat, gegen die Autoren eine Änderung der AGB durchzusetzen, mit denen eine Übertragung weitgehender Nutzungsrechte einhergeht, geht verärgert neben dem ein oder anderen Leistungsträger sogar ein Selbstpromotionblogger, der sein Buch bei Germanblogs bewerben sollte – das bei S. Fischer verlegt wird, die ebenfalls zu Holtzbrinck gehören. ich wäre wirklich überrascht, wenn das die Synergien sind, die man sich bei Holtzbrinck im Internet verspricht.

Wieviel der Spass mit den für 200 Euro schreibenden “Profibloggern”, der Agentur, der PR und sonstigem redaktionellem Aufwand gekostet hat, ist Gegenstand wüster Spekulationen, an denen sich die Blogbar nicht beteiligen möchte. Hier ist man es zufrieden, dass dieses Projekt so unrühmlich seinem Ende entgegenstrebt, wie es begann: Als Businessidee von Leuten, die nicht kapiert haben, worum es eigentlich geht. Wie es geht, weiss die Blogbar auch nicht, aber immerhin haben wir jetzt ein gutes Beispiel für das, was man besser nicht machen sollte.

21.1.2008 | 17:38 von DonAlphonso

Der letzte 100Millionen-Web2.0-Tango in München

Es gibt in der Wirtschaft eine Theorie, die sich “to big to fail” (oder lässiger 2b2f)nennt. 2b2f bedeutet, dass Systeme ab einer gewissen Grösse selbststabilisierend und selbstverstärkend sind. Amerikanische Grossbanken, zum Beispiel. Oder die Dynamik der New Economy. Allein Historiker glauben nicht an 2b2f, aber wer sind schon Historiker – werden sich diejenigen sagen, die in München bei Hubert Burda auf dem Podium sitzen.

Wenn es mal so einfach wäre. In einem aktuellen Wirtschaftsumfeld, in dem seriöse DAX-Unternehmen gebeutelt werden, als wären sie windige Startups im Sommer 2000, kann man schon mal anderer Meinung sein. Thomas Knüwer hat vor kurzem noch gesagt, die Bankenkrise könnte dafür sorgen, dass Werbung zielgenauer eingesetzt und zugunsten von Web2.0-Firmen umverteilt wird – ich denke, das genaue Gegenteil wird der Fall sein. Wer seine Gründung mittelfristig mit Werbung finanzieren will, wird 2008 sein blaues Wunder erleben. Schon in der 2000/01er Krise brach der Werbemarkt online nicht völlig zusammen, aber gefaltet wurden damals vor allem die kleinen und nicht besonders effektiven Anbieter. Und auch diesmal wird Werbung bei Spiegel Online einen ganz anderen Stellenwert haben, als auf den schnell gepushten Seiten des Web2.0, die obendrein noch weitaus höhere Kosten für den Vertrieb haben. Targeting, angeblich die Killerapplikation der Werbung, bietet heute so gut wie jedes bekanntere Portal an, da hat Web2.0 auch keine Vorteile.

Mit der Krise im Hintergrund entsteht aber noch ein weiteres Problem: Das Geld wird knapp. Man merkt das momentan noch nicht besonders, weil immer noch viele Meldungen über Startup-Finanzierungen reinkommen, aber auch damit hat es so seine Bewandtnis: In aller Regel wird die Höhe der Investments nicht genannt, statt dessen gewinnt Startup XY sieben wohlklingende Nasen als Investoren. Web2.0 in Deutschland ist ein kleiner, weitgehend geschlossener Hypezirkel, in dem viele darauf hoffen, demnächst auch einen Coup wie StudiVZ, Last.fm oder Myvideo hinzulegen – aber dafür müsste es erst einen Käufer geben. *hüstel* Es gibt da beispielsweise gewisse, bekannte Gründer, die hier und heute erzählen könnten, wie es so ist, wenn einen ein ehemals investierfreudiger Medienunternehmer vor dem Notartermin hängen lässt.

