30.7.2006 | 11:50 von DonAlphonso

WAZ Worst Case Szenario

In der schlechten alten Zeit der New Economy der Munich Area wechselte man mitunter schnell seinen Job: Als die Startups stürzten, suchten Investoren händeringend nach Interims-Management, das die schlingernden Pötte nach Jahren der Versäumnisse doch noch auf den richtigen Kurs brachten. Dazu holte man sich Berater, und unter denen war es üblich, dass man vor Amtsantritt den neuen Job feiern ging und dabei ganz fiese Worst Case Szenarios entwarf, was den Scheidenden dann wohl erwarten würde: Schwarze Kassen, unkündbare Seilschaften mit Irrsinnsforderungen, an Strohmänner verkaufte oder völlug verhunzte Core Assets, hinterfotziges Middle Management, das noch schnell ein paar Riesenfehler macht, um den Neuling gleich zu Beginn in Altlasten ersticken zu lassen. Das war als Aufmunterung gedacht, in der Hoffnung, dass es nicht so schlimm kommen würde. Manchmal war es völlig übertrieben, die Firma war ok und die Leute nett, oft aber war es genau das, was passierte.

Jetzt, ein halbes Jahrhundert Jahrzehnt später, tritt die bekannte Bloggerin Lyssa übermorgen in einer ähnlichen Position und mit vergleichbarer Aufgabenstellung bei der Lokalzeitungsgruppe der WAZ an, im tiefsten Ruhrpott, was ja vor Ort bereits zu einigen Überlegungen bezüglich des Wesens des Jobs und der WAZ geführt hat. Alle sind sich wohl einig, dass es eine Riesenaufgabe wird, das verstaubte Internetding der WAZ neu zu takeln und auf Kurs in die web2nullige Zukunft zu bringen. Und deshalb möchte ich hier auch in guter alter Tradition ein Worst Case Szenrario entwickeln: Was wäre das Übelste, was man in der WAZ der an Bord gehenden Kapitänin im letzten Moment antun kann, nachdem man schon die Sensation ihres Kommens feige an die Konkurrenz verraten hat.

Ich stelle mir das so vor: Der Angriff kommt frontal im Zentrum. Nicht bei einer kleinen Redaktion in Recklinghausen, sondern daheim. In Essen. Dem absoluten Kernmarkt. Gleich zeigen, wer hier anschafft. Bevor Lyssa irgendeine Strategie entwickeln kann, wie man die Essener dezent und intelligent an das neue Thema Bloggen heranführt und damit eine gesunde Basis für einen ordentlichen Themenmix hat, wird gleich mal der Rahm der geltungssüchtigen Spinner angefordert, mit einem Depperlclaim wie:

Lust auf Blog? Dann schreiben Sie los! Ihr Leben ist aufregend? Sie haben eine Menge zu berichten? Und Spaß daran, ein virtuelles Tagebuch zu schreiben? Dann melden Sie sich bei uns und sprechen Sie mit der Online-Redaktion über die Möglichkeit, auf WAZ.de ein Weblog zu schreiben. Wir freuen uns auf Ihre Mails an wazonline@waz.de

Um den Lesern dann zu zeigen, wie “cool und sexy” das sein kann und wie “das geht”, zieht man schnell noch ein Blog über den Kernmarkt Essen auf und nennt es mit einer Menge 50ies-Charme “Essener Ansichten”. Ja, das gibt es sonst nur bei uns in Gelsenkirchen*.
Und als leitenden Blogger nehmen wir nicht irgendwelches junges Grünzeuch, das sowas schon mal gemacht hat, sondern einen gestandenen Mann jenseits der 50 mit einem internetaffinenen Hobby wie – Briefmarkensammeln! Jawoll! Was will die Jugend mit Flickrbildern, wenn die Welt in Bildern auf belecktem Papier in die Redaktion kommt. Und natürlich setzen wir auch ein Bild von ihm rein, das sofort zeigt: Junge Zielgruppe, dat hier is der Herbergsvater. Und das sagt er auch gleich in seinem ersten Eintrag:

Jetzt bin ich hier der Blog-Wart.

