2.2.2007 | 11:17 von DonAlphonso

Kommentare in den letzten sieben Jahren

Im Zuge der Diskussion zu diesem Beitrag kam die Frage auf, ob es das vorgestellte Projekt nicht schon mal in der New Economy funktional so oder ähnlich gegeben hat. Ich meine mich erinnern zu können, derartige Ideen gesehen zu haben, aus denen nichts wurde. Aber das war Anno 2000. Und seitdem hat sich einiges geändert.

Ich habe seit 2000 periodisch Beiträge ins Netz gestellt, die man kategorisieren konnte, damit sie dann untereinander standen und kommentiert werden konnten. Heute würde man sagen: Das sah aus wie ein Blog. Es war Teil einer Seite eines Radiosenders, aber formal, ohne Zweifel ein Blog. 2000 war das Jahr, in dem man weiterhin an die New Economy glaubte; der Höhepunkt der Investitionen in Startups war der Winter 2000/1 und das darauf folgende Frühjahr. Es war die Zeit der grössten Hoffnungen auf die User, und diese Erwartung fasste man damals unter dem Begriff “Next Economy” zusammen. Am Rande: Wer sich mit dem Thema beschäftigt, wird den Eindruck haben, dass deren Ideen als Web2.0 rebranded und auf den Markt geworfen wurden. Wie auch immer: In dieser Phase hatten die Beiträge rund 500 Leser täglich. Bei einem von seinen Hörern sehr geschätzten Radio. Und das Thema war nicht ohne: Es ging um MP3 im Netz, um den Krieg der Plattenkonzerne gegen das Internet. 500 Leser am Tag standen nach über einem Jahr schreiben – insgesamt 20 Kommentare gegenüber. Und ehrlich: Ich war selbst überrascht, warum jemand kommentierte.

2001 begann dann Dotcomtod, was man heute ebenfalls als Blog bezeichnen kann. DCT hatte in seinen besten Zeiten 2002/3 bis zu 20.000 oder mehr Leser am Tag. Also das zehnfache von “Rebellen ohne Markt” im letzten Sommer und das dreifache dessen, was die Blogbar momentan so haben dürfte. Die Beiträge wurden meist nur überflogen, auf “Weiter” drückten die wenigsten, und am Ende war der durchschnittliche Beitrag mit 10 Kommentaren versehen. 173 Kommentare war der Rekord, und alle Beteiligten, die aus dem Bereich der Internetwirtschaft kamen und glücklich über diese Möglichkeit der freien Rede waren, hielten das für sagenhaft gut.

2006/7 haben Blogs mit mehr als 4000 echten Lesern am Tag (ohne die Freunde der Googlespamfront natürlich), also beispielsweise Basicthinking, Lawblog, Spreeblick, 50 oder mehr Kommentare am Tag. Die Steigerung kann sich jeder selbst ausrechnen.

Das ist, gemessen an der fünfzig bis hundert mal grösseren Zahl der Schweigenden, immer noch nicht viel. Aber doch so viel, dass ich und andere auch weniger interessante Themen anklicken, wenn darunter viel diskutiert wird. Um es mal ins reale Leben zu übertragen: Ein Blog ohne Kommentare ist wie ein leeres Cafe. Kommentare ziehen auch die Schweigenden an, mag mir scheinen. Andererseits schadet es auch nicht, ab und zu einen besoffenen Penner aus den volleren Cafes zu schmeissen, um dem Rest des Publikums einen lockeren Abend zu gewähren.

Das hier ist keine wissenschaftliche Untersuchung. Aber es hat sich was geändert: Bei der Zahl der abgegebenen Kommentare, und bei ihrerRezeption. Weshalb es nur logisch ist zu überlegen, was man mit diesem boomenden Bedürfnis, dieser veränderten Kommunikationsauffassung machen kann.