Damit stehen die deutschen Business Angels vor der Frage, ob sie gewisse Firmen noch länger selbst durchfüttern wollen. Wer da jemandem mal Spass im Interview haben will, frage die Samwers mal nach ihrem Investment Frazr. Jedes Startup, das sich verkaufen will, wird erklären müssen, wie es kurzfristig schwarze Zahlen schreiben will – ansonsten wird kein Unternehmen so dumm sein, sich eine Klitsche mit hohen Anlaufkosten und unsicherer Ertragslage ans Bein zu hängen. Um hier mal ein Beispiel zu erwähnen, das dem deutschen Journalismus in den letzten Monaten entgangen ist: Ab Ende Juni 2007 hat Springer rund 70% der Aktien des Frauenportals Aufeminin erworben, und es mit einem Übernahmeangebot von 32 Euro pro Aktie mit 284 Millionen bewertet. Gerade heute kratzt die Aufeminin-Aktie an der 20-Euro-Marke. Unternehmerischer Erfolg sieht anders aus.

Wer kein Geld verdient, geht drauf. Das ist das Geschäft. Und die Lektion, die Web2.0 in den nächsten Wochen und Monaten lernen wird. Die Zeit der Schönwettergeschäftsmodelle ist vorbei, und kommt so schnell nicht wieder. Da helfen auch keine Beweihräucherungskongresse in München.

19.1.2008 | 22:12 von DonAlphonso

Adical, Falk Lüke und der Schleichwerbevorwurf

um es kurz zu machen (siehe auch Ihre “Quelle”): das ist 1. falsch, 2. Unfug und 3. sollten Sie mit solchen Behauptungen verdammt vorsichtig sein. Das grenzt hart an Rufschädigung.

Jenseits dessen, dass eben diese juristisch sicherlich interessante Unterstellung mich persönlich eher belustigt:

Die Photogalerie bekannter deutscher Blogger, die der oben zitierte Mitarbeiter und ehemalige Metablogger (Zeit Blogruf) Falk Lüke für Zeit.de mit warmen Worten betextete, wurde verschiedentlich als Schleichwerbung für Beteiligte am Adical-Werbenetzwerk aufgefasst. Die Abgebildeten sind durch die Bank nicht nur Blogger, sondern auch Teilnehmer an diesem Netzwerk, oder dessen Gründer.

In gewisser Weise kann ich Lüke so lala entlasten: Ich wurde auch gefragt, ob ich von dem Photographen abgelichtet werden wollte. Ich habe nach längerem Zögern abgelehnt, weil ich mit der unkontrollierten Verbreitung von Bildern schlechte Erfahrungen gemacht habe: Man weiss nie, wer sie klaut, missbraucht oder betextet. Seitdem ich mal mit Micha Bar-Am aus Israel über das Problem gesprochen habe, bin ich da übervorsichtig. Und ich darf sagen, dass mir die Vorstellung überhaupt nicht gefallen hätte, mich ausgerechnet von Lüke im Kontext mit derartigen Werbeträgern betextet im Internetableger des inoffiziellen Zentralorgans ostpreussischer Landjunker wiederzufinden.

Aber: Natürlich sind Lükes Kontakte zum von ihm gelobten Adical und dessen Macher und Beteiligte gar nicht schlecht, wenn man das Kongresspodium der Adical-Macher zusammen bestreitet. Als Beteiligter dann gleich nochmal die Nachfolgeveranstaltung zu promoten, hat schon einen etwas komischen Beigeschmack. Wie auch das wirklich nette Begleitschreiben, das Lüke weiland für Adical bei Zeit Zünder verfasste.

Jetzt nehmen wir mal an, ein Journalist würde auf dem Kongress der deutschen Bank moderieren, kurz danach einen sehr positiven Bericht über eine Tochter der Deutschen Bank schreiben und später nochmal die Mitarbeiter der Tochter als die wichtigsten deutschen Bankmanager vorstellen, und anschliessend behaupten, das ginge nicht anders, weil die bekannteren Manager ja automatisch zur Tochter der Deutschen Bank gingen…

