8.4.2008 | 22:56 von DonAlphonso

Bloggen kann tödlich sein!

Ja! Voll riskant! man muss sich die Risiken vor Augen halten! Nicht nur die beiden in Amerika aufgetretenen Herzinfarkte, die gerade von diversen Medien schon ein paar Monate zum neuen Blogtrend erhoben werden! Man könnte auf dem Weg zur Neuköllner Lesung von Don Dahlmann einem Messerstecher zum Opfer fallen, oder zur Hamburger Bloggerlesung in die Alster fallen! Und das liegt nur daran, dass solche News blitzschnell rausgehauen werden und alle gleich losrennen aus Angst, was zu verpassen!

Manchmal kann man sich wirklich nur über Scheiss wundern, der da zusammengeschmiert wird. Vor drei Jahren war der Trend “Jobverlust durch Bloggen”, jetzt ist es “Krepieren durch Bloggen”, und 2010 reden wir über “Trunksucht durch Twitter”. Prinzipiell kann man sich mutmasslich mit jedem Hobby irgendwie schädigen, aber bei gestörten Bloggern habe ich, mit Verlaub, den Eindruck, dass sie ihre hier draussen offensichtlich werdenden psychischen Defekte schon vorher hatten. Ich habe den Aufstieg der braunen Blogscheisse miterlebt, und abgesehen davon, dass sie sich gegenseitig anheizen, ist der Arschlochfaktor nicht grösser geworden, als er eh schon war.

Klar kann man sich mit Blogs schädigen. Ein weiterer Fall, für den die recherchefaulen Abschreiber offensichtlich etwas zu doof unwissend sind, ist eine Mitarbeiterin des Blogs Gawker, die offensichtlich irgendwann Probleme hatte, zwischen ihrer supersexy Kunstfigur und dem realen Leben einen Einklang zu finden und zwischenzeitlich den Stecker zog. Bloggen ist halt momentan noch persönlicher als Journalismus, aber mit dem grossen, aktuellen Medienwandel, der seine Protagonisten wieder als Person oder Marke ins Gespräch bringen will und muss, gleicht sich das schnell wieder an. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass Blogger mit solchen Problemen besser umgehen können, als Journalisten. Als Blogger lernt man die Grenzen im Laufe der Tätigkeit kennen und gleichzeitig auch Strategien, mit dem Neuen da draussen umzugehen, während Journalisten ziemlich unmittelbar Lesern und Sautreiben ausgesetzt sind.

Vor ein paar Jahren habe ich eine Bekannte verloren. Sie arbeitete bei einem Projekt eines Mediums, das auch nicht immer nett über Blogger schreibt. Das Projekt war ziemlich unsicher und, wie sich später zeigte, kurz vor der Einstellung. Die Lage, in der man sich keinen Aussetzer leisten kann, in der man totales Comittment zeigt. Sie hatte zusammen mit einem Kollegen schon einen Haufen Überstunden während einer Woche geschoben, wollte eigentlich ein paar Tage frei haben, aber dann kam eine Überschwemmung dazwischen, und die beiden, die eigentlich in das Bett gehört hätten, gingen nochmal raus. Auf dem Heimweg kam der Begleiter von der Spur ab und fuhr direkt in einen LKW. Sie war 26, und eine der Besten und Ehrgeizigsten, die ich kennenlernen durfte. Keiner hat sich danach hingestellt und gesagt, dass Journalismus und Medienkonzerne töten.

Ich glaube, dass es beim Bloggen sehr viel leichter ist, die Finger mal von der Tastatur zu lassen. Und in der heissen Phase der New Economy habe ich sicher weitaus mehr Kokser, Tabletteneinwerfer und Absturzsuizidale kennengelernt, als in der Blogosphäre. Bloggen hat Nebenwirkungen, keine Frage, manche sind schlecht, aber die meisten sind super.

Was jeder bloggerbeischlafende Blogger bestätigen wird.

7.4.2008 | 20:55 von DonAlphonso

In die Medien? Vermitteln!

Es ist nicht ganz ohne Ironie, wenn blognahe Veranstalter von PR- und Werberevents, die sich offiziell als Treffpunkt der Internetaktiven promoten, sowas spiessiges und langweiliges wie “Medienpartner” haben. Medienpartner, das klingt gleich nach angenehmen publizistischen Umfeld und maximale Reichweite um den Preis von Gefälligkeitsschreibe, und wirkt, wir kommen zum Thema “Re:Publica”, ziemlich läppisch für Leute, die letztes Jahr noch mit dem Slogan “Print ist tot” in eine neue Medienwelt starten wollten. Ganz natürlich rangieren im Pressespiegel der Re:Publica die Blogberichte unter den Medienberichten – und die wiederum fallen nicht allzu freundlich aus, wie schon im letzten Jahr, und wieder ist die Aufregung gross.

Warum eigentlich? Weil sich Journalisten mit Themenkomplexen konfrontiert sehen, mit denen sie sich nicht allzu gut auskennen? Die ihnen gar ein wenig obskur vorkommen?

Ich denke, es gibt da ein hybrides Problem: Blogger erwarten und fordern von den Medien, dass sie nicht jeden PR-Brocken einfach so fressen, der ihnen hingeworfen wird. Die Botschaft des Werberkongresses Re:Publica, dessen Macher ihre Werbevermarkter und Copycats und zahlenden Partner an den Mann bringen wollen, ist in ihrer unfeflektierten Anspruchshaltung, eine “kritische Masse” darstellen zu wollen, eben auch nur ein PR-Gewäsch, wie etwa “die CSU ist Bayern” oder “Roland Koch bringt innere Sicherheit”. Der kleine Unterschied zwischen Parteien und Bloggern ist aber, dass man sich gewöhnlich bemüht, die andere Seite nicht als verreckendes Kadaver am Rande des Highways, den man in Richtung Zukunft durcheilt, darzustellen, und dabei noch erwartet, dass dieses Stück Aas das gefälligst toll findet.

Denn, wenn man schon sowas wie eine Neue Zeit mit im Gepäck hat, könnte man auf die Medien auch verzichten. Oder ihre Berichte als irrelevant abtun. Tut man nicht. Viele derer, die in Berlin die Avantgarde geben, haben eine ziemlich hohe Meinung von sich, und sind zudem der Überzeugung, dass die Medien das einfach zu akzeptieren hätten. Und sehen nicht den geringsten Anlass, den anderen das mal zu begründen, Beispiele zu bringen, den Anspruch zu legitimieren. Statt dessen erwartet man, dass die Medien vor der in der SMS-Wand symbolisierten Masse den Hut ziehen, und wundert sich, wenn Medien reagieren wie Willhelm Tell, und das Gefasel nicht unaufgespiesst durch die von ihnen beherrschte hohle Gasse kommen lassen.

Der Realitätscheck wäre ganz einfach: Welcher bekannte deutsche Blogger, der sich auf dem Kongress zeigte, hat eigentlich was zu Themen wie der globalen Finanzkrise zu sagen? Mindestlohn? Vertiefende Analysen zur Verarmung des Mittelstandes? Wie viele Buchkritiken gab es im letzten Jahr, wo sind die Texte, die gekonnt mit Konditionalsatz und Konjunktiv hantieren würden, wo wird Leistung erbracht, die die Debatte der Allgemeinheit erreichen und beeinflussen? Es ist nicht so, dass es das nicht gibt, es geschieht, man muss es finden, fördern, vorzeigen und verständlich machen, wenn man auf der Suche nach Akzeptanz jenseits unserer Kreise ist. Man kann nicht erwarten, dass Medien eine Selbstironie verstehen, wenn sie schon durch eine Realität ausgeschlossen werden, die ihren Scheinelitarismus durch Ingroups, Diskursverweigerung und abgeriegelte Weltbilder bewahren möchte.

Also: Entweder man packt es nicht allein, und macht es mit denen. Dann aber nach deren Regeln – erklären, runterbrechen, vermitteln, Beispiele, Fakten und Zahlen liefern. Oder man sitzt wirklich im Cockpit der richtigen Maschine in Richtung Zukunft. Dann kann es einem egal sein, was die davon halten.

3.4.2008 | 13:26 von DonAlphonso

Kellnern, das bessere Profibloggen

Gerade eben waren diverse Leute auf dem Werbevermarkterkongress Re:Publica so freundlich, den auch von diesem Blog hier geleisteten Bemühungen gegen eine Dominanz der Blogosphäre gegen Käuflichkeit und das, was sie “Professionalisierung” nennen, eine recht hohe Effizienz zuzusprechen. Es ist immer nett zu wissen, dass auch so ein Blogvermarkter-Auditorium immer an einen denkt, wenn man fern den Berliner Niederungen in angenehmer Umgebung, mit guten Freunden und vorzüglichem spätem Frühstück verbleibt.

Eines vielleicht voraus: Es schmerzt mich schon, dass ich das widerlichste präsentierte Geschäftsmodell der dort Vortragenden, die PR-Agentur Trigami und ihren Gründer Remo Uherek noch nicht in folgende Empfehlungen einschliessen kann, denn wenn ich einem eine wirklich unerfreuliche Tätigkeit wünschen dürfte, wäre er es. Ich halte Trigami in seiner Gewissenlosigkeit und vollkommen unreflektierten Koofmichtum für das grösste Problem, das es innerhalb der Blogosphäre zu lösen gilt, da helfen auch keine Versuche, zu Weihnachten drittklassige Schokolade, offensichtlich deren Begriff von Medienarbeit, zu schicken.

Aber die anderen, namentlich Sascha Lobo von Adical und Peter Hogenkamp von der Blogwerk AG: Wenn das wirklich stimmt, dass die Umsätze so lächerlich niedrig sind, knapp 250.000 Euro bei Adical und nur 50.000 bei Blogwerk, wenn ich mich nicht verhört habe, bei Lobo kommen die Fahrtkosten raus und Blogwerk hat mit 300.000 Views von Bannern 0 Euro verdient – sorry, ganz klare Ansage: Lasst es bleiben und geht kellnern. Das wird nichts mehr.

Der Werbemarkt hat ein Überangebot von Werbeplätzen. Blogs sind da nur eine Alternative unter vielen, und das mit nicht wirklich guten Informationen über die Leserschaft. Ich sehe nicht, wie da noch signifikante Zuwächse bei den Lesern kommen sollten, und selbst wenn: Nehmen wir mal an, die Blogwerk AG schafft das Kunststück und vervierfacht ihre Nutzerzahlen, kommt damit mit allen Blogs unter die Top 20 der meist besuchten deutschsprachigen Blogs – wie gross sind dann die Jahresumsätze durch Werbung? 200.000 Euro? Oder vieilleicht mit etwas Glück 300.000? Selbst dann wird man Problme haben, ordentliche Leute ordentlich zu bezahlen. Ein halbwegs passabler Journalist kostet fest angestellt 50.000 im Jahr, mit allen üblichen Abgaben, oder man macht es eben weiter so wie bisher: Viele Artikel raushauen, die den Schreibern jetzt nicht wirklich viel Geld einbringen. Wie das lokale Schmarrnblatt für freie Autoren, nur eben jetzt die Nische als Ersatz für den Kaninchenzüchterverein. Bei vier Gründern, die 1/3 des Umsatzes von Adical erhalten, und dazu den ganzen Verwaltungs- und Vertriebsaufwand haben, ist das am Ende auch nicht viel mehr als ein Praktikantengehalt in Berlin.

Jenseits aller persönlichen und ideologischen Vorbehalte, die man gegen die Blogvermarktung haben kann: Es lohnt sich nicht, selbst wenn man den ganzen damit verbundenen Ärger rausrechnet. Kellnern ist sicher lukrativer. Wenn die Leute klug wären, würden sie die Re:Publica zu einer ganzjährigen Bloggerkneipe “Zum lustigen Twitter-Iro” umbauen, schliesslich sind 800 Stammgäste so einiges, auf die Viraleffekte setzen, und Hogenkamp eine Lizenz für Zürich geben. Das Problem ist weniger, dass die aktuellen Zahlen schlecht sind, das eigentliche Problem sind die Aussichten für die kommenden Jahre. Sehr viele vermarktete Blogs werden nicht mehr grösser, das zu erwartende Wachstum beim Umsatz wird also nicht so stark ausfallen, dass es oberhalb der Fixkosten sehr viel mehr zu verdienen gibt.

Vielleicht sollten sich die Leute also mal eine grundsätzliche Frage stellen: Gibt es überhaupt einen Markt für Werbung in Blogs, ist das Angebot ordentlich entwickelt, und wenn nein, was würde es kosten, das zu tun, und lohnt es sich dann? Übertragen würde ich das Bloggen vielleicht mit einem Bergbau vergleichen: Lobo und Co. glaubten, dass das gewonnene Erz hohe Marktpreise erzielt, eine einzigartige Qualität hat und da noch viel mehr zu finden ist. Nun sind die Marktpreise aber wegen des Überangebots und der Finanzkrise nicht mehr so gut, die Einzigartigkeit wird vom Markt nicht erkannt, und recht viel mehr gibt das Bergwerk auch nicht her. Das ist natürlich blöd, wenn man im Jahr davor Sturzbäche von Geld versprochen hat, das nervt Investoren , Beteiligte und diejenigen, die daran glaubten. Aber hey, der wilde Westen ist voller aufgelassener Goldminen, und es sind und waren Werber, die das grosse Geld versprachen. Lobo bohrt längst woanders.

Das sollte einem zu denken geben, und die Entscheidung für das Kellnern leichter machen.

3.4.2008 | 10:51 von DonAlphonso

Lobo, Passig, ZIA und warum das mit dem Profibloggen nichts wird

Seit November letzten Jahres versucht der Gräfe und Unzer Verlag, bekannt vor allem für seine Kochbücher, etwas erstaunliches: Aus den an und für sich gut laufenden Blogs einiger seiner bekannten Autoren eine modische Community zu formen, die eher schlecht bis miserabel läuft: Küchengoetter.de. Die zum Einstand gleich mal mit seltsamen AGB und Rechten an ihren Rezepten und denen der User auffielen.

Dabei hätte es auch ganz anders werden können. Denn was man so hört, soll G+U alles andere als knickrig sein, wenn es um das Füllen ihres Communityblogs durch dritte geht. Oder genauer, in diesem Fall, die sogenannten Gastautoren, die mit grossem Trara Anfang Januar angekündigt wurden. Nachdem der Werbevermarkter Sascha Lobo der Berliner, sagen wir mal Gruppe ZIA dort konzeptionell mitarbeitet, gelangte man wohl auch an die Autorin Katrin Passig, die für Küchengötter hübsche, wohlformulierte Texte schreiben sollte:

Kathrin Passig ist Geschäftsführerin der Zentralen Intelligenz Agentur, Tierforscherin in der Riesenmaschine, Trägerin von Preisen (von Ingeborg Bachmann bis Adolf Grimme), Bestsellerautorin – kein Wunder, dass sie nicht zum Kochen kommt. Darüber schreibt sie für uns

Aber – sie kommt nicht nur zum Kochen. Auch mit dem Schreiben hapert es wohl. Anders gesagt: Man hat in Berlin wohl eine etwas andere Arbeitsauffassung als beim Münchner Verlag, und die Initiatoren von Kuechengoetter, namentlich Sebastian Dickhaut, fanden das wohl nicht so arg doll. ich weiss es, weil Dickhaut seinem Ärger vor einem Monat öffentlich Luft gemacht hat:

In den Anfängen von Küchengötter.de saß Kathrin Passig einmal in München mit uns am Tisch. Das kam so, weil die Zentrale Intelligenz Agentur uns bei diesem Portal berät und sie dort die Geschäftsführerin ist. Die sie uns ebenso wenig gab (Sascha Lobo war auch da) wie die Grimme- oder Bachmann-Preisträgerin und was sonst in den Klappentexte ihrer Bestseller steht. Sie gab uns nicht mal die Peitsche, sondern strickte mit Freude an Ideen für unser Portal.
[…]
Kathrin Passig deutete aber an, dass sie mal langsam mit dem Kochen anfangen müsse. Und da schreibt sie dann einen Blog bei uns drüber, dachten wir, „Passigs Passivküche” oder so. Als wir das Wochen später auch aussprachen (natürlich nicht den Arbeitstitel), fand sie das gut und wir machten gleich Werbung damit.

Seitdem warten wir. Sehen das Lexikon des Unwissens zum Bestseller werden. Spielen mit ihr bei Tough and Guy mit. Erhalten via Lobo positiv gestimmte Lebenszeichen und einmal eine persönliche Mail, in dem es um die Anschaffung des neuen Herdes geht, schon dieser Text ein kleine Perle, aus der wir aber nicht zitieren wollen – sie hat einen guten Agenten.

Irgendwann kam die Bitte, ihr doch mal den Zugang zu unsrem Blog frei zu schalten. Auweh, dachen wir, und wenn sie jetzt in der Nacht zum Valentinstag einen Text reinstellt? Wie sagt man einer Bachmann-Preisträgerin, dass wir sie wegen „Alles schmeckt so rosarot” erst mal wieder runter nehmen mussten? Das geht gar nicht für Fans wie uns und diese und wir beschlossen, Kathrin Passig ein eigenes Blog zu geben, eine Küchengötter-Wohnküche mit allem Pipapo. Womit wir ihr erstmal ein schönes Fallbeispiel für ihr neuestes Buch (mit Sascha Lobo) schenkten, in dem es darum geht, wie durch Abwarten und Nichtstun alles besser wird (weiß da jemand einen Link?).

Seitdem warten wir wieder. […] Und wenn Ihr was hört, könnt ihr es uns gerne schreiben. Und wenn Ihr Kathrin Passig seid, natürlich ganz besonders.

Passig antwortete darunter in einem wirklich lesenswerten Kommentar, dass sie anders bloggen wolle als G+U, der nachhaltig erklären dürfte, warum es so viele Vorbehalte gegen die Zusammenarbeit mit Bloggern seitens der Wirtschaft gibt: Offensichtlich kaum Zeit, sie wolle einen eigenen Zugang, und als der nicht kam, hat sie es wohl einfach bleiben lassen.

Seitdem wartet Gräfe und Unzer wieder. Einen ganzen Monat. Bis jetzt. Und gerade jetzt sitzt Sascha Lobo in Berlin auf der Re-Publica und erzählt, wie man mit Blogs Geld verdienen will. [Edit: Wie ich gerade sehe, ist Lobo nicht auf dem entsprechenden Podium zum Thema Geld verdienen. Tja.] [Edit2: Jetzt isser da.] Offensichtlich mit Verlagen, die ziemlich langmütig sind, wenn leistungen nicht erbracht werden.

2.4.2008 | 14:05 von DonAlphonso

Die kritische Masse und die Farben-Partner von der Telekom

Morgen Nachmittag kann man sehen, wie weit es beim Werberkongress der Re-Publica in Berlin eigentlich mit dem Motto “Die kritische Masse” ernst gemeint ist.

Denn einerseits haben wir hier und hier den Versuch der Telekom, das amerikanischem Blog Engadget von deren Seitenfärbung in Pink/Magenta abzubringen, weil die Telekom der Ansicht ist, auf die Farbe ein Recht zu besitzen. Der – meines Erachtens – Irrsinn, die die Telekom da seit Jahren auf dem Rücken von Websitebetreibern und Firmen austrägt, geht global in eine neue Runde und erreicht jetzt auch Blogs, die sich in solidarisch mit Engadget ebenfalls in Magenta einfärben.

Wenn sie nicht gerade zufällig mit der Telekom in ein Veranstaltungsbett steigen. Wie eben die Re Publica 08 in Berlin, auf der die Telekom als “Partner” der veranstaltenden – offensichtlich nichtpinker – Bloggervermarkter auftritt. Dort darf sie morgen zwei Stunden lang ihr Developerportal vorstellen, mit dem angesichts obigen Auftretens fast schon apodiktischen Motto “Partner-Workshop: Telekom meets Web 2.0”. Zu einem Promo-Video eines Mitarbeiters des Kongressveranstalters “New Thinking” heisst es dann auch im angenehmen publizistischen Umfeld direkt unter der durchgereichten Veranstaltungsinformation (http://re-publica.de/08/2008/03/28/partner-workshop-telekom-meets-web-20/):

Im Vorfeld der re:publica hat Andreas Gebhard ein Interview mit Bianca König über das Engagement der Deutschen Telekom im Bereich Social Software gemacht

Allerdings feht da ein Wort über das Wüten der Telekom wegen “ihrer” Farbe. Von einer kritischen Bloggermasse würde man vielleicht erwarten, dass sie die Telekom nach der Geschichte fristlos vor die Tür setzen, statt ihr weiterhin ein, sagen wir es deutlich, bezahltes PR-Forum zu bieten. So zwengs Solidarität mit Bloggern und Aufzeigen, dass man sich nicht von Alles und Jedem kaufen lässt. Aber hey, wer wie die Veranstalter Werbung für Yahoo schaltet und das ok findet, wird sich doch von sowas nicht den Partner vergraulen lassen – noch dazu, wenn es der einzige ist.

2.4.2008 | 2:22 von DonAlphonso

Johnny Haeusler, Mercedes Bunz, Adical, der Tagesspiegel und die Qualität der Gefälligkeitspresse

Thomas Knüwer bedauert hier wortreich, dass die Qualitätsdebatte zum Journalismus und Blogs auf der Blogvermarktermesse re:publica in Berlin ohne blogkritische Journalisten stattfindet, und damit nur Blogbefürworter auf dem Podium sässen: Er selbst, Mercedes Bunz, die Chefredakteurin von tagesspiegel.de, und Stefan Niggemeier:

finde ich das traurig, wenn nicht gar erbärmlich, vielleicht sogar feige. Denn was hätte den passieren können? Eine harte Diskussion hätte es geben können, sicher. Aber sollten Journalisten nicht in der Lage sein, ihre Meinung öffentlich zu diskutieren, ja, kann man nicht verlangen, dass sie sogar bereit sind, für ihre Meinung zu streiten?

Niggemeier und Knüwer sind bei solchen Debatten schnell bei der Hand, wenn es darum geht, Journalisten Fehlverhalten zu unterstellen, Gefälligkeiten anzuprangern und versteckte PR aufzudecken. Und deshalb verstehe ich das Bedauern nicht, denn mit Mercedes Bunz auf dem Podium und dem Werbevermarkter Johnny Haeusler als Veranstalter sind zwei Figuren anwesend, an denen man die Erosion von Standards in Blogs und Journalismus wechselseitig wunderbar aufzeigen kann.

Für beide könnte es besser laufen. Haeuslers Blogvermarkter Adical hatte im erstebn Jahr seines Bestehens mehr als die Hälfte der Zeit keine Bannerschaltung, nachdem zuvor schon die Idee eines Blogverlags in die Binsen ging. Selbst prominente Adicalteilnehmer wie das nicht besonders ausgelastete Bildblog, bei dem Stefan Niggemeier mitarbeitet, zeigten mehrfach Werbekampagnen ausserhalb von Adical. Tagesspiegel.de ist sowas wie der lahme Gaul der überregionalen Nachrichtenseiten im Netz: Seit einem kurzen Aufschwung nach dem Relaunch der Seite bis September 2007 sind die Nutzerzahlen auf einem sehr niedrigen Niveau, und vom Boom der Nachrichtenseiten kann das Projekt nicht profitieren.

Als Haeusler über Adical Werbung für Yahoo – und damit einen Unterstützer des Regimes in China für dessen kampf gegen kritische Blogger – schaltete und die Kritik daran nicht so schnell verstummte, wie man sich das seitens Adical gewünscht hätte, wurde die bloggende Mercedes Bunz von Haeusler als beratende, kluge Frau in seiner Rechtfertigung angeführt (http://www.spreeblick.com/2007/06/13/china-und-das-internet/). Als PR-Autor für die CeBit besuchte Haeusler die Pressekonferenz zum Start von Zoomer, dem Schwesterprojekt von Tagesspiegel.de, und stellte Bunz ein paar ausnehmend gefällige Fragen, wie man das für ein PR-Projekt auch erwarten kann (http://01blog.de/2008/02/20/videocast-05-mercedes-bunz-und-ulrich-wickert-von-zoomerde/). Haeusler erklärt sein Vorgehen in den Kommentaren so:

Wenn man mit “härteren” Frsgen anfängt, machen die Leute ja auch gerne mal dicht, das will man auch nicht. Vor allem: Was wären “harte” Fragen gewesen bei einem Portal, das gerade erst gestartet ist und das im Grunde keine völlig schlechte Idee ist – ich denke, ob zoomer tatsächlich was kann, wird man erst in den nächsten Monaten sehen.

Untertarifliche Bezahlung der Mitarbeiter bei Zoomer etwa hätte man da anbringen können, oder technische Probleme, oder generell die Probleme von tagesspiegel.de, aber wer wird denn bei Freunden – die anschliessend auf dem eigenen Kongress auftreten. Und auf deren Website sich dann ein “PORTRÄT JOHNNY HAEUSLER BLOG-PIONIER” findet, das ähnlich schmeichelhaft und zuvorkommend wie die Zoomerplauderei ist (http://www.tagesspiegel.de/meinung/kommentare/;art141,2505082):

Im vergangenem Jahr gründeten Deutschlands Blogger gar eine eigene Konferenz – die „re:publica“. Zum zweiten Mal treffen sich die deutschen Chefblogger nun in Berlin zu etlichen Podiumsdiskussionen. Dabei geht es vornehmlich um die eigene Zunft, um „die kritische Masse“. Johnny Haeusler, der Blog-Pionier, ist Mitbegründer der Konferenz.

Vielleicht geht es tagesspiegel.de so schlecht, weil die Leser nicht auf Schleichwerbung scharf sind. Der gleiche Autor des Tagesspiegel hatte sich auch schon früher bereitwillig als PR-Sprachrohr für die Sicht von Adical, angeblich das Opfer einer “Schlammschlacht”, hergegeben (http://www.tagesspiegel.de/medien-news/Blog;art15532,2385853).

Süddeutsche Zeitung, FAZ und Bild werden von Niggemeier und Knüwer für weitaus weniger Verbindung von privaten, kommerziellen und journalistischen Interessen runtergeputzt. Die Beziehungen zwischen Bloggern und Journalisten liegen in diesem Fall auf der Hand, eine Berliner Clique tut sich gegenseitig Gutes, es zeigt, wo kommerzielle Blogs und Journalismus heute stehen: Ziemlich weit weg von der Qualität, die sie dem jeweils anderen so gerne absprechen. Und in diesem Fall absolut zurecht. Bunz sollte heute auf dem Podium eine schwere Zeit haben – wenn da oben kein Journalist sein sollte, der nicht selbst ein gesteigertes Interesse daran hätte, dass der Vermarkter seiner Blogs medial möglichst gut rüberkommt.

Als Chefblogger der kritischen Masse.

31.3.2008 | 20:00 von dogfood

Castrolturfing

[Bitte um Beachtung, dass dieser Blogeintrag nicht von Don Alphonso, sondern dogfood/Kai Pahl stammt, der als Mit-Herausgeber des Blogs-Buch in blogbar.de involviert ist, wenn auch nur noch selten. Dieser Blogeintrag ist leicht umformuliert auch auf meinem anderen Blog allesaussersport.de erschienen -Kai]

Astroturfing – Der Begriff Astroturfing bezeichnet – insbesondere im amerikanischen Sprachraum – Public-Relations- und kommerzielle Werbeprojekte, die darauf abzielen, den Eindruck einer spontanen Graswurzelbewegung vorzutäuschen. Ziel ist dabