könnte man auch einfach mit 5 zeitlich nacheinander folgenden Zitaten der letzten Tage umschreiben:

Denn die Blogs, die durch adical vertreten werden, sind Blogs, die nicht in erster Linie als GeschĂ€ft, sondern aus Leidenschaft betrieben werden – das wissen die Blogleser zu schĂ€tzen. Dies bedeutet jedoch auch, dass adical nicht jeden Kunden annehmen kann und will.
Adical fĂŒr Kunden

Werbung ist eine Kulturform, die andere Kulturformen ermöglicht
Adical-AG (?) und Ambient IPTV-Werber (???) GeschĂ€ftsfĂŒhrer Sascha Lobo

Und haben beschlossen, uns auf die moralische Bewertung der Werbekunden hinsichtlich einer „die sind gut – die sind böse“-Aussage möglichst selten einzulassen. Denn jeder Kunde, den wir als „verwerflich“ ablehnen, bedeutet im Umkehrschluss unsere moralische Absolution fĂŒr die Kunden, die werbend auf Spreeblick erscheinen.
Adical-GrĂŒnder Johnny Haeusler zur Frage, warum man den Werbekunden Yahoo trotz deren UnterstĂŒtzung des chinesischen Regimes bei der Verfolgung von Dissidenten nicht abgelehnt hat

meine RĂŒcksicht gilt nicht meinen GeschĂ€ftspartnern Sascha und Johnny, sondern den Menschen Sascha und Johnny, die ich sehr schĂ€tze
Carsten Dobschat zur Frage, warum er Yahoo-Werbung Žvon Adical behÀlt

manche hoch erhoben zeigefinger wÀren zur zeit einfach besser in den zugehörigen arschlöchern aufgehoben.
Adical-Teilnehmer Felix Schwenzel in Bezug auf Leute, die Werbung fĂŒr Yahoo nicht einsehen.

Einen Account bei Flickr, ein Konto bei der Deutschen Bank kann man kĂŒndigen, man muss nicht Mercedes kaufen, und wenn Schuhe aus China kommen, kann man sich auch fĂŒr Schuhe aus Italien entscheiden. Man ist autonom, man muss nicht an den drögen Manager bei Yahoo, den hektischen Kundenberater, den Aufsichtsratschef, der auch RĂŒstungsdeals abnickt oder den Sweatshopbetreiber denken. Um all diese Leute wĂŒrde man gemeinhin oft einen Bogen machen, man will sowas nicht unbedingt daheim auf der Party sehen. Vielleicht muss man beruflich mit solchen Leuten ab und zu können, aber man kann das nach dem Job ausschalten.

All das – geht im Social Business nicht mehr. Denn man kennt die Leute. man hatte frĂŒher sogar gemeinsame Ziele. Oder man hat sich von einem freundlichen Werber einwickeln lassen. Und dann hat man vielleicht noch Leidenschaften, aber auch einen Haufen ZwĂ€nge, wenn es schief geht. Wenn oben plötzlich Änderungen der GeschĂ€ftspolitik passieren, wenn die guten Kumpels Mist bauen, wenn was durchrutscht, wenn man es zwar runterschmeissen könnte – aber dann muss der Vertrag dennoch erfĂŒllt werden, man hat eben Zusagen auf eine gewisse Menge Klicks gemacht, und wenn man aussteigt, mĂŒssen alle anderen Freunde mehr Klicks bringen. Vielleicht schafft man es ja, das Auslaufen des Deals als halbwegs freiwilligen RĂŒcktritt zu verkaufen.

Ich muss offen sagen, dass ich die Feigheit von Qype, die sich um ihre Existenz als Webkatalog herumreden, um nicht selbst juristische Probleme zu bekommen, weitaus ĂŒbler empfine. Ich mag all das Freundschaftsgetue nicht, mit dem sich manche Leute zwecks Business an einen ranschmeissen. Oder bezahlte Freunde von Startups, die sich fĂŒr Sekten stark machen, indem sie Kritiker ausforschen. Das alles kann im Beruf durchaus vorkommen, aber Blogs sind tatsĂ€chlich ein soziales Netzwerk. Es wird immer welche geben, die versuchen, darauf ihr GeschĂ€ftsmodell auszubauen. Es wird auch welche geben, die so etwas fĂŒr schnellen Profit missbrauchen. Es wird immer Blöde geben, die mitgefangen und mitgehangen sind.

Der “Social”-Aspekt kann ĂŒbrigens durchaus eine StĂ€rke sein. Solange alle Beteiligten verantwortungsvoll damit umgehen. Dann wird möglicherweise tatsĂ€chlich so eine Art Kreislaufwirtschaft daraus. Wo Leute einen Sinn darin sehen, etwas anzuklicken, und man nicht mit den Augen zwinkern muss, um zu signalisieren: “Hey Freund, ich mach das nur fĂŒr die Kohle und eigentlich inde ich Werbung auch Scheisse”. Sozial ist etwas anderes. Diese StĂ€rke erkauft man sich zwangsweise durch Grenzen in anderen Bereichen – die Deutsche Bank ist ja auch ein anderer Konzern als eine Volksbank, ein Winzer, dessen Familie seit 200 Jahren einen Weinberg hat, tickt anders als ein Investor, der Millionen Liter Billigfusel verschiebt. Und “die Gesellschafter” werden in Blogs vollkommen anders wahrgenommen als der Helfer chinesischer UnterdrĂŒcker Yahoo. Gekaufte “Tests” fĂŒr obskure Pokeranbieter und andere Spammer sind keine transparenten Inhalte, und werden entsprechend extrern angesprochen. Was ebenfalls seine Ursache in der Sozialstruktur dieses Dings formerly known as deutsche BlogosphĂ€re hat.

Ich denke, es ist nicht allzu schwer zu verstehen, was soziale Netzwerke vertragen. Und was sie ruiniert.