Als Blogger – ich mache keinen Hehl daraus, ich halte weder was von Adical, noch von der Geschäftstätigkeit der Beteiligten, noch von ihrem Netzwerk, zu dem meines Erachtens Falk Lüke gezählt werden kann – kann ich subjektiv durchaus was über den grünen Klee loben, oder verreissen. Als Journalist ist die ausgesprochen angenehm wirkende, publizistische Tätigkeit von Lüke über seine Bekannten dagegen weniger glücklich, wenn nicht dabei steht, was man an anderer Stelle zusammen so treibt. Schleichwerbung muss laut Definition des Rundfunkstaatsvertrages übrigens noch nicht mal zwingend entlohnt werden. Und Trennung zwischen persönlichen Interessen und journalistischer Tätigkeit ist auch was anderes. Ein schönes Beispiel für die Unterschiede zwischen Blogs und klassischen Medien, aber leider halt auch dafür, wie Blogs, sobald es kommerziell wird, auch in besonderem Masse die negativen Effekte der real existierenden Medienmacherei abbekommen.

18.1.2008 | 12:50 von DonAlphonso

Eklig: Ogilvy, ECCA und die Pharmalobby auf Blogbeschleimung

Ich kenne mich mit Medizin nicht aus. Aber zum Glück kenne ich einen Spezialblogger, Strappato nämlich, dem ich gewisse Anfragen schicken kann. Etwa, wenn eine PR-Agentur ankommt und mir für getarnte Pharmakunden eine kostenlose PR-Kampagne aufs Auge drücken will. Friss hier Strapppatos Gastbeitrag, Ogilvy, und wende Dich nie wieder an die Blogbar.

Den guten Ruf für eine gute Sache einsetzen. Was gibt es schöneres im Blogger-Leben. Blogs als Graswurzelbewegung für eine bessere Welt. Wenn die Graswurzel von fiesen Konzernmaulwürfen untergraben wird, ist das Astroturfing. Besonders die Pharmaindustrie missbraucht gerne die den Menschen angeborenen Empathie für ihre Ziele.

Aufwendig mit Anrufen und per E-Mail ist die Blogbar in den letzten Tagen von Ogilvy Public Relations Worldwide kontaktiert worden, um sich für die 25.000 Frauen in Europa stark zu machen, die jedes Jahr unnötigerweise an Gebärmutterhalskrebs – medizinisch Zervixkarzinom – sterben.

Ich verstehe wenn Sie Gebärmutterhalskrebs nicht als besonders passendes Thema für Blogbar halten, oder es nicht bevorzugen auf Themen hingewiesen zu werden. In Anbetracht des Ernstes des Themas und Ihrer hohen Reichweite bzw. Einfluss, bitte ich dennoch es zu berücksichtigen.

Dazu wird auf ein Video bei Youtube verwiesen, dass ins Blog eingebunden werden soll. Auch mit Angeboten für weitere Informationen, Fallstudien, oder Interview-Vermittlungen wird nicht gespart. Professionelle PR, wie nicht anders zu erwarten, wenn der Absender Ogilvy Public Relations Worldwide in den schnieken Londoner Docklands ist.

Blogger vs. Journalisten werden jubeln. Hey, blogs werden als Medium ernst genommen. 1:0 für die Blogs. Zu früh gefreut. Mit der Achtung ist es nicht weit her. Auftraggeber von Ogilvy ist die ECCA – “European Cervical Cancer Association”. Geworben wird für eine Petition “STOP den Gebärmutterhalskrebs” mit der das Europäische Parlament, die Europäische Kommission und alle nationalen Regierungen in Europa aufgefordert werden sollen, effektive und organisierte Vorbeugungsprogramme zur Verhinderung von Gebärmutterhalskrebs allen Frauen in Europa zugänglich zu machen. Zu den Förderern der ECCA gehört die Europäische Kommssion. Da hätte man eigentlich doch den direkten Lobbying-Draht. Dazu duzende professorale Mietmäuler in allen EU-Ländern, von der Pharmaindustrie finanzierte Krebsorganisationen und eine “European Parliament Cervical Cancer Interest Group” mit 36 EU-Parlamentarieren. Ziemlicher Aufwand. Mit im Lobbying-Boot sitzen die Pharmakonzerne GlaxoSmithKline (GSK), Roche, Samofi-Pasteur MSD, Novartis und Qiagen, die über die Hälfte der Veranstaltung finanzieren. GSK alleine hat 2006 fast 20% des offiziellen Etats der ECCA beigesteuert.

Hier wird klar, um was es geht. Nicht um die Frauen und die Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs, sondern um die Übernahme der Kosten für die Impfung gegen Humane Papillomviren (HPV) durch die Gesundheitssysteme. Und natürlich soll die Aktion die Impfbereitschaft un den Umsatz fördern. HPV gelten als ein Faktor für die Enstehung von Zervixkarzinom. Es ist die weltweit teuerste Impfung (über 500 Euro). Da der Impfstoff nicht gegen alle Genotypen schützt, ist weiterhin die normale Früherkennung notwendig. Eine Impfung ist auch kein Freibrief zum ungeschützten Poppen, da das Risiko für andere sexuell übertragbare Erkrankungen weiterhin bestehen bleibt. Ein Multi-Milliardenmarkt – da lohnt auch bei bloggern ein paar Euro PR-Schweiss zu investieren. Wobei die ECCA nur ein kleiner Baustein in der Lobby- und Marketingarbeit bei der HPV-Impfung ist. Die medizinische Bewertung, die in dem verlinkten Artikel angesprochen wird und aktuell durch einen Verdachtsfall einer tödlich verlaufenden Impfkomplikation in Österreich in der Diskussion steht, mal aussen vor zu lassen.

Blogs, zumindest die mit bekannt hohen Leserzahlen wie dieses hier, werden zu “Channels” der PR-Konzerne, die man mit Hintergrundinformationen, vorgefertigten Beiträgen und Aufmerksamkeit bedenkt und die von den PR-Agenturen in ihre Strategien einbezogen werden. Auch eine Art Normalisierung der Blogs gegebnüber Verlags- und TV-Redaktionen. Sie werden assimiliert. Widerstand ist zwecklos. Eine Taktik, die für Journalistenhirne zu komplex ist, wie man es letzte Woche sehen konnte. Blogs sind jedoch keine Astroturfing-Spielplätze das hat Edelman bitter erfahren müssen und Ogilvy wird dies auch merken. Wenn es sein muss auf die harte Tour.

17.1.2008 | 23:21 von DonAlphonso

Die Probleme des Lokalen im Internet: derWesten und anderes

Vorbemerkung: Ich wäre sehr vorsichtig, was bei diesem lokalen Thema die Zahlen, gerade aus der IVW-Messung angeht. Um nur mal einen krassen Fall anzusprechen: Die Mittelbayerische Zeitung meldete an die IVW regelmässig mehr Page Impressions beim User Generated Content, als bei den redaktionellen Inhalten – im Dezember 2007 1.488.331 zu 932.810 PIs. Nur finde ich bei der Mittelbayerischen nichts, was man als User generated Content bezeichnen könnte. Sagen wir dedhalb der Einfachheit halber: Lokale Medienangebote haben eher schlechte Nutzerzahlen.

Jens vom Pottblog hat sich nach den eher schlechten Nutzerzahlen des Portals derwesten.de der WAZ-Mediengruppe die Mühe gemacht, die Leistung der Bochumer Lokalredaktion zu analysieren. Und kommt zu keinem guten Ergebnis. Was sicher auch mit den eher unerfreulichen Nutzerzahlen zu tun hat.

Aber ich frage mich etwas anderes: Derwesten ist damit nicht allein. Das Problem miserabler Reichweiten haben viele im lokalen Bereich, ganz unabhängig davon, ob sie nun miserabel oder innovativ aussehen, echo-muenster.de heissen, donaukurier.de und dort unerfreulicherweise den Republikanern eine Blogheimat bieten, oder mit stattzeitung.in versuchen, dem lokalen Platzhirsch anzugreifen. Umgekehrt fahren Süddeutsche.de und die FAZ.net ihre Lokalteile mit minimalem Aufwand, ohne dass es ihre Besucher stören würde, die ohnehin weitgehend nicht aus der Region stammen. merkur-online.de und fr-online.de, die lokalen Konkurrenten, stellen das Lokale eher in den Mittelpunkt – und kommen bei weitem nicht so gut an. Offen gesagt kenne ich überhaupt kein lokales Nachrichtenangebot, das gut läuft. Was besser geht, sind Dinge wie Fudder.de und party-bei-uns.de, die Jugendnetzwerke darstellen.

