18.8.2004 | 21:30 von DonAlphonso

So mag er fallen

Bei den Firmenkäufen in der New Economy gab es ein fast schon idealtypisch verlaufendes Problem: Das sogenannte Post Merger Syndrom. Es ist mehr als nur eine Ironie, dass die Zickigkeiten der zusammengeführten Unternehmen mit der gleichen Abkürzung belegt werden wie die Prämenstruation: PMS. Die Belegschaft neigt zu Panikhandlungen, unkontrollierbarer Verschwendungssucht, lässt es nochmal richtig krachen, verfällt dann wieder in Unsicherheiten und Depression, bis hin zur Agonie.

Schaut man sich jetzt die Entwicklung der Neuanmeldungen der gemergeden Projekte myblog.de und 20six an, könnte man fast denken, die Blogger haben ebenfalls PMS: Von der “rette-sich-wer-kann-ran-an-die-MyBlogs”-Stimmung ist nichts mehr übrig, die Anmeldungszahlen bei Myblog rauschen in den Keller. Aber auch 20six hat deutliche Einbussen zu verkraften. Eigentlich ein klassisches Kundenverhalten nach Mergern: Man ist sich nicht sicher, wo die Reise hingeht, die Kommunikationspolitik von beiden Projekten ist extrem dürftig, also zieht man auch andere Dindte in Betracht. Blogger.de verteilt wieder Blogs, twoday wird werbefrei und macht das Antville-Update, Blogg.de läuft wieder stabil. Gut möglich also, dass der grosse Schub bei myblog.de mittelfristig zum Problem wird, wenn es weiterhin bei den Unsicherheiten – mangelhafte Kommunikation, Serverabstürze wie heute – bleibt.

Bild geklaut bei Blogstats.de

17.8.2004 | 10:28 von dogfood

Yet another social network (not): Plazes

Nico Lumma macht auf ein neuen Dienst aufmerksam: Plazes, einer Art “Social Network“.

Social Networks in zwei Sätzen: User legen auf “Social Networks”-Websites Profile (welche Hobbys, Beruf, sexuelle Vorlieben) über sich an, laden Photos, Blog-Einträge, Rezepte u.ä. auf diese Websites hoch. Die einzelnen User werden nach dem Beziehungs-Dreisatz “A kennt B, B kennt C, also sollten sich A und C kennenlernen” miteinander vernetzt (siehe hierzu auch das im Juni geschriebene “Social Networks und der Hype“).

Ist dieses ergiebig? Na ja, ungefähr so ergiebig wie das Betreten eines Chat-Rooms. Wer es mag…

Plazes bietet nun einen anderen Ansatz in dem es nicht nur die üblichen User-Profile anlegt und vernetzt, sondern als zusätzliche Komponente “Plazes“, also Orte einbringt. Plazes besitzt eine kleine Software (“client”) die heruntergeladen werden muss und versucht Orte anhand des Internetverbindung, bzw. des Netzwerkes zu erkennen. Ist der Ort noch nicht in der Datenbank vorhanden, kann der User als Entdecker (“Discoverer“) den Ort in die Datenbank eingeben, eine Beschreibung hinzufügen und Photos hochladen.

Daraus leiten sich zwei Features von Plazes ab, die man so in anderen “Social Networks” nicht findet: Eingeloggte User (solche die den Plazes-Client laufen lassen) erscheinen auf der Plazes-Website nicht nur als anwesend, sondern lassen sich auch lokalisieren. Umgekehrt können Städte nach “Plazes” und interessanten Anwesenden durchsucht werden.

Es gelten die üblichen Einschränkungen: ist es gruselig mitunter soviele Daten über sich preiszugeben? Ja. Ist es gruselig eine unbekannte, fremde Software auf dem Rechner laufen zu lassen? Ja, wiewohl man mit geeigneter Software (MacOS X: Little Snitch) das Risiko minimieren kann.

Es gibt zahlreiche Social Networks die aber allesamt darunter leiden, dass sie es nicht schaffen über Basic-Funktionalität hinauszukommen und wirklichen Mehrwert zu bieten (siehe Matt Haughey “Social Software Ideas“). Googles Orkut hat sich nicht weiterentwickelt, zeigt sich mitunter auch als wackelige Softwareplattform. Flickr scheint sich immer mehr auf die Photo-Sharing-Funktion und Integration mit Blogs zu konzentrieren (demnächst mit Bezahl-Accounts).