1.2.2007 | 12:37 von DonAlphonso

Medien, Interaktion und parasitäre Ansätze

Meines Erachtens ist die entscheidende Währung des Internets weder Clicks, noch Visits und schon gar nicht Awareness: Der Stoff, aus dem die Zukunft ist, ist das, was Medien bislang fehlt und Blogs gross macht – Gespräche. Meine Texte hier und woanders sind die Anreisser für Debatten, Polemiken, neuen Beziehungen und Rottenbildungen. Wäre das hier ohne Kommentare, es wäre bedeutungslos. Und es wäre nur halb so gut, wenn ich micht nicht selbst auf die Debatten einlassen würde. Der oben sichtbare Texte ist nur ein Drittel meiner Schreibleistung und allenfalls ein Zehntel der gesamten Textmenge, die hier an guten Tagen und bei guten Gesprächen entsteht.

Medien ist diese Interaktion scheissegal. Deshalb gibt es sie nicht, wird durch Anmeldeprozeduren erschwert, die Autiren legen keinen Wert auf einen erkennbaren Charakter und Meinung, an der sich Debatten entzünden, und falls man das Mitreden doch zulässt, hält es der Autor nicht für nötig, sich daran zu beteiligen. Was vom Leser zu halten ist, sieht am an der Ausgestaltung der Kommentare: Mitunter 2 Pixel kleiner, und nicht in Strängen angeordnet, so dass der User clicken muss – was dem Inhaltebesitzer Geld bringt. Kurz: Kommentatoren sollen Einnahmen bringen und ansonsten bitteschön nicht weiter stören.

Ich gehöre bekanntlich nicht zu denen, die jeden Blödsinn des Web2.0 sofort hypen, und ich reagiere auf unverlangte Mails oft pampig. Aber weil ich mich über obigen Clickvieh-Ansatz schon länger ärgere und dann noch über diesen Beitrag zum Thema Partizipation der Massenmedien gestolpert bin, ist es eine gute Gelegenheit, auf folgenden, im Kern saufiesen, natürlich parasitären und genial in die Lücke platzierten Ansatz hinzuweisen:

Zpeech

Zpeech blendet auf fremden Webseiten ein Fenster mit Kommentaren ein. Zpeech ist eines der Dinge, die für Internetmedien ohne Kommentare und mit Leckmich-Haltung gegenüber den Usern zu einem Alptraum werden können. Wer keine Diskussion anbietet, bekommt sie eben aufgezwungen. Wer Debatten restriktiv handhabt, kann sein blaues Wunder erleben. Zpeech ist so parasitär, dass es gleich noch Google Adwords im Programm hat. Sprich, es blendet faktisch eine weitere Werbeebene auf den besuchten Seiten ein. Ich wüsste aber nicht, wie man rechtlich dagegen vorgehen sollte, aber genau das ist sicher die erste Idee der typen bei den verlagen, die sogar gegen den Perlentaucher klagen. Kurz, mit Zpeech ist es möglich, den Diskurs auf der Seite zu haben, ohne dass die Seite davon etwas hat.

Ich sage nicht, dass ich da keine Probleme sehe. Eine seitenspezifische Diskussionsgruppe wird sich dadurch eher selten finden. Und ob Zpeech oder eine andere Firma das Rennen macht, kann ich nicht sagen. Problematisch könnte es im Berich der Persönlichkeitsrechtsverletzungen werden. Aber was ich weiss ist, dass derartige Ideen mitteklfristig enormen Druck auf Inhaltebesitzer ausüben Können. Entweder sie machen den Lesern das bessere Diskussionsangebot, oder es findet woanders statt. dabei haben Medien nur auf ihre vertikal konstruierten Angebote Zugriff, nicht aber auf andere Systeme. Zpeech ist so ähnlich wie Blogger.de – habe ich mich dort angemeldet, kann ich auf allen Blogs – oder bei Zpeech Seiten – kommentieren. Ein Login für alles. Dazu kommt noch, dass bislang die typischen Blogdiskussionen über klassische Medien begrenzt waren, weil man dort keinen Trackback setzen konnte.Jetzt kann man es direkt dort machen. Und da kommt mir gleich noch eine wirklich ganz, ganz fiese Geschäftsidee:

Hier lesen doch die ganzen Ideenfreaks des Web2.0 mit und ärgern sich die Plötze, dass sie hier was aiufs Maul kriegen. Ich mache Euch ein Angebot: Der Erste, der mir halbwegs sympathisch ist und der einen ähnlich funktionierenden

Träckbäcker

programmiert, der für dessen User auf allen anderen Seiten als kleine Seite auftaucht und auf die Diskussion in den Blogs hinweist, und gleichzeitig die Diskussion und Bedeutung der Blogs auch darstellt, kriegt hier ein Jahr nichts aufs Maul. Im Ernst, Freunde der Blasmusik: Das wird das “Andere Arbeiten Lassen”-Prinzip gegen die, sie sonst gern andere arbeiten lassen. Und ein wirklich schlimmer Alptraum für reformunwillige Medien.

31.1.2007 | 11:59 von DonAlphonso

Wie man ein gutes Auto-PR-Blog macht

Liebe Volldeppen der Automobilkonzerne,

das geht so: Ihr geht nicht zu den billigen Flittchen Eurer Agenthuren, Ihr geht nicht zu den angeblichen Businessbloggern, die eigentlich nur HartzIV mit OpenBC-Seite sind, und Ihr legt Euch auch nicht mit Dauerversagern wie dem Burdakonzern ins Bett. Das alles wurde schon ausprobiert. Es ging nicht. Egal wie Ihr Euch ranwanzt, egal für welches Testimonial Ihr Euer Geld verpulvert, so wird das nie was. Ihr zahlt drauf, weil Euer Image durch diese “moderne” Publikationsform kein Jota besser und moderner wird, Ihr schmeisst das Geld raus für Leute, die es nicht können und genau das wissen, egal was sie Euch in der Powerpoint erzählen. Und bitte, wenn Ihr Euch ranwanzt – tut es nicht mit irgendwelchen Hascherln, die einfach die bekannteren Blogger entlang irgendwelcher Listen anmailen.

Ein gutes Autoblog geht so: Ihr braucht eine Bloggerin oder einen Blogger, jemand der Ahnung von Autos hat, gerne fährt und schreiben kann. Ihr braucht eine Person, die sich von sich aus für Euch interessiert und das auch begründen kann. Beispielsweise jemanden, der schon eine Karre von Euch hat und damit zufrieden ist. Jemand, der schon ohne Werbung und mit gutem Grund für Euch eingenommen ist. Jemand, der das zugibt. Das bedeutet, dass Ihr den suchen und finden müsst, beispielsweise mit Google oder Technorati. Für mitlesende PR-Hasis und Rammler: Technorati ist eine Blogsuchmaschine, die man bei Google findet. Und eine Suchmaschine ist so ein Ding, wo man Begriffe eingibt. Wenn man schreiben kann. Zur Not geht auch Copy and Paste. Es gibt diese Leute, aber vermutlich findet man die als Konzern selbst weitaus schneller, als die bei Google Technorati mit Copy and Paste suchenden Tagessatzabzocker der Agenturen zugeben würden.

Es gibt noch einen Grund, warum Ihr das besser könnt. Ihr seid keine Lügenindustrie wie die Knilche, die Ihr anstellt, sondern Autoindustrie. Ihr verschmutzt die Umwelt, Ihr baut hässliche Monster wie den Audi Q7 oder Treteimer wie den Opel Astra, die vor mir mit Bonner Kennzeichen den Brenner runtergurken, kurz, Ihr beleidigt die Natur – aber all das ist gesellschaftlich mehr akzeptiert als Marketing und PR. Man wird als Blogger lieber mit Euch reden, als mit zwischengeschalteten Klitschen, die für das Reindrängeln Faktor 20 dessen bekommen, was letztlich beim Blogger hängen bleibt. Mit irgendwelchen Trotteln, die erst beim Briefing am Konfi erfahren haben, dass es Blogs überhaupt gibt und deren Mails sich dann brüllend komisch lesen, kommt Ihr nicht weiter. Ihr habt wenigstens Ahnung vom Auto und findet es gut, weil Ihr es baut. Die anderen sind lediglich gekaufte Schand- und Lügenlöcher, die alles anpreisen, wofür man sie bezahlt Kurz:

Es gibt keine schlechtere Startbedingung für das Bloggen als eine Agentur

Allein schon, weil es da draussen Leute wie mich gibt, die auf sowas pampig reagieren. Also sucht Euch selbst die Leute, die fähig, sprachbegabt, autoaffin und keine Korrupties sind, sprecht sie selbst an, und macht ihnen ein Angebot. Eine Art banalen Schreibberuf. Soundsoviel, für die und die Leistung. Diese Leistung soll enthalten: Ein eigenes, eigenständiges Blog, das klar als von der Firma gekennzeichnetes Projekt erkennbar ist. Keinerlei Einflüsse auf das, was der Autor dann damit schreibt. Und dann gebt ihm ein Auto und einen gewissen Zeitrahmen, gebt ihm das Geld, dass er die Mühle wirklich ausfahren kann und parallel vielleicht noch zwei Vergleichsfahrzeuge mieten kann. Wenn Ihr ganz ganz obercool seid, dann setzt Euch zwischen den Konzernen mal zusammen und lasst mehrere Autoren mit verschiedenen Wägen gegeneinander fahren. Lasst dem Autor Zeit, sagen wir mal zwei Monate. Die Kosten für so eine Aktion, nennen wir sie mal “mit Blogger x vom Nordcap bis Palermo” sind minimal im Vergleich zu den Agenturen. Der Blogger wird Euch schon erklären, wie das mit dem Bloggen geht. Es kann immer noch scheitern, es kann ein Griff ins Klo werden – aber es ist wenigstens klar, was passiert, es gibt kein gross Geschrey, und Ihr riskiert nicht, von der zwischengeschalteten Klitsche zum Vollhorst gemacht zu werden.

Wenn es nichts wird, war es eben billiger und man hat sich nicht bis auf die Knochen blamiert (Styletussieour-BMW, HartzViralVW und Opel lassen grüssen), und mit einer ehrlichen Nummer ist es leichter, einen guten Start hinzulegen. Alles andere muss man dem Blogger hinter dem Steuer, der Strasse, dem Wetter und dem Flow überlassen. Man kann hier draussen nichts erzwingen, man muss in der Lage sein, frei loszuschreiben und loszulassen.

Disclaimer: Diese Beratung ist nicht nur kostenlos, sie ist auch eine Ersatzhandlung, um nach der zweiten idiotischen Agenturenmail des Tages niemanden hier mit seinem geposteten Deppenerguss berufstechnisch ein Ausscheidungsorgan zu erweitern

31.1.2007 | 2:17 von DonAlphonso

Readers Edition, Blogform GmbH und das AAL-Prinzip

Es ist eigentlich ein Jammer, dass Bürgerjournalismus so ziemlich tot ist: Kaum jemand dürfte heute wissen, wie das “damals” so war, als der Bürgerjournalismus noch das Allheilmittel der Linken gegen die Medien erschien. Wo die Revolution endet, kann man bei diversen Existenzen wie Mohr, Broder und anderen sog “Autoren” bei Spiegel Online sehen. Oder eben da, wo meine Ex-Chefs eines angeblich demokratischen Bürgerradios heute sind: Als senile, herrschsüchtige Lehrerpensionäre auf irgendwelchen grün lackierten Ökovillen in Spanien. Es gibt rümliche Ausnahmen wie FSK Hamburg oder Radio Z in Nürnberg, die aber auch nicht immer konfliktfrei waren. Ansonsten gibt es durchaus nachvollziehbare Gründe, warum aus Bürgermedien in Print, TV, Radio und Internet nichts wurde, mit dem man politisch viel hätte erreichen können. Insofern überrascht es mich etwas, wenn man für die Readers Edition aus dem Heuse Netzeitung/Blogform GmbH erneut mit diesen ausgelaugten Begriff kam.

Andererseits, wer die miese Qualität eines Grossteils des Bürgerradios kennt, wundert sich auch nicht über das, was bei der Readers Edition so fabriziert wurde. Es ist letztlich egal, unter welcher politischen Doktrin man die Leute vor sich hinstümpern lässt: Ohne seltene Autodidakten, noch seltenere Naturtalente und fundierte Ausbildung ist das Ergebnis einfach nicht dazu angetan, mehr als Oma, die Freunde und eventuell noch wirtschaftlich oder politisch interessierte Kreise zu erfreuen. Die Readers Edition war von Anfang an nicht der grosse Pool der Könner aus Blog und Medien, den der Chefredakteur Maier versprochen hat. Und wenn schon die Ausbilder eher mediokrer Natur sind, schlägt das eben voll auf die Fähigkeiten der Autoren durch. Bei aller begründbaren Sympathie für die Netzeitung (Permalinks, die Jahre halten, Links zu Blogs, Sachverstand) lieferte das Nebenprodukt der Readers Edition kaum irgendwas, das der Erwähnung wert gewesen wäre, von einem abschreckenden Beispiel eines Kriecherbeitrags über für StudiVZ und grossen Vsionen mal abgesehen.

Und hier sieht man – wenn man sie nicht vom Bürgerradio schon kannte – die Grenzen des AAL-Systems: Andere Arbeiten Lassen geht nur, wenn die anderen den Zielen und Aufgaben entsprechend arbeiten können. Wenn sie dafür nicht geeignet sind, bleibt es eben bei einer überschaubaren Leserschaft, die sich den Krempel aus anderen Gründen denn der Qualität antun. In gewissen Grenzen kann man solche Gruppen auch unter einem Dach zusammenführen, aber das allein generiert noch keine ausreichende Leserschaft für politische, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Zwecke. Selbst, wenn man nicht für Inhalte zahlt, muss man zumindest dafür zahlen, dass das Textrohmaterial vorzeigbar ist – und da wird die Sache schnell teurer, als sie mit billigen Lohnschreibern wäre. Auch das ist nicht neu, denn diese Erfahrungen haben Firmen wie Clickfish und andere Content Syndicatoren schon während der New Economy gemacht. Und wer selbst gut genug ist, Leser zu ziehen, wird die Readers Edition kaum nötig haben, zieht doch das Umfeld die eigenen Texte eher runter.

Insofern ist die Abfertigung des kostenlosen mittleren Managements nur ein unschönes Detail, das an alte Bürgerfunkschauprozesse erinnert. Da will man mit aller Macht was reissen, nachdem sich die Grundidee als nicht durchsetzbar erwiesen hat. Kann sein, dass dennoch weiterhin Leute kommen, um endlich mal Medien machen zu dürfen – beim Bürgerfunk haben sich immer welche gefunden, die nach solchen Urteilen die freien Stellen übernommen haben.