Deshalb meine Frage: Kann es nicht einfach sein, dass das Lokale mehrheitlich denen egal ist, die sich im Internet tummeln? Also, genauer gesagt, das Lokale, wie es de facto dargestellt wird? Wen interessiert denn der neue Pfarrer von Eberspfuhlen, was bedeutet es, wenn in Schafsköthen ein Ziegenbock geklaut wurde, diese Mischung aus Polizeireport mit den immer gleichen, dummen Suffunfällen und Verbandspressearbeitsversuchen? Wer braucht das im Netz?

Ich glaube nicht, dass es überhaupt nicht geht. Ich denke, es gäbe viele Themen, die lokal und spannend wären, nur wird sich in den Lokalredaktionen darum gerne gedrückt, weil man die Leute kennt, weil man auch morgen noch mit ihnen reden will, und weil schon die Kneipe, deren Nudeln suboptimal beim Kneipentest aufgefallen sind, beim Chefredakteur Beschwerde einlegt. Was bleibt, sind die lokalen Verlautbarungen. Und die braucht kein Mensch, egal ob geogetagged oder communitydriven.

Siehe auch Christian Jakubetz.

16.1.2008 | 22:59 von DonAlphonso

Die Angst von StudiVZ

Wenn man sich seiner Nutzer sicher ist, schaltet man nicht solche Anzeigen, wenn sie ihren Namen ändern, wie es bei diesem Screenshotausschnitt von StudiVZ zu sehen ist:

Ein simples “Nein” geht auch als Antwort.

Wenn wir aber davon ausgehen, dass StudiVZ so etwas wie eine Gesellschaft ist, und man es an der Spitze dieser Gesellschaft für nötig hält, ihre Teilnehmer aufzufordern, keine Schritte zu ihrer Anonymität zu unternehmen, und ihre Privatsphäre zu schützen – was ist das für eine Gesellschaft?

Ich glaube, StudiVZ hat Angst. Das Büro ist unmittelbar hinter dem alten Stasigebäude in Ost-Berlin, sie haben mehr Wissen über ihre Nutzer als die DDR über ihre Bürger, aber auch keine Macht, die Bürger zu halten. Ausser dem sanften Trick, die sozialen Kontakte zu instrumentalisieren: Man solle doch an die Freunde denken. Und natürlich will man mit dem Namen absolut nichts Böses anstellen.

StudiVZ stirbt. Es geht ein an den Neuzugängen, die kaum mehr Studenten sind und Fakeaccounts anlegen, es krepiert an den hohen Kosten und den geringen Einnahmen, und vor allem verliert es eine durchforschbare Nutzerbasis, die sich im Geschäftsmodell Targeting nutzen liesse. Mit jedem erkennbar geänderten Profil, ideal durch den Namen dargestellt, verliert StudiVZ an Vertrauen der von ihnen betriebenen Gesellschaft, und bei den Werbekunden. Und draussen wartet schon Facebook auf die Nutzer, was mindestens genauso problematisch ist. Aber so schön und freiwillig, wie bei StudiVZ die echten Daten hinterlegt wurden, der Sinn des Geschäfts – so wird es nie wieder.

StudiVZ ist in meinen Augen widerlich – aber irgendwie bin ich auch froh, dass es ein Netzwerk ist, durch das auch andere begreifen, dass sie vorsichtig sein müssen. Wenn StudiVZ und Facebook Gesellschaften sind, dann sind Holtzbrinck und Zuckerberg die Diktatoren. Und keine Diktatur hält ewig. Besonders nicht, wenn sie Angst vor der Gesellschaft hat, und keiner mitmachen muss.

Ich weiss nicht, ob StudiVZ zwingend ein Kadaver sein wird. Macht nichts. Auch auf eine kranke Bestie kann man pinkeln. Wenn sie Angst hat.

15.1.2008 | 20:26 von DonAlphonso

Tausende oder doch nur 10 Blogger als postpubertäre Selbstfindungsveranstaltung?