Der große Sprung an Innovation ist trotz vorhandener Ideen seit 1-2Jahren ausgebleiben. Plazes ist zumindest mal ein frisches Lüftchen.

15.8.2004 | 15:46 von DonAlphonso

Lifeblog nichts ohne Kabel

Trotz aller Probleme mit Nokias Lifeblog: Was ein echter Beta-Tester ist, lässt sich von ein paar Vorserienmacken nicht entmutigen. OK, aufgrund des komischen Menus dauert es etwas, bis ich an meine Kontakte auf der SIM-Card komme. Gut, die Bilder liegen jetzt schon länger auf dem Handy, weil das Ausbauen der MMS-Karte eine Qual ist. Und das hat sich auch nicht geändert, als ich versuchte, das nötige Datenkabel zu installieren: Auf meinem alten, heissgeliebten High-End-Notebooks Anno 2000 läuft Windows 98SE, und nachdem ich in der Arbeit mit 2000 und XP zu tun habe, werde ich 98SE NIE entfernen. Auch nicht für Nokia, die mit dem 7610 erst Treiber und Software ab Windows 2000 Servicepack 3 liefern. Dass sie damit wahrscheinlich die Hälfte aller Windows-User, die das Handy kaufen, brutal gesagt verarschen, ist ihnen noch nicht mal bewusst, denn von den Systemanforderungen steht nichts auf der Verpackung. Nicht nur das Lifeblog; jede Art der Kommunikation mit dem Handy können neben Apple- und Linuxnutzer auch viele Windowsbesitzer vergessen.

Für mich gibt es im Prinzip Rettung: Ich musste nur meinen relativ neuen Schlepptop aus München nach Berlin holen. PIII, 256 MB, solides Fabrikat, und, wie gefordert XP in der Professional Version drauf. Die Installation der Software klappt – was nicht klappt, ist die Installation des USB-Kabels zum Handy. Da kommt von Microsoft eine entsprechende Warnung, und wenn man die überspringt, klappt es nicht. Kein Kontakt zum Handy. Handy wegstöpseln, wieder hinstöpseln, die verlangten Treiber noch mal händisch installiert, wieder die Fehlermeldung. Kein Kontakt zum Handy. Runterfahren, Booten, geht nicht. Etliche Tricks versucht – geht nicht.

Ich komme bei sowas wahrscheinlich weiter als 90% der normalen XP-User. Ich gebe nicht so schnell auf, auch nicht im Sommer. Es geht nicht. Ich komme noch nicht mal an die Bilder ran. Jede Digicam, jeder billige Reader wird von XP als Laufwerk erkannt. Aber nicht dieses ultrateure, supercoole Handy, auf dessen Lifeblog-Funktion Nokia ganz grosse Hoffnungen setzt. Und warum? Weil das Kabel nicht installiert werden kann. Weil Nokia Produkte baut, die man nicht mit einem Click installieren kann, sondern nach einem coooolen Intro-Video und dem Scheitern zum Experten bringen muss, der das dann vielleicht kann, oder auch nicht. Nokia sollte sich nicht wundern, wenn sie in drei Jahren pleite sind.

13.8.2004 | 9:30 von dogfood

Das IOC sagt: Bloggen ist Journalismus

Nun ham’wa es offiziell, quasi halbstaatlich beglaubigt: wir Blogger sind Journalisten.

Und wenn wir jetzt verdammt schnell rennen, hoch springen oder viele Gewichte heben könnten, wären wir in Athen … und dürften nicht mehr bloggen. Weil wir dann Journalisten wären und gegen die Regel 59 der olympischen Carta verstoßen würden.