Das Problem der Blogform GmbH ist jedoch gravierend: Die hohen Kosten für andere Medien entfallen im Netz, mn ist also nicht davon abhängig, wenn die Geilheit nach Awareness kleiner ist als die Unfähigkeit, sich so einem System unterzuordnen. Und selbst wenn weiterhin Leute kommen, um die Lücken zu füllen: Das Ansehen in der ungebundenen Blogosphäre dürfte dahin sein, und die aktuellen Macher stehen ziemlich einsam da. Ich habe keine Ahnung, wie so ein theoretisch ambitioniertes, praktisch unsägliches Projekt bessere Blogger an sich binden will; der Ruf macht es bestimmt nicht aus, und bezahlen will man bei AAL bekanntlich nicht. Natürlich ist es irrwitzig doof, sich mit einer Depperlaktion gegen Mitarbeiter zu ruinieren – aber wo steht bitte geschrieben, dass die Blöden, die Trottel und Vollhorste automatisch alles überleben müssen. Mein persönlicher Wunsch ist es, dass die Readers Edition den diversen AAL-Abzockerprojekten in Richtung Boocompany vorangeht – aber bitte mit kurzem Abstand.

Und danach können wir mal über den Wert von Arbeit, Verwertung und angemessene Bezahlung reden. Egal, ob die Profiteure in Hamburg bei Qype am Verkauf basteln oder bei der Presse in Wien mit dem Versprechen einer Nennung verschleiert umfassende Urheberrechte anfordern und damit ihre rechtsreaktionären Seiten füllen.

30.1.2007 | 16:36 von DonAlphonso

VWViralmarketing mit Schlämmer-Glotzenzeug

Man muss es so sehen: Lediglich bislang 194 von rund 250.000 bis 500.000 deutschen Blogs haben sich durch einen Link auf eine drittklassige Pseudoblogkampagne einer (hartz)viertklassigen Autofirma unter Beihilfe eines zweitklassigen Fernsehkomikers eingelassen. Weniger als 1/1000 Marktdurchdringung, bis jemand die Klappe nicht halten konnte und alles aufflog. Das ist wenig, Herr Schlämmer aka Kerkeling, VW und was da sonst noch mit dabei war. Kann denen mal ein überbezahlter Berater-Scharlatan bitte mitteilen, dass sie ihre lächerlichen Viralviren bitte anderswo aussetzen sollen?

Angesichts der für Marketinghansel eher mauen 5000irgendwas Besucher pro Tag für dieses Pseudoblogs wird man sich beim Autobauer ohnehin mal fragen müssen, ob es nicht sinnvoller gewesen wäre, VW-verzierte 10-Euro-Scheine auf die Strasse zu werfen. Für alle Beteiligten ausser den Typen natürlich, die denken, dass Blogs und Viral das neue Johurnailleschmieren ist.

30.1.2007 | 2:08 von DonAlphonso

Vom Sterben der Totgeburt Readers Edition

Ich habe mich geirrt.

Als ich letztes Frühjahr mit dem Chefredakteur der Netzeitung auf einem Podium sass und seine Ideen zum Citizen Journalismus hörte, den er gegen kritische bis hämische Stimmen aus dem Publikum verteidigte, dachte ich: Wenn einer ein Projekt wie die “Readers Edition” zum Laufen bringt, dann ist es der Maier. Offensichtlich ist er es nicht.

Denn nachdem Maier aus der Netzeitung ausgeschieden ist und die Readers Edition als Flagschiff seiner neuen BF Blogform Readers Edition GmbH übernahm, ist einiges schief gelaufen. Ich konnte mich unfreiwillig von der inkompetenten Arbeit eines “Autoren” und eines “Moderators” selbst überzeugen, als ich eine falsche Tatsachenbehauptung nach Meinung des Zweiteren selbst mit Ersterem abklären sollte, als wäre die Readers Edition gar nicht betroffen. Angesichts des damals unvollständigen Impressums der Readers Edition, der presserechtlichen Verantwortung und deren fahrlässigen Umgang mit meinem Urheberrecht am Buchcover, für das andere durchaus schon mal Rechnungen bezahlten, war irgendwie klar, dass dort Sachverstand und Kontrolle Mangelware sind. So kann man ein Blog führen, das eine Abmahung kassieren möchte, aber nichts, was als grosse bürgerjournalistische Konkurrenz zu den Medien gelten möchte.

Die neuesten Ereignisse könnte man höflich als personellen Neuanfang beschreiben: Die meisten der bisherigen 10 Moderatoren wurden von ihren Aufgaben entbunden. Angesichts des Umstandes, dass sie nach dem AAL-Prinzip kostenlos arbeiteten, nicht wirklich die feine Art. Zumal, wenn die eigentlichen Macher es nicht mal für nötig erachten, sich zu äussern. Ich verstehe ohnehin nicht, wie ein Fuchs wie Maier an einen, hm, Berater nennt man das wohl wie Hugo E. Martin für die Leitung des Projekts geraten kann. Jedenfalls scheint dort jetzt ein neues Team am Ruder – und am Weg zur Planke – zu sein. Wie es die Readers Edition sieht, kann man hier nachlesen:

http://www.readers-edition.de/2007/01/29/aufwaermrunde-bei-der-readers-edition/

Die Verstärkung macht auch eine neue Ausrichtung bei den “Moderatoren” notwendig

– wer zukünftig als Moderator im Bereich Moderation mitarbeiten will, braucht natürlich die entsprechende Ausbildung, Qualifikation, Erfahrung, Talent, einen RE-kompatiblen Themenschwerpunkt und ein planbares Zeitbudget

– wer seine Moderatoren-Tätigkeit in der Entwicklung der Community und der Umsetzung von neuen Ideen rund um Citizen Journalismus & Social Media einbringen will und Interesse, Ideen und ein Zeitbudget mitbringt, wird sich als Community Moderator einbringen

– und wer als Frau oder Mann der ersten Stunde, als Alt-Moderator, oder als Begleiter, Kritiker, Sponsor, etc. in die ‘Hall of Fame’ einziehen möchte, ebenfalls herzlich willkommen!

Wie man solche Leute für ein derartiges Projekt ohne Bezahlung gewinnen soll, ist mir schleierhaft. In diesem Zusammenhang für mich witzig: Der oben erwähnte “Moderator” der Readers Edition ist weiterhin an führender Stelle im Amt

für noch mehr Qualität, mehr Relevanz und mehr Nutzen.

Kann sein, dass eine Klitsche wie die Readers Eition, die ihren Content aus dem freiwilligen und damit kostenlosen Engagement von mehr oder weniger fähigen Autoren und mitunter deren Geltungsbedürfnis gewinnt, deshalb nicht gleich absäuft. Nur sollte man bedenken: Blöde Anmachen kann man woanders auch haben, ohne dass man dazu unbedingt vorher das Projekt der Anmachenden fördert. Und das wird die ohnehin schon mies laufende Readers Edition kaum unbeschadet überstehen. Unabhängig davon, was in der nun anhebenden Schlammschlacht stimmt und was nicht.

29.1.2007 | 10:46 von DonAlphonso

Der Mythos der Userzahlen

Weil hier die Frage aufkam: Es ist keine Koketterie, wenn ich sage, dass vielen bekannteren Bloggern die Leserzahlen eher wurscht sind. Ein paar unsortierte Gedanken dazu.

In der Phase des schnellen Wachstums, die die meisten grösseren Blogs mal erlebt haben, bekommt man Zweifel. Man überlegt sich, das Blog dicht zu machen. Mir ging das vor rund zweieinhalb Jahren so, als mein Blog “Rebellen ohne Markt” dauerhaft auf mehr als 1000 Besucher am Tag kam. Damit meine ich nicht die überzogenen Zahlen auf Basis von Awstats, die manche Scharlatane so gerne rumbrüllen, und auch nicht die Googleabfragen, mit denen sich SEO-Trash und Tittenposter wie Erik Hauth feuchte Höschen machen. 1000 echte Besucher, die nur wegen der Texte kommen. Das sind in etwa so viele Leute wie in meinem Gymnasium, 5 mal so viele wie in meinem Institut, 40 mal so viele wie in der Redaktion, und lediglich 100 von diesen 1000 sind so freundlich, hin und wieder etwas zu sagen. 900 kommen, trappeln durchs Blog, denken sich was, und gehen wieder. Man spricht also zu einer anonymen Masse und wenigen Bekannten. Vergleichbar einem grossen, dunklen Saal, in dem man Texte vorliest und nur die ersten beiden Reihen erkennt. Dieser unschöne Gedanke drängt sich einfach auf.

Natürlich schreibt man dann keinen Beitrag ins Blog, in dem man den Zustand beklagt. Aber man redet mit denen, die mit so einer Situation schon länger klar kommen müssen. Und siehe da: Das Problem kennen viele. Wobei: Es spielt kaum eine Rolle bei denen, die nichts Persönliches schreiben. Das Persönliche gehört meines Erachtens aber dazu zum Bloggen, ansonsten ist es halt PR, Googlespam, Werbung oder was auch immer, das auf Basis von Blogsoftware veröffentlicht wird. Und das Persönliche liebt man, es sind die Dinge, die einen selbst bewegen, die dann aber auf die graue, stille Masse der reinen Leser trifft. An dieser Stelle entsteht ein Hürde, ich ich vom Live-Radio kenne: Man sitzt allein vor dem Mikro, die Musik wird ausgeblendet, gleich ist man dran, und draussen sitzen tausende am Radio. Da entsteht ein Fluchtreflex, man wil eigentlich gar nicht mehr, man will nur noch raus. Dann geht das rote Licht an, man spricht die ersten Worte, und alles beruhigt sich.

Und warum: Weil man die Hörer oder Leser vergisst. Sie werden einem egal, wenn man sich auf die Moderation konzentriert. Sie können nicht, und sie wollen beim Bloggen nicht. Kann man nichts machen. Der Weg heraus aus dieser Massendepression ist ein abgeklärtes Verhältnis zu denen. Sie sind halt da. Es sind viele. Sie stören nicht weiter. Sie sind eine abstrakte Zahl im Counter, eine Kurve bei Alexa, sie ändern nichts am Blog und der Qualität der Beiträge. Ich denke, dass das der Grund dafür ist, dass man in viel besuchten Blogs so wenig über die Userzahlen liest. Irgendwann sind sie einfach da, es ist ok, man gibt gerne auch was mit Links und über Kommentare davon ab, wobei ich beim besten Willen nicht glaube, dass es viel bringt, aber warum nicht. Sie kommen schon zurück, und wenn einer bei einem viel besuchten Blog kommentiert, damit Leute kommen – muss er eben was bringen, damit sie bleiben. Meines Erachtens geht das am besten mit eigenständigen, unabhängigen Geschichten. Zumindest ist das der Ansatz der Blogbar. Und es geht.

Aber es ist mir egal, ob es momentan 200, 6000 oder 25.000 Leser am Tag sind. Kommentare sind ein ganz anderes Kapitel; während sich 100 oder 10.000 Leser lediglich an der Festplattenaktivität festmachen lassen, ist der Unterschied zwischen einem und 10 Kommentaren enorm. Sobald Beiträge auf ca. 50 Kommentare kommen, ist es super. Natürlich gehen Kommentare auch Hand in Hand mit den echten Leserzahlen, also denen, die einen Text von Anfang bis Ende lesen und geistig erfassen. Aber Leserzahlen sind nochmal was ganz anderes als die mit strukturellen Analphabeten verseuchten Zahlen, die Messinstrumente ausliefern.

28.1.2007 | 16:51 von DonAlphonso

In eigener Sache

Bloggen ist Kultur. Und wer sich davon überzeugen will, kann das nachher in Berlin tun. Um 19.30 Uhr lesen im “Lass uns Freunde bleiben” zu Berlin Modeste, das Wortschnittchen, Burnster, Don Dalmann und meine Wenigkeit über unsere Familien.

Äh.

Also.

Natürlich nur, wenn Tante Mammi nicht kommt.