Disclosure: Ich habe letztes Jahr bei einem Besuch eines Seminars der Uni Leipzig bei Herrn Dr. Martin Welker extrem schlechte Erfahrungen gemacht, sowohl was die Unwahrheiten und unzutreffende Darstellungen der Veranstaltung durch manche Studenten in der Öffentlichkeit, als auch die, vorsichtig gesagt, nachlässige Reaktion des Leiters auf die Folgen anging. Ich habe seit 2000 mit Journalistikstudenten zu tun, seit 2004 vor allem beim Thema Blogs – und ich hoffe wirklich, dass ich einfach den Ausrutscher erwischt habe, und nicht die Regel in Leipzig

Ich würde mir manchmal wünschen, die Vertreter der Medien und der Publizistik würden ein wenig unvoreingenommener an die Thematik “Blogs und Öffentlichkeit” herangehen. Gerade bei den Wissenschaftlern wäre ich froh, wenn sie erst mal alles althergebrachte Wissen beiseite schieben würden und neu lernen wollten. In der Archäologie ist es eigentlich immer so: Man hat ein Gräberfeld, man sieht im Boden die Umrisse, aber keiner weiss, was sich darin befindet. Also gräbt man erst mal aus, dokumentiert, sammelt, nimmt die Befunde so exakt wie möglich auf, und zieht dann Schlussfolgerungen – immer im Wissen, das das nächste Gräberfeld alles wieder umwerfen kann, indem es ganz andere Befunde liefert. Als sich in meinem Fach die Forscher Kossina und Virchow über Grabungsbefunde gestritten haben, standen beide vor völlig neuen Befunden, und am Ende hatte keiner recht – und trotzdem bauten auf ihren, durch den persönlichen Konflikt geprägten Lehren zwei Schulen auf, die sich noch über Jahrzehnte auf Basis falsch interpretierter Befunde stritten.

So ähnlich ist es auch mit der Beurteilung von dem, was man als “Blogosphäre” bezeichnet. Ich kenne beides, Journalismus und Blogs, und wenn ich auch in vielem anderer Ansicht bin, so werden mir doch die meisten, die in beiden Berufen einigermassen gut ankommen, recht geben, dass es Ähnlichkeiten gibt, aber auch sehr viel Trennendes. Das Trennende ist sstark ausgeprägt, dass der simple Vergelich zwischen den Disziplinen nicht weiterhilft.

Insofern bin ich dann immer froh, Beiträge wie den Text “Im Reich der Freiheit” von Prof. Dr. Michael Haller von der Uni Leipzig über die kontroverse Podiumsdiskussion des DJV von letzter Woche zu finden – es gab da ja durchaus auch weniger kluge Reaktionen. Haller bezieht sich dabei vor allem auf anwesende Journalisten und Blogger und ihr Selbstbild, und leitet in einer gar nicht unklugen Äquidistanz einige spannende Thesen ab, wie etwa über Blogger:

Die real existierende Szene der Blogger hat ein anderes Gepräge. Eitles Gerede („sorry, aber ich …“), redundantes Geschwätz („da hat XX natürlich Recht …“), argumentlose Vorurteile („Wir Blogger denken da …“), auch Belehrfreude („bitteschön, kann man sogar googeln ….“), Von-oben-herab-Geschreibe („war wieder Schwachsinn, diese Diskussion“) – nur gelegentlich stößt man auf eine informative oder plausibel begründete Einschätzung wie auf die berühmte Stecknadel im Heuhaufen.

Etwas überspitzt, keine Frage, aber das ist auch nicht der Anspruch, mit dem viele Blogger schreiben. Und natürlich sind die Diskussionen nicht immer vergleichbar mit einem wissenschaftlichen Diskurs; spannend sind sie dennoch, wenn auch nicht habermastauglich. Muss es das sein? Umgekehrt sieht Haller auch sehr klar analysierte Defizite im Journalismus:

Die Verantwortlichen in den Mainstreammedien haben das Lebensgefühl und die Weltsicht der Unter-30-Jährigen wirklich nicht begriffen; dass sie mit aufgeblasenen Belanglosigkeiten (Knut, Britney, Dschungelcamp) ihre Titelblätter und Nachrichtensendungen füllen – und zeitgleich mit geschwellter Brust über ihre „öffentliche Aufgabe“ schwadronieren: Das kotzt die an Sinnfragen interessierten jungen Leute definitiv an. Man kann die Erwartungsenttäuschung sehr vieler junger Leute sehr gut nachvollziehen, wenn sie davon erzählen, was sie vom „großen“ Journalismus (nicht nur Sat.1 und die Springer-Presse, auch Stern und Spiegel, ARD und ZDF) erwartet und was sie von ihm tatsächlich bekommen haben: die Einsicht, dass der Unsinn die Welt regiert.