Sagt das IOC via deutschem NOK: “NOK informiert über Verbot kommerzieller Aktiväten und Berichterstattung seitens Mitgliedern der Olympiamannschaft” (Link via Heiko Hebig)

d) Online Tagebücher: Athleten, Trainer, Offizielle und anderen akkreditierten Teilnehmern ist es untersagt, während der Dauer der Olympischen Spiele, Tagebücher für Zeitschriften oder online ? Tagebücher zu erstellen, weil dies einer Berichterstattung gleichkommt und gemäß der Olympischen Charta nicht erlaubt ist. Athleten, Trainer, Offizielle und andere akkreditierte Teilnehmer dürfen selbstverständlich auf Fragen von Journalisten, Web ? Journalisten oder der Öffentlichkeit überall und spontan antworten. Allerdings dürfen Athleten, Trainer, Offizielle und andere akkreditierte Teilnehmer nicht andere Athleten für irgendein Medium (TV, Zeitung oder Internet) interviewen.

Theoretisch keine schlechte Idee mal für zwei Wochen nicht nur alle Kriegsaktivitäten ruhen zu lassen, sondern auch all den Marketing-Boohay und Selbstdarstellungskram.

Das Problem ist aber natürlich offenkundig: das IOC ist selbst Vorreiter der Vermarktung. Es geht nicht um Reinheit des olympischen Gedanken, sondern um Wahrung der Exklusivrechte die man besitzt. Wozu das führen kann, sieht man an den Klimmzügen die Briten durchführen müssen, wollen sie via Internet der Berichterstattung der BBC lauschen. Nur wer mit eine “britische IP-Adresse” hat. Wer wie z.B. internationale Unternehmen, einen internationalen Provider hat, darf online nix hören. Für den bleibt in den nächsten 16 Tage der Stream von BBC FiveLive verschlossen.

Das Problem mit den Rechten und Lizenzen ist kein neues (erinnert sei an die WM2002, als Spiele von ARD/ZDF nicht via Satellit ausgestrahlt werden durfte, oder DSF-Übertragungen vom Fußball und Rugby, die nach Protesten von spanischen Sendern eingestellt wurden). Allerdings greift die immer rigidere Durchsetzung von Exklusivrechten immer stärker in die Privatsphäre, Meinungsfreiheit und allgemeines Bildungsgut ein und damit in Verfassungsgut.

Die IOC-Internet-Richtlinien für die Berichterstattung von Nicht-Rechte-Inhabern gleichem einem Knebelvertrag. Das Ziel dieser Richtlinien ist definiert:

The guidelines have been developed in such a manner as to maximise the promotion of the Olympic Movement through this medium, while at the same time respecting the provisions of the Olympic Charter and the rights of the various broadcast rights holders, Olympic Sponsors, National Olympic Committees and International Federations.

(Hervorhebung von mir)

Wie häufig sind da Athleten drin vorgekommen?

Wie lange kann sich das IOC derart widersetzen? Wie lange wird es dauern bis Sportler in Wahrung ihrer Interessen das IOC auflaufen lassen?

(Weitere Diskussionen zum Thema: blogosfear.org, Heiko Hebig, Politik-Digital, Metablocker)

13.8.2004 | 1:09 von DonAlphonso

Ich verlinke das jetzt nicht

denn sowas muss nicht auch noch belohnt werden. Aber wenn ich unter den Postings in einem Blog immer diese Depperl-Angeber-Schleichwerbung-Zeile finde:

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Zur Verfügung gestellt von my BlackBerry Wireless Handheld

und das dann noch im Blog eines Profi/Qualitäts/Whatever-Journalisten einer angeblich unabhängigen, unbestechlichen ZEITung passiert, dann ist bei mir die Grenze der Toleranz überschritten. Nicht nur, dass es mir und wohl den allermeisten Lesern vollkommen wurschtegal ist, mit was für einer Device der Text zusammengetippt wurde. Es ist eindeutig eine Vermischung von redaktionellem Inhalt und Promotion – für sowas muss man also gar keine tolle Software haben, da reicht auch ein ziemlich blauäugiger? unerfahrener? Journalist aus, der es nach einem Blick in den Pressecodex eigentlich besser wissen müsste. Es ist vielleicht nicht ganz so plump, aber im Kern auch nicht anders als das, was die Bildzeitung macht.

