Die Bloggererlösung sah auch schon mal besser aus
Mal abgesehen davon, dass sich vieles in der Debatte um Streetview wirklich nur mit der Mediengeilheit von Leuten erklären lässt, die auf keinen grĂĽnen Zweig mehr kommen – finde ich, dass man das alles vielleicht in einem grösseren Kontext betrachten sollte. Die ganze Geschichte der Bloggerei ist ja voll von Aussagen der grandiosen, unaufhaltsamen und alternativlosen Durchsetzung der Zukunft a la Blogger. Wir erinnern uns vielleicht an
– “Print ist tot und in 5 Jahren werden alle bloggen” – naja.
– “Blogs sind dier idale Werbechannel” – naja.
– “PR ohne Blogs ist heute nicht mehr vorstellbar” – naja.
– “Ich mach Eich alle reich” – naja, das sagt Sascha Lobo heute auch nicht mehr, vielleicht kauft deshalb auch kaum jemand sein neues Buch
– Opel, Ebay Blogger Contest, Coke WG, Vodafone, Anation, Blog.de, Börsengang von myblog…. so viele Ideen, so wenig Ergebnisse.
Kurz, man kommt nicht ganz umhin, zwischen den tatsächlich vorhandenen Chancen, wie Hiffington Post, Big Picture und einige andere sie nutzten, und den Ergebnissen in Deutschland eine heftige Diskrepanz zu sehen. Vom Bloggen leben können wirklich nur die allerwenigsten, gut leben – keine fĂĽnf, wĂĽrde ich sagen (Ich könnte einer davon sein, wenn ich es nötig hätte, aber ich bin ja keine arme Sau in Berlin). Und dann sind da noch die Schreihälse, die seit Jahren wenig erfolgreich versuchen, anderen wenig erfolgreiche Social Media Unsinn zu verkaufen, sprich, das Risiko, das sie selbst nicht eingehen, zu kapitalisieren. Von denen rĂĽlpste gestern einer auf Englisch einen Hilfeschrei an Ausländer ins Netz:
Please, my friends from abroad, come in and take a look. This is what we digital pioneers face in this country when we try to build something new. This is a symbol that might explain why we are (in the digital space) great in building copies of successful services from the US, but not in inventing new toys or tools or even companies.
http://www.haltungsturnen.de/2010/11/monument-of-german-angst.html
Und bei dem ganzen Geplärre wegen der angeblich technikfeindlichen Spiesser in Deutschland, die den Fortschritt hassen und zurĂĽck auf die Bäume wollen – frage ich mich eben: Kann es nicht einfach sein, dass es der simpelste Weg der Ablenkung von den wahren Problemen ist, die äusseren Umstände fĂĽr das eigene Versagen verantwortlich zu machen? Ich finde nämlich Deutschland absolut nicht technikfeindlich. Es ist halt nur so, dass zwischen dem, was selbsternannte “Pioniere” fordern, und dem, was fĂĽr den Rest relevant ist, unterschiedliche Bewerungen vorliegen. Es sind Bewertungen, die zu ändern keiner der “Pioniere” je Lust hatte – vielleicht, weil es zum Job gehört, immer ganz vorn dran zu sein, egal wo der Rest gerade ist.
Also, wenn der Rest auf die Vorschläge von ein paar Spinnern aus Agenturen und Selbstdarstellern keine Lust hat: Inwiefern ist das die Schuld des Restes? Und ist das Geschrei letztlich nicht doch nur die Selbstvergewisserung einer mehrfach auf die Fresse gefallenen Vordenkvortäuscherei, die wenigstens einmal im globalen Rahmen als “das richtige tuend” dastehen will, wenn sie sonst auf der ganzen Linie versagt hat? Das feine an der Verpixelung von Streetview ist ja, dass man nicht antreten muss um zu beweisen, dass die eigenen Thesen und Theorien richtig und markttauglich sind: Es reicht, einfach zu quäken, zu schmollen und sich lächerlich zu benehmen, um “Recht” zu haben, der Rest der Welt wird es schon richten, wenn selbst Papa und Mama pixeln lassen. Es ist der einfachste Sieg von Leuten, die bislang nur verloren haben. Und auch in Zukunft derartige Ausreden weiter brauchen werden.