Journalisten würden antworten, dass sie nur das liefern, was die Leute wissen wollen. Aber prinzipiell kann man das akzeptieren. Oder besser, man könnte es akzeptieren. Würde sich Haller seinen beitrag am Ende nicht völlig mit einer falschen Aussage zerschiessen. In Bezug auf eine Rapperin und ihren Auftritt gemeinsam mit dem ehemaligen Vanity Fair-Chefredakteur Ulf Poschardt sagt er (Hervorhebung von mir):

Denn schon am Tag nach der TV-Sendung haben tausende Blogger schwadroniert, ob die Frau echt oder falsch, klug oder dumm sei, ob sie nur provoziere oder den Machismo-Kult der Hardcore-Rapper persifliere, ob man ihr Gequassel „geil“ oder „öde“ finden und ihre Bums-Rapp-Hymnen hören oder nicht hören solle. Insgesamt ein gigantisches Pennäler-Palaver, das unter Pennälern völlig in Ordnung ist, weil man dort (noch) nicht weiß, wie man sein Leben erleben wird. Vielleicht erweitert sich die Blogosphäre zu einer postpubertären Selbstfindungsveranstaltung der Mediengesellschaft. Ich habe nichts dagegen, im Gegenteil, ich möchte davon träumen, dass sie nicht in ihrer Redundanz ersticken, sondern die Frischluft des Diskurses gewinnen wird. Aber redet bitte nicht von Journalismus, so verdreht der real existierende auch sein mag. Journalismus liefert das aktuelle Ereigniswissen, auf das sich die meisten Blogger stürzen wie die Geier auf den Kadaver, und besonders gierig dann, wenn ein Mainstream-Fernsehsender eine „Porno-Rapperin“ präsentiert.

Könnte man sagen, wenn es stimmen würde Der haken an der Sache: Die Behauptung, tausende Blogger würden es thematisieren, ist nachweislich falsch. Zu dem Vorfall gibt es weniger als ein Dutzend Blogpostings, eines davon bezeichnenderweise bei einem “Branchendienst” eines Urheberrechtsverletzers namens Peter Turi, und zwei weitere bei Bloggern, die solche Themen gewohnheitsmässig, möglichweise wegen des Googletraffics abfeiern. Sprich: Das Thema ist unter den über 100.000 aktiven deutschen Blogs praktisch nicht existent, eine winzige, teilweise awarenessgeile Minderheit hat sich darauf gestürzt, von “Tausende Blogger” kann überhaupt keine Rede sein.

Es ist nicht zu bestreiten, dass es in der Blogosphäre höchst unschöne Erscheinungen gibt: Gekaufte PR durch Trigami, Googlespamming durch Linkparaden, und oftmals auch dümmliches Nachplappern anderer Blogger und Medien. Aber nicht in diesem Fall, nicht im Mindesten in diesem Ausmass. Was nicht verwundert, denn den meisten geht es um das Erzählen ihrer eigenen Geschichte. Ohne “Relevanz”, “Nachrichtenwert” oder Schielen auf Sensationen. Das Elend der Blogosphäre ist so vielschichtig wie ihr Glanz, und genauso vielschichtig müsste auch die Analyse durch die Wissenschaft sein.

Insofern: Der Beitrag ist zwar in einem Kernpunkt grundfalsch, aber gar nicht so dumm. Auf einem guten Weg, vielleicht. Was fehlt, ist die Recherche und die Fähigkeit, sich mal voll auf das neue mit all seinen Facetten einzulassen. Und das ist mehr als nur die Frage nach der Öffentlichkeitswirkung. Sehr, sehr viel mehr.