Boh! Ein Witz! Und was für einer! Harald Schmidt kann da in die Lehre gehen und Tonnen schwarzer Humorkohle brechen. Höhö! Und um das abzurunden, sagt der neue Betreuer auch noch gleich, dass er von Computern nicht so die Ahnung hat, vor einem Jahr nicht wusste, wat dat is, ne, son Block oder Blog. Und dass er quasi vom Chefredakteur einfach so bestimmt wurde, trotz fehlender Qualifikation, die auch gleich in der Schreibe zum Ausdruck kommt:

da mussten sie ja so ein Blog-Head wie mich als lokalen Head-Blogger nehmen.

Kurz, vor dem Antritt von Lyssa macht man noch schnell alle aber auch wirklich alle Kardinalfehler, die man machen kann, um so ein Blogprojekt scheitern zu lassen. Dazu sucht man sich als Coautoren auch noch zwei Vertreter anderer reformierungsbedürftiger Schlingerschiffe, der Kirchen nämlich, wie den Pfarrer in der Evangelischen Kirchengemeinde Essen-Werden und Superintendent des Kirchenkreises Essen-Süd. Und lässt ihn schreiben:

In der Bibel heißt es: Unser Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern? des Friedens!. Also kein Gott der Unordnung, aber auch kein Gott der Ordnung, sondern des Friedens. Frieden ist das ganze Leben. Und auch der kommt ohne Ordnung nicht aus. Wenn man die Welt nur ordnen könnte wie einen Schreibtisch oder ein Bücherregal. Die Nachrichten aus Nahost erschrecken. Sonntag wird das Schlussgebet wieder einmal zum Friedensgebet werden müssen.

Vielleicht gibt es bald ja auch attraktive, spektakuläre Videobilder aus der Kirchencommunity. Lyssa könnte dann mal versuchen, die Kirchenmänner und Vertreter von Minderheiten auf bloggende Linie zu bringen – das würde sicher ein Spass im Kernmarkt, sich gleich mal mit den Gottesmännern anzulegen oder sie gleich rauszuschmeissen, bevor sie noch mehr Schaden anichten. Ob sie das könnte, wäre nochmal eine andere Frage, denn nach eigenen Worten wollte das ja der lokale “”Head-Blogger” über seine Praktikanten machen.

Um Lyssa noch zum Head Banger zu machen, müsste man über alles noch so ein lustiges Bildchen setzen, eine Ansicht von Essen und darüber ein Heft, in dem steht: “Mein persönliches Tagebuch!” Und dazu gemalt ein naives rotes Blümchen. Dann hätte man erst mal ab dem 26. Juli Strukturen einbetoniert, an denen sich die Neue abarbeiten kann, dumpf, grenzwertig blöd, ahnungslos und garantiert so, dass es keine alte Sau interessiert und erst mal abgerissen werden muss, bevor es irgendwie los gehen kann.

Ja, man hätte also einiges gelernt seit dem Bau des Westwalles gegen die anstürmenden Kräfte des Lichts, die den Mief tausendjähriger Dummheiten beseitigen wollen. Die brutale Schlacht des Huertgen Forrest würde sich gegen so einen in den Blogs verschanzten Gegner wiederholen, da gäbe es viel zu tun und Spass wäre das auch keiner, bei blutroten Blümchen im Header. Sowas nenne ich ein Worst Case Szenario.

Aber das muss ja in den letzten Tagen vor Amtsantritt nicht gleich so schlimm kommen, nehme ich an.

29.7.2006 | 14:55 von DonAlphonso

Profiblogsiechtum. Ich habe es ja gesagt.

Langsam, liebe hier mitlesende Berater-Scharlatane und Businessbeschwörer, ist es an der Zeit, den Feed hier abzubestellen. Bloggen interessiert Euch bald nicht mehr. Ihr ahnt doch schon länger, dass da furchtbar viel Arbeit in sehr wenig Geld umgesetzt wird. Ich glaube nicht, dass mir bislang eine Success Story entgangen ist, normalerweise würdet Ihr das doch posten, oder? Und irgendwann wird auch der Burda und der Holtzbrinck sehen, dass es nicht so viel bringt. Ich meine bemerken zu können, in meinem web2.0-fernen Stadtpalastkämmerchen, ich sehe es im Teesatz auf dem Boden der Rosenthaltasse, dass Ihr gerade etwas verschlaft: Den Trend hin zu den Communities (schon wieder, das hatten wir schon mal 2001) und dem Webfernsehen (auch nicht wirklich neu). Tatsächlich scheint da aber Geld zu sein und Investitionen, also überlegt es Euch mal.

