Arbeit und Ausbeutung im asozialen Netz
Ich komme gerade von einer Tagung, in der es um so unschöne Dinge wie Liquiditätskrisen, Crashszenarien und die Flucht in Sicherheiten ging. Auch um die Frage, wie eigentlich die grosse Masse der Bevölkerung reagieren wird, wenn die Wirtschaft abschmiert, was in den nächsten 12 Monaten ziemlich wahrscheinlich ist. Ungefähr so, wie Don Dahlmann das beschreibt:Mit dem Wunsch nach stabilen, kleinen Verhältnissen ohne Verwerfungen, Risiken und angeblich grandiose Chancen. Neocons bitte die geschätzt 300 Milliarden Ausfälle der nächsten drei Monate bezahlen, dann weiterreden.
Wenn dem tatsächlich so sein sollte, dass die Leute wieder mehr auf Sicherheit und klare Bedingungen achten, statt auf Versprechungen von Firmen mit wackliger Finanzierung, ist so eine Krise gar nicht mal schlecht. Was im Web2.0 an Jobs geboten wird, ist über weite Strecken das schiere Gegenteil: Abtretung vieler Rechte, miserable bezahlung, Home Office ist obligatorisch, und das Arbeitsverhältnis wird so geregelt, dass man mit Sozialbeiträgen, sauberer Abrechnung, bezahltem Urlaub oder Weihnachtsgeld nicht zu rechnen braucht. Schwarzarbeit und Scheinselbstständigkeit ohne Chance, die eigenen Ansprüche durchzusetzen, wenn es eng wird, sind eher die Regel als die Ausnahme – nicht umsonst säuft Germanblogs gerade bei Nichtbegleichung von Rechnungen ab, und bei Trigami haben wohl einige noch immer nicht kapiert, dass sie als Gewerbetreibende früher oder später Probleme bekommen können
Insofern ist zu hoffen, dass die Kombination aus Unfähigkeit der Web2.0-Unternehmer (von denen zwei, die das hier mitlesen, übrigens mal die Karten auf den Tisch legen und das de facto Ende ihrer Firmen eingestehen könnten) und der Erkenntnis der Betroffenen im Zusammenspiel mit dem extrem schwierigen Marktumfeld und aufgrund der Krise unrealisierbaren Exit Optionen für die Klitschen diese Formen der “Beschäftigung” beendet. Web2.0 ist das genaue gegenteil von sozialer Marktwirtschaft, die Risiken werden auf die Beschäftigten umverteilt, und ansonsten ist man sich einig, den Staat aussen vorzulassen. Manchmal frage ich mich, ob diese Leute überhaupt schon mal das Wort “Steuerhinterziehung” gehört haben.
Womit wir bei ein paar lustigen Beispielen für diese neue Wirtschaft sind. ich hatte hier schon mal über Suite101 geschrieben, ein Autorennetzwerk im Internet, an dem der Medienlonzern Burda beteiligt ist. Das Portal wollte zum Start in deutschland 20 Euro pro beitrag zahlen, bis erste Werbeaufträge reinkommen, an denen die Autoren dann beteiligt werden. Wie das in Amerika in der Realität aussieht, kann man im Freien-Blog des DJV nachlesen: Unschöne Eindrücke, die Deutschlands bloggende Speichellecker nicht erwähnen werden, wenn sie das nächste Mal wieder auf Burdas DLD gehen möchten. Ganz schnell waren beim DJV dann auch diejenigen am Werk, die Suite101 ganz im Gegenteil gaaanz toll finden.
Nebenbei liegen mir hier auch ein paar Ausschnitte von Mails vor, in denen eine gewisse Person für Burdas Projekt “Scienceblogs” angeworben werden sollte. Den Vorstellungen der Burdaseite ist zu entnehmen, dass die 300-Euro-Hungerlöhne der WAZ auch hier eher als generös denn bescheiden gelten.
“Von Privat für privat” sollen die Jobs sein, die bei machdudas.de, dem Internetangebot einer englischen LTD. angeboten werden. *hust* Privat 125 Meter Hecke schneiden, oder einen alten Benz neu aufledern? Äh. Gilt Schwarzarbeit eigentlich auch als “die Vision, soziale Netzwerke in der Nachbarschaft zu flechten”, wie es blumig heisst? Hinweise für die “Jobber” wie man das mit der Steuer macht, findet man dort jedenfalls nicht.
Das Ergebnis? Ich würde mal sagen: Unerfreuliche Charaktere machen unerfreuliche Firmen, deren Mitarbeiter unerfreuliche Leistungen anbieten. Das kann nicht gut gehen, und das wird nicht gut gehen. Ob eine Kooperation im Web2.0 die bessere Lösung ist, muss sich erst noch zeigen, aber ganz ehrlich:Ich würde das nicht wollen. Die Erfahrungen mit dem asozialen Netz lehren, dass man besser nicht mit Bekannten Geschäfte macht.
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Zu “Coop 500”: Ich kann dich beruhigen. (a) Es ist KEIN Web 2.0 Vorhaben. Sondern Real Life. Inhaltlich hat das nichts aber auch gar nichts mit der schönen bunten neuen Welt zu tun. (b) Es geht nicht um Social Networks. Oder Freundschaft und Bekanntschaft. (c) Grundlage ist eine Kooperative im klassischen Muster. One Man one vote. Grassroots. (d) Idealerweise sind die Genossen der Coop auch die Aktiven. (e) Es ist Old Economy aber völlig neu interpretiert… Zumindestens ist das meine Vision.
wieder ein guter erster platz!
Nicht erster – Cem war früher dran, nur leider falsch als Spam erkannt :-)
Nun, ich würde sagen, dass zumindest die Mitmachergewinnungt sehr web2.0 ist. Meine bedenken sind da eher grundsätzlicher Natur, Vermischung privat/geschäftlich geht nicht immer gut.
@Cem (1)
“Grundlage ist eine Kooperative im klassischen Muster. One Man one vote. Grassroots.”
Du bist Deinen Kommentatoren gegenüber noch nicht mal in der Lage, den Coop-Gedanken näher zu erläutern. Wie soll da einer einsteigen???
Ich z.B. hätte an Dich die Frage, was bei einer Einlage von sagen wir mal 20T Euronen bei Dir rausspringen könnte. Und warum, wann und gegen wen (insbes. Finanzamt).
Deine “One Man one vote. Grassroots.”-Sprüche kannst Du Dir satt an die Backe nageln, wenn Du keine Ahnung von Wirtschaft hast und nur Sprüche vermarkten willst.
Wirtschafts-Hools – eine neue Form von “ICH WILL AUCH REICH WERDEN”-Idioten.
A) Wer eine Rechtsberatung braucht, belästige als Trigamist nicht mich, sondern gehe zum Steuerberater.
B) Eine Frage des Vertrauens. Cem ist durchaus in Vorlage gegangen, mit Wordcamp und Co.
@donvanone (4)
Es ist völlig irrelevant, welches Gewerbe Du betreibst. Wenn Du gegen Geld Beiträge in Deinem Blog einstellst und das Finanzamt mitbekommt, dass da Zahlungen von Irgendwem auf Dein Konto fliessen, dann hast Du Gewerbesteuer zu blechen.
Die Kontenkontrolle ist heute – anders als vielleicht vor 15 Jahren – kein Thema mehr für die Finanzämter Deiner Zuständigkeit. Jede Deiner Kontobewegungen wird heute gescannt.
Der Inhalt Deiner Blog-Posts ist völlig irrelevant; interessant fürs Finanzamt ist nur der Betriebsgewinn, wenn so ein Blog auf Gewinnbasis betrieben wird. Und das ist immer der Fall, wenn Du Ekelfirmen wie Trigami die “Erlaubnis” gibst, für Deine Firmenwerbung Geld zu verdienen.
Manchmal frage ich mich, wie blöd teutsche Selbstverdiener sein müssen, bis sie im Knast landen…
@Don (5)
Irgendwie seid ihr alle WP-Junkies;-)
Macht nix, die “Ahnungslosen” im Blog-/CM-Bereich können sich ja immer noch an mich wenden, um ‘ne vernünftige Beratung zum Thema “Welch Blog ich fress” zu bekommen. Eine two-zero-Einstellung zum heutigen Angebot macht halt keinen Hero.
Danke für dein Vertrauen, Don.
Und die Krise wird immer schlimmer. Ein kleiner Blick auf die google Results und was das alles für StudiVZ, Facebook etc bedeutet:
Google said the percentage of its revenue paid to partner sites that carry ads Google sells increased in the quarter to 30% from 29% in the third period. The company said this was due to the performance of some of the deals in which Google guarantees revenue payments to partners, referring specifically to challenges in generating ad revenue from social-networking sites. “We’ve found that social-networking inventory isn’t monetizing as well as expected,” said George Reyes, Google’s chief financial officer. Google has a deal to sell ads that appear on News Corp.’s MySpace.com social-networking site, but Google declined to comment on that relationship. (News Corp. is owner of The Wall Street Journal publisher Dow Jones & Co.)
/aus dem wsj/
Danke für den Hinweis zu den freien vom DJV. Hatte ich zwar schon überflogen, da waren aber noch nicht die unsäglichen Kommentare da.
(zitat anfang): “Unerfreuliche Charaktere machen unerfreuliche Firmen, deren Mitarbeiter unerfreuliche Leistungen anbieten.” (zitat ende)
– das kann man gar nicht oft genug wiederholen – die riester kundenberater zum beispiel haben machdudas auch schon entdeckt. wer das ganze elend sehen moechte:
man lasse “job”angebote aus taucha (bei leipzig) listen. dann erscheint so etwas (zitat anfang): “Job: Wer besorgt mir Kunden für eine Finanzberatung, bevorzugt Riesterrente?” (Zitat Ende).
da bietet man im angebotstext jedem empfehlungsgeber 20% seiner provision nach provisionseingang für einen entsprechenden vertragsabschluss an (screenshots liegen vor).
wenn dann gute bekannte so jemanden auf einen hetzen, wie war das damals noch mal mit den 30 silberlingen..? schmutziger gehts ja gar nicht.
[…] Gerade durch einen Beitrag in Don Alphonsos Blogbar auf machdudas.de aufmerksam geworden – das ist so ‘ne Seite zur Vermittlung von jobs von “privat an privat”, und natürlich ‘beta’. Don Alphonso hat schon auf die Schwarzarbeit-Problematik und ähnliches hingewiesen – ich hab mir die Seite mal angeschaut in der Erwartung, einige absurde Angebote zu finden. […]
Tja, der alte Satz bewahrheitet sich immer wieder aufs neue: Es geht immer noch schlimmer…
Dieses Suite 101 ist ja noch mehr Ausbeutung als alles andere – bisher das heftigste (von den Communities mal abgesehen, die Nutzungsrechte forever gegen Null-Kohle haben wollen). Ob die auch nur einen einzigen Hauptberufler bekommen? Kann ich mir nicht vorstellen.
Da werden sich allerdings wohl viele viele Trigami-Schreiber bewerben, denke ich mal.
Auf der DJV-Seite heißt es in einem weiteren Beitrag zu suite101: “Mag sein, dass sich Burda Digital Ventures an suite101 beteiligt.”
Ja was nun? Mag das sein, oder ist das so?
Man kann ja von Burda halten was man will, aber dass die sich Gewinn aus solch einem schwachsinnigen Projekt versprechen, kann ich mir nicht vorstellen.
Grundsätzlich sehe ich es mit Sympathie, wenn sich die Lust entwickelt, etwas zu unternehmen. Allerdings kehrt sich das bei mir gründlich um, wenn im sozialen Netz asoziale Praktiken angepriesen werden, oder wenn versucht wird, mit bloßer Sprücheklopperei Ahnungslose um Geld, Vertrauen oder Arbeitseinsatz zu bringen.
Wer Kritik von vornherein abbügelt oder im sozialen Netz als Unternehmer agiert in der Art von “Das-geht-euch-nichts-an” (Beispiel: Johnny/Lobo), der darf sich nicht wundern, wenn aus anfänglichen Wohlwollen Misstrauen entsteht.
Was übrigens nicht bedeutet, dass dieses Misstrauen eine Dauererscheinung sein muss.
Es ist leider kein Automatismus, aber Menschen können dazu lernen, Kritik kann fruchten, Konzepte können verbessert werden, es ist sogar möglich, die Bedürfnisse und Wünsche von Anwendern zu achten, den Wunsch nach Datenschutz und genauso den Wunsch, dass keine Firmen wie Yahoo unterstützt werden, welche aktiv dabei mitwirken, dass kritische Blogger in den Gulag geschickt werden.
Wer die rote Linie der Menschenfeindlichkeit überschritten hat, vielleicht aus Unachtsamkeit oder Geldgier, der ist immer willkommen, wenn er wieder zu etwas zurückkehrt, was man mit einem Wort: Anstand nennt.
Darum geht es.
Ich bin kein Misantroph. Im Moment kann man Kaioo oder CEM durchaus noch (vorsichtig) etwas Vertrauensvorschuss einräumen, und auch dann, wenn sich einige der Ankündigungen wolkig anhören. Man muss dann eben sehen, in welcher Form es sich konkretisiert.
Immerhin scheint hier eine Bereitschaft zu bestehen, Kritik und die Anwender wirklich ernst zu nehmen.
Das allein schon wäre ein Fortschritt.
[…] DonAlphonso kritisiert in der Blogbar immer wieder die asozialen Auswüchse in sozialen Netzen, darunter auch die Ausbeutung von Bloggern, die für Peanuts für die großen Medienhäuser schreiben (sollen). Über ein Banner auf der deutschen WordPress-Seite stieß ich kürzlich auf ein Jobangebot der Marketing-Firma wirkungsvoll GmbH: […]
“Auf rund 88 Cent Einnahmen monatlich kommt ein freier Journalist monatlich bei der Online-Plattform suite101, obwohl er Dutzende von journalistisch erstklassigen Beiträgen in den Onlinedienst eingestellt hat”, schreibt das DJV-Blog für Freie Journalisten und spricht von einer “Generation 88 Cent”. Einzig Lichtblick für den Journalisten: “Ein Auftraggeber meldete sich auf Grund der suite101-Präsenz bei ihm, um Aufträge zu erteilen”.