Peinlich. Ändern, aber schnell. Hier steht ja in der Regel auch nichts Affiges a la
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Zur Verfügung gestellt von my fucked up, old and dirty Cherry RS 6000 M Keyboard in Disgust auch wegen his abscheulich Denglisch

12.8.2004 | 17:33 von DonAlphonso

Gleich neben Christina Aguilera,

Patrick Nuo und Karolina Kurkova stehen – sagen wirŽs mal so, es gibt weitaus unangenehmere Dinge im Leben eines Herausgebers. Man stelle sich nur mal vor, nebenan wird der neue Walser besprochen, Angela Merkels Autobiographie oder vergessene Miszellen eines unbekannten Historikers, der schon lange tot ist. Nachdem die Young Miss (aus dem Hause Brigitte) das Buch in der Rubrik trendscout sehr empfiehlt,

Wer hip ist, führt Tagebuch – literarisch, poetisch, online! In sogenannten Blogs. Die besten gibt’s ab 1. September mit Anleitung zum Selberbloggen…

werden bei myblog und blogg wahrscheinlich bald wieder die Server rauchen. Ausserdem höre ich schon das Flügelschlagen der Blogosphären-Racheengel, und ihr entsetztes Kreischen: Young Miss! Hip! Die besten! Selberbloggen! ;-)

1 medienecho and counting (und das schon 2 Wochen, bevor das Buch ausgeliefert wird)

11.8.2004 | 13:20 von dogfood

Wenn Bloggen erwachsen wird, …

… gibt es einen Artikel in Salon über die Six Apart-Gründer Ben und Mena Trott: “Blogging grows up

Der Artikel liefert einen runden Überblick über Six Apart und ihre populäre Blog-Software Movable Type, über die Anfänge und die Schwierigkeiten die 6A durch die Einführung neuer Lizenzbedingungen erfahren hat. Farhad Manjoo hat Angestellte, Kollegen und Konkurrenten interviewt. Insbesondere die Aussagen von Anil Dash (Vice President 6A) machen den Kurswechsel von MovableType in den letzten 6-9 Monaten deutlich: hin zu einem Profi-Tool mit großem “P”, dass in Unternehmen und Agenturen zum Einsatz kommen soll.

Einige interessante Auszüge aus dem Artikel:

When the folks at Six Apart talk about the promise of blogs and the future of Movable Type, they don’t talk about Instapundit or Talking Points Memo, two popular Movable Type blogs. Instead, they talk about law offices and media companies and software firms, and the benefits these businesses might see when their employees start blogging. […]

If the entire point of creating a blog is to talk about yourself, or to get people talking about you or the things you care about, then it matters what judgments people have formed about the particular blog tool you use. Traditionally, for instance, LiveJournal has been a place of closely connected teenagers; you could try, if you wanted, to publish your well-researched foreign policy musings on an LJ blog, but chances are not many people are going to take you seriously.

(gefunden via Jeffrey Veen und Notizen aus der Provinz)

9.8.2004 | 23:19 von siebenviertel

zukunft is a trademark

oh ja, microsoft ist da. es war ja irgendwie klar, wenn der grosse hecht im teich erst einmal einen neuen trend identifiziert hat, will er auch ein paar fliegen ab. man ist nicht schnell, doch wenn man sich erst einmal bewegt, ja wartet’s nur ab, ihr googler, blogger und all ihrs.

jetzt haben sie msn vorgeschickt, um fertig zu bekommen, was bislang nicht so richtig geklappt hat, dominanz und so. die jungs basteln also an einer eigenen blog plattform. nur microsoft hat immerhin einen ruf zu verlieren, it’s not a bug, it’s a feature, jetzt auch mit blogs. phil ringnalda hat bereits ein msn blog gefunden und gleich einen verriss geschrieben. und der link kam via kottke.

The HTML is, of course, execrable. The one possible way they could have gotten some approving buzz from tech bloggers was to use extremely clean (X)HTML, but given the apparent total lack of a corporate culture believing that code is poetry, at least when it comes to HTML, there was little hope of that. It might be possible to persuade Microsoft tools to produce valid HTML, but judging by what mostly comes out of them, they must think of HTML as a hot dog factory, where nobody in their right mind would ever look inside. Validating Robert’s page, without even a post, produces 166 errors (…)

a first look at msn blogs

oh, well.