Vielleicht eine Entscheidungshilfe? Aber gerne. Ich mache ja gerade diesen Award, über den gewisse Möchtegern-Profiblogger gerade etwas aufgeregt sind. Jemand schickte mir eine Mail und sagte, ich hätte doch mal so ein Blog von Pro7 verlinkt, warum nicht das nominieren? Wie es so ist, ich hatte es völlig vergessen, aber gestern fand ich den Beitrag wieder: Es ging um das welove-Blog von Pro7, von zwei Moderatoren, er und sie, das wie eine miese Kopie einer guten Idee bei Twoday erschien und die Blaupause eines noch mieseren Blogs der Zeitschrift Freundin sein könnte. Dort hatte man verkündet:

Der Blogger sollte sein Weblog in regelmäßigen Zeitabständen aktualisieren, um seine Leserschaft nicht zu enttäuschen.

Prima Idee. Supi. Wer hätte das gedacht. Schaut man nun das Blog der Frau (Annemarie) an stammt der aktuelle Eintrag vom 22.05.2006, wobei sich sprachlich seit dem ersten Schreibversuchen wenig getan hat. Nur im Februar gab es mal fast wöchentlich einen Beitrag, danach wurde es weniger. Seit zwei Monaten ist bei Pro7 weiblicherseits Sendepause. Das Blog des Mannes (Stefan) hatte zuletzt eine Sendepause mit diesen Worten:

Fehler beim Senden der Abfrage… You have an error in your SQL syntax; check the manual that corresponds to your MySQL server version for the right syntax to use near ” at line 1 Select blog.blogid,blogname,userid from blogeintraege inner join blog on blog.blogid = blogeintraege.blogid where blogeintragid=
Warning: mysql_fetch_row(): supplied argument is not a valid MySQL result resource in /userdata/www/pro7/blogid.php on line 22
Fehler: blogid nicht definiert!

Läuft aber seit kurzem mutmasslich dank einem gndenlosen Techniker wieder, um kundzutun, dass es nach einer zweimonatigen Pause jetzt gleich wieder vorbei ist, und der gute Mann nach Mexiko geht:

Nach dem ganzen Fußball-Wahnsinn brauche ich jetzt eine kleine Auszeit, um meine Wunden zu lecken.

Hasta la Vista. Baby.

Spass beiseite: Im Gegensatz zu anderen Medien geht beim Bloggen nichts, gar nichts ohne einen inspirierten Schreiber. B- und C-Promis und Johurnaille, die sich mal eben dazu breit schlagen lassen, sind keine Lösung, sondern von Artikel zu Artikel entzaubert und danach ein Problem. Selbst innerhalb abgeschlossener Communities ist es nichts, was Leute, Leser, Umsätze ziehen würde, wenn es nicht jemand macht, der es kann. Und selbst dann sind die Userzahlen noch in Bereichen, bei denen man mit Verwertung eigentlich nicht anfangen braucht. Auch nicht, wenn man Pro7 ist und theoretisch Zugang zu zig Millionen Menschen hat.

28.7.2006 | 9:26 von DonAlphonso

Blogmarketing Märchen

Es war einmal vor langer langer Zeit ein Prinz Matze im kleinen, nicht wirklich reichen Blogkönigreich der Germanblogs. Über den dürren Steppen herrschte König Holtzbrinck, der andernorts als Kaiser auch fruchtbare Länder besass, aber mit Germanblogs keine grossen Kosten wollte und die Prinzen und Prinzessinnen mit 200 Euro im Monat abspeiste. Prinz Matze aber war das egal, er schrieb lustig Hofberichte aus Berlin, machte Bilder mit seinem Kronjuwel, der Digicam, und fuhr von Burg zu Burg.

Bis sich der Prinz eines Tages in den bösen Tatzelwurm der deutschen Bahn verirrte – und als er ihn verliess, stellte er fest, dass sein Kronjuwel verschwunden war! Ach, welch Geschrei erhob sich da im Königreich Germanblogs, Prinz Matze nannte das blöde Volk, das sich im Tatzelwurm seines Juwels bemächtigt hatte, in gar unprinzlichen Worten, doch nichts half. Da aber hatte Prinz Matze eine Idee. Er stellte sich auf den Söller der stolzen Burg und tat den paar unten rumstehenden Untertanen, denn derer gab es nicht viele, seinen weisen Beschluss kund: Wer ihm genau das gleiche Kronjuwel nochmal schenke, zu dem werde er kommen und drei Tage lang sein Leben bei Germanblogs niederschreiben und abbilden, in allen modernen Formaten, und das sei wahrlich grosser Ruhm und wahrer Lohn, und niemandem bislang geschehen in diesem Reich.

Doch die wenigen Untertanen waren nicht bereit, Prinz Matze zu beschenken. Blödes Pack, wollte Prinz Matze schon sagen, da trat aber eine alte Frau Ute mit einem grünen und roten Auge hervor und rief laut hinauf zum Söller: Prinz Matze, ich verstehe Dein schweres Leid! Auch mir widerfuhr Unrecht! Weil Du aber so danach trachtest, ein neues Juwel zu bekommen, kann ich es Dir für zwei Wochen zum Testen leihen, vielleicht gefällt es Dir ja!

Nicht schlecht, dachte sich Prinz Matze und sprach: Ja, liebste alte Dame, schicken Sie es mir! Und so kam es auch, die Frau schickte Prinz Matze die Kamera zum Testen, und es wundete ihn überhaupt nicht, dass diese Ute von einem anderen Blog kommt, das zu einer Firma namens Bluebuy gehört, die billigste Digicams in den finsteren Gassen des Internet verkauft und vielleicht ein wenig Werbung für ihre Produkte will. Und wenn König Holtzbrinck nicht den Saft abdreht und Bluebuy nicht das Amtsgericht besucht, dann machen Prinz Matze und Ute vielleicht noch viele wunderbare Geschichten miteinander, knipsen ihre gesponsorten Marketingkinder und halten sie vom Söller herab auf das Publikum und sind sowas von Synergie und Konvergenz, dass sie in den Powerpoints leben, bis sie irgendwann mit Web 2.0 gestorben sind. Das war das Märchen, liebe Kinder – hier ist der wahre Kern.

28.7.2006 | 7:59 von DonAlphonso

Anonymität als Notwendigkeit des Privaten

Obwohl ich vom “Blogbizz” nichts halte, ist es doch so, dass sich in den letzten Wochen eine, sagen wir mal, weitreichende, langristige Geschäftsbeziehung über das Bloggen ergeben hat. Eher zufällig und nicht wirklich beabsichtigt, es ist einfach passiert. In diesem Fall ist es so, dass der Geschäftspartner ebenfalls ein privates Blog führt, das ich schon eine Weile kenne, und gerade dieses Kennen führte dann letztlich zu einem Angebot meinerseits.

Soweit, so gut. Man könnte jetzt positiv sagen, prima, das ist Online Networking, Blogs als Geschäftsanbahnung und Vertrauensmanagement, all das, was momentan im Business Development als neue Ideen verkauft wird. Ich denke nicht, dass es normalerweise wohl so einfach ist. Denn dass mein Angebot in einem Fall passte, liegt daran, dass ich relativ viele Leser habe und dadurch die Wahrscheinlichkeit recht hoch ist, dass sich Angebot und Nachfrage treffen. Und beide Parteien aufgrund ihres Wissens sicher sein können, dass es eine gute Geschäftsbeziehung wird.

Was in meinem Fall aber eine reine Bauchentscheidung war. Denn wenn ich das Blog mit den geleckten Biographien und Referenzen vergleiche, die sonst in diesem Bereich üblich sind, fällt es – wie wohl die meisten privaten, halbwegs ehrlichen Blogs wie auch mein eigenes – gnadenlos ab. Da stehen Dinge drin, die man nie, unter gar keinen Umständen ansonsten rumerzählen würde, wenn man Geschäfte machen will. Nicht, weil es gleich die Bonität schädigt, sondern einfach, weil es nicht das Optimum vorführt, das zu präsentieren man antritt. Aber allein das ist im Rattenrennen um die “Deals” schon ausreichend, um nicht zum Zug zu kommen. Ich bin Blogger, ich kann die Informationen im Blog realistisch einordnen und mir ein Bild machen.

Aber jetzt mal anders rum. Nehmen wir mal an, ich bin kein Blogger, wie die meisten. Und ich bekomme das geleckte Business-Ego präsentiert, und finde dann das Blog. Das ehrlich ist. Eine Bewerbung vielleicht, und dann merke ich, dass die Person vor drei Monaten über ihren alten Chef nicht wirklich nette Dinge gesagt hat. Oder ein ausschweifendes Partyleben beschreibt. Das was eigentlich normal ist, aber bei den Leuten in der Personalabteilung oder den Kreditinstituten als fragwürdiger Lebenswandel gilt, wechselnde Beziehungen, Faulheit, eine spitze Zunge oder generell Problme mit der Diskretion. An dieser Stelle kollidieren Ansprüche und Wirklichkeit, und angesichts des Marktes wird nur der Blogger eine Chance haben, der, grob gesagt, entweder mehr zahlt und bietet oder der einzige Anwärter ist. Zu denken, dass irgendein Risikobewerter auch noch andere Geschichten liest und prima Sachen über Sozialkompetenz und Kontaktfreude schreibt, ist recht blauäugig.

Was man so hört, soll in den letzten Wochen der ein oder andere bekanntere Blogger aus genau solchen Gründen verschwunden oder mancher Beitrag gelöscht worden sein. Manchmal wird mir schlecht, wenn ich sehe, von welchem Server aus was über wen in meinem Blog gesucht wird – da kommen oft Namen in Zusammenhang mit Worten wie “schwul” und ähnlichem vor. Oder “Wer ist Blogger XY”. Da gibt es erhebliche Nachfragen der unschönen Sorte, Schnüffelschweine, Arbeitgeber, wer kann das schon sagen, und keiner weiss, ob da draussen nicht schon lang irgendwelche Leute dabei sind, mehr Profile anzulegen als nur von den 30, 40 bekanntesten Bloggern, die als Gefahrenquelle gelten. Blogs als ungewollte Visitenkarte.

Es liesse sich trefflich darüber streiten, was wahrer und ehrlicher ist: Die lustigen Abenteuer eines anonymen Autors im Netz oder das langweilige, gelackte, zielgruppenenorientierte Berufsbloggen mancher Journalisten und Berater. Wenn ich einen kontaktieren will, schreibe ich in beiden Fällen eine Mail, der Rest ergibt sich so oder so, und wie wahr das ist, was im netz steht, ist sowieso nochmal eine ganz andere Frage. Man vergibt sich also nichts, wenn man anonym bleibt. Aber angesichts des Datenhungers, der Profilinggier und der blanken Neugier mancher verkommener Arschgei Leute, die den Unterschied zwischen privatheit und privacy nicht kennen, ist es in jedem Fall die bessere Lösung, für die eigenen 10, 20, 50, 300 Leser anonym zu bleiben, als sich woanders dadurch der eigenen Chancen zu berauben. Und so souverän, dass es egal wäre, sind wohl nur die wenigsten.

23.7.2006 | 10:38 von DonAlphonso

Sommer 2006 – die Zeit sollten sich “Problogger” merken

Denn dieser heisse Monat hat eine ganze Menge heisse Luft aus dem sog. Blog Business gelassen. Den Reigen begann Nick Denton, der das Blognetzwerk Gawker leitet. Gawker hat 15 bekannte US-Blogs wie Fleshbot, Wonkette oder Gizmodo am Start, die jeden Tag mehrere hunderttausend Besucher haben. Und einige andere, die weniger Besucher haben. Zwei von denen wurden von Denton am 30. Juni in die Tonne getreten auf den Blogstrich geschickt mitsamt Blogger zum Verkauf angeboten. Bei anderen Blogs gab es personelle Veränderungen – man könnte auch sagen, dass Denton ein paar Leute gefeuert hat. Normales Management, werden manche sagen, die liefen halt nicht so gut wie erwartet. Aber auch ein Zeichen, dass beim Profibloggen nicht die Bäume in den Himmel wachsen.

Und schon gar nicht wie Raketen abgehen: Das zeigte dann kurz darauf das Vieoblog Rocketboom, dessen Gründer sich eine fabelhafte öffentliche Schlammschlacht geliefert haben, in deren Konsequenz die von manchen als Ikone gehandelte Moderatorin Amanda Congdon durch eine jetzt nicht brüllend erfolgreiche Ex-MTV-Moderatorin ersetzt wurde. Soviel dann auch zum Untergrundcharme des Mediums.

Deren Konkurrent Jason Calancanis vom Blognetzwerk Weblogs, Inc. hat sich ja schon vor einem Jahr für 25 Millionen Dollar mitsamt Bloggern an AOL verkauft. In einem Nebensatz lässt er jetzt mal durchsickern, was so arme Blogschreibsklaven bei seinem Blog Downloadsquad verdienen: 10 Dollar pro Beitrag auf einem Blog, das Hunderttausende von Besuchern bekommen soll. Bei AOL, einem gigantischen Konzern. In der Krise, ok, aber 10 Dollar? Hallo? Mal schaun, ob die Welt und die WAZ für Bloggerhäute mehr rüberschieben.

Der Hauptgrund von Calacanis Einlassungen aber ist ein Angebot, schlichtweg anderen Social Bookmarking Sites wie Digg und de.li.ci.ous (stimmen die Punkte?), die sich in Amerika inzwischen einer gewissen Beliebtheit erfreuen, abzukaufen – für 1000 Dollar pro Monat. Er will damit sein eigenes Projekt Netscape gross machen – dass es andersrum ein Eingeständnis des Versagens ist, gute Leute aus dem Stand zu bekommen, ist eine andere Sache.

Und zum schlechten Schluss meldet sich nochmal Nick Denton zu Wort und verabschiedet sich aus seinem Inhalte-Geschäft mit Yahoo, das ihm zufolge wenig gebracht hat. Im letzten November galt das noch als das grosse Ding, Blogs revolutionieren die Nachrichten grosser Internetseiten und werden dort Teil der Informationen für Mainstreamleser. Jetzt aber sieht Denton ein:

The bald truth is that the deal, which we announced in November, garnered way more attention than we expected, but less traffic. A few new readers probably discovered Gawker, or one of the other four sites that we syndicated to Yahoo. I doubt many of them stayed. Yahoo has a mass audience; Gawker appeals to a peculiarly coastal, geeky and freaky demographic. And these people are more likely to come to our sites through word of mouth, or blog links, or search engine results, or Digg, not because of a traditional content syndication deal.

Ich liebe Blogs. ich lese im Internet fast nichts mehr anderes. Ein Internet ohne Blogs fände ich entsetzlich. Ich mag ihre Kultur, ihre Vielschichtigkeit, ihre Intimität, dass sie klein sind und geschrieben werden um des Schreibens willen. Ich finde Blogs grossartig und glaube, dass diese Eigenschaften der Blogger, es für sich und andere zu tun, das wirklich grosse Ding ist, das Menschen mitziehen kann. Auf kleinster Ebene, irgendwo zwischen Gespräch am Lagerfeuer und Gig in einem finnischen Club. Es ist ein System, das aus sich selbst lebt. Aber, wie wir oben sehen:

Es bekommt schlagartig seine Tücken, wenn es kommerziell betrieben wird. Ich sage nicht, dass es nicht geht, ich wünsche allen Glück, die es versuchen (ausser gewissen Cretins natürlich, denen wünsche ich eine qualvolle Pleite). Und was mir nach all den Pleiten nicht eingehen will ist dieser Ausverkauf an andere Interessenten, Medienkonzerne, Werbetreibende, Kollaborateure chinseischer und südamrikanischer Mörder. Es bringt nichts. Die können natürlich von Blogs eine Menge in Sachen Kommunikation lernen und übernehmen, keine Frage, das kann auch erfolgreich sein, aber alles andere wird an wirtschaftlichen und kulturellen Hürden scheitern oder so grosse Probleme bereiten, dass es wenig Sinn macht. Die verachtung der Leser, indem man ihnen was von “Aussen” reindrückt, bringt keinem was, und was ich nicht verstehe und letztlich auch verabscheue, sind die Scharlatane des Blogbusiness, die meinen, man könnte die Nähe zwischen leser und Schreiber irgendwie verticken. Wenn etwas geht, dann ist es eine Art Kreislaufwirtschaft oder Deals wie bei Mac Essentials. Aber die verlangt Vertrauen in Blogs und ihre Leser, und nicht das Arschkriechen bei “Partnern” aus der Wirtschaft, die sich bei ihren AGBS einen Dreck um geltende Gesetze scheren und Schleichwerbung als tolle Sache sehen.

21.7.2006 | 23:14 von DonAlphonso

Jobs für die Neoconnards und andere.

Ein paar ziemlich rechte und marktradikale Blogs haben JETZT die Chance des Jahres: Wenn ich die Signale und gewisse Indiskretionen richtig deute, dann wird die Welt und die WAMS bei ihrem Weg in die Kostenreduktion durch Einstellung ein Weichbild aus Bloggern aufbauen wollen. Grob gesagt: Die Weltblogs als eine Art Unterstützung/Erweiterung für die Welt Kompakt, Stichwort junge Zielgruppe, und für die WAMS als Anheizer im Netz für die grosse, durch FAZ und eventuell Süddeutsche bedrohte Sonntagsausgabe. Mehr erführen Sie, wenn ich mit Ihnen reden würde, was ich mir aber nicht antue, oder durch eine Initiativbewerbung an passender Stelle, Launchtermin, munkelt man in informierten Kreisen, 6 bis 9 Monate, und ich garantiere hier schon mal eine kritische Begleitung Ihres Tuns.

Neben den üblichen Verdächtigen aus der jauchegelben bis noch ekligeren Ecke könnte es bei der Welt (Claim bis 1965: “Die grosse Nationale Zeitung”) auch viel Bedarf im Bereich Kultur, Buch und Feuilleton geben, wo einige angefragte Leute mit gewissen Qualitätsvorstellungen ja mitunter die Nase rümpfen, gilt die Welt der FAZ und der SZ doch hoffnungslos unterlegen. Ein, zwei Marktradikalinkis neben den schon bekannten Vertretern im Print werden wohl auch auf Gegenliebe stossen. Von der Bezahlung darf man sich aber wohl nicht zu viel erhoffen, schliesslich will man heute Texte und gleichzeitig sparen, man sollte auch einen gewissen Namen mitbringen, und wer die Welt und ihre etwas sprunghafte Art im Umgang mit Projekten kennt, wird es vielleicht nicht als Lebensanstellung begeifen.

Und woher ich das alles weiss: Das wollt Ihr gar nicht wissen. Ich weiss es halt.

19.7.2006 | 10:40 von DonAlphonso

Ein Voschlag zur Güte (und zur Vergütung)

Don Dahlmann, Felix Schwenzel, Lyssa, all ihr Notebooktester und Produktmitnehmer, ihr Firmendankesager und natürlich auch das persönliche Umfeld derselben, das sich inzwischen als Schalldämpfer der Kritiker begreift oder als mobile Sondereingreiftruppe, wenn mal wieder einer mault – ein Vorschlag.

Das Problem, das ich mit Euch habe – und in fact, ich habe da wirklich ein Problem – liegt nicht unbedingt daran, dass Ihr Euch für sowas hergebt. Da draussen gibt es hunderte von sog. Business Bloggern und Blogberatrn, die mir und so ziemlich allen vollkommen egal sind. Was die verzapfen, ist grossenteils eine bewusste Propagierung von Verhaltensweisen, die Ihr eigentlich für Euch ablehnt. Keiner von Euch sagt: Ich mache jetzt Viral Marketing, ich mache word2mouth, ich bewerbe das Produkt für diese oder jene Leistung, ich erhoffe mir diesen Posten. Ihr sagt: Ich blogge, das macht mir Spass, schaut mal da rüber, ist halt so, wieso denn nicht, ist doch nett, wenn mal ein bischen was rumkommt, ist ein Experiment, ich verstehe gar nicht, was ihr habt, und bitte kritisiert konstruktiv. Sprich, Ihr wollt das beste aus beiden Welten, den freien Blogurwald, weil ihr da herkommt, und das Fressen aus dem Marketingstreichelzoo, weil es so simpel ist. Das wäre noch nicht mal ein Problem, wenn es denn im Urwald nicht so falsch und verlogen rüberkommen würde. Das Problem ist nicht, dass Ihr es tut, das Problem ist, dass Ihr eine offensichtliche Entwicklung negiert. Und dass man plötzlich aufpassen muss, wer da vor einem steht: Der Werber? Der gekaufte Schreiber? Der Consultant? Der Politikberater? Einer, der sich beim aufkommenden Buzz etwas erhofft? Jemand, der sich aus anderen Gründen wiederum für diese Gruppe ins Zeug wirft? Oder doch wieder der Blogger von nebenan? Das kann man nie wissen, und Ihr schafft es ja auch, diese Rollen innerhalb von einem Satz zu verändern.

Daher kommt – meines Erachtens – diese Abstossungsreaktion auf beiden Seiten. Was für Euch ein Experiment ist, ein kleiner Weg, eine Gelegenheit, ist es draussen nicht mehr. Daher die kommen die Brüche, und es gehört, mit Verlaub, schon eine Menge Borniertheit und Verleugnung dazu, an dieser Stelle organisiertes Mobtum zu unterstellen. Die meisten von Euch kennen das ja. So sind Blogs, mal nett und mal fies, Ihr habt jahrelang mitgemacht, und jetzt wundert Ihr Euch, wenn Ihr plötzlich nicht mehr die umjubelten Stars seid, die alle toll finden, sondern eher komische Zwitterwesen, die für einen Opel und 1200 Euro Entschädigung es so weit treiben, dass jemand sein Blog vernageln muss.

Deshalb ein – schon einige Male geäusserter, jetzt auch schriftlicher – Vorschlag. Macht einen Problogger-Verband auf. Es gibt dafür gute Gründe:

1. könnt Ihr Euch über Vergütungen austauschen, ein Kartell gründen und die Preise anheben. Springer zum Beispiel wird bald ankopfen, Microsoft MSN auch und Yahoo ziemlich sicher. Da ist es gut, wenn auf der anderen Seite kein Dumping passiert.

2. seid Ihr für Interessierte aus der Wirtschaft problemlos zu lokalisieren. Man spart sich das Entdärmen, wenn man den Falschen fragt.

3. könnt Ihr Euch die Aufträge zuschubsen und müsst nicht mit Konkurrenz rechnen.

4. und wenn wir ehrlich sind, gibt es dieses Netzwerk schon heute in weiten Teilen der fraglichen Blogs. Verkettet die kleinen Netze, macht es erkennbar, und erspart Euch vielleicht die Abhängigkeiten von Blogvermarktern, die den grossen Kuchen bekommen, deren Krümel bei Euch landen.

5. könnt Ihr Eure heute noch privat organisierten Hilfstruppen konzentriert in Schlachten schicken – und sich sage Euch, das wird ein Renner, denn noch lieber als ein Lobgesang ist der Wirtschaft ein mundtoter Kritiker. Wir hatten das hier ja schon, diese Leute, die auf ihren privaten Blogs gehetzt haben und woanders dann für die kritisierte Firma warben – das ist unschön, das fällt auf, das muss nicht sein.

OK, Punkt 5 war böse, sorry, ist aber heute schon teilweise Realität. Im Ernst: Es bringt Euch nur Vorteile. Klebt ein Icon auf Euer Blog und auf die Problogger-Beiträge, wenn Ihr es unbedingt auf Euren Blogs machen müsst. Sagt klar, wo Ihr steht, vielleicht klappt es dann auch wieder mit dem Vertrauen.

Aber versucht nicht, den Urwald marktkompatibel zu machen, indem ihr drüben fresst und hier alles zuscheisst. Aus zwei Gründen: Erstens wird da immer jemand sein, der Euch dafür mal so rund macht, dass es Euch an Transparency International erinnern wird. Von Opel über Notebooks, den Cokecontainer bishin zu Politiker-PR merkt man, wenn man etwas feinfühlig ist, die nachlassende Toleranz des Urwalds. Mit “Argumenten” wie Neid kommt Ihr da nicht weiter. Zweitens solltet Ihr bedenken, dass es ganz schnell vorbei sein kann mit dem Bloghype. Blogs sind zu klein, Blogs haben allein stehend keien Breitenwirkung, Blogs sind wie Treibsand, aber nicht der Stein der Weisen im Mediengeschäft. Es kann gut sein, dass die Euch einfach durchkauen und ganz schnell wieder ausspucken. Zurück in den Urwald. Es liegt an Euch, ob Ihr dann mehr Umfeld haben wollt als die anderen Ausgespuckten. Oder ob ihr dann den Platz bekommt, an dem Ihr die Erde verbrannt habt.

15.7.2006 | 17:59 von DonAlphonso

Web-PR 2.0

Woran erkennt man übrigens, dass ein sich der PR verschrieben habender Blogger nicht mehr wie früher die PR für einen Bloghoster wie, sagen wir mal SixApart (u. a. bekannt durch Typepad und Movable Type) macht? Ganz einfach:

http://klauseck.typepad.com/prblogger/2006/07/softwareproblem.html

Er beschwert sich in seinem PR-Blog bei einer Hosterpanne der früher von ihm betreuten Firma über die Probleme, die durch das “Hosting anderer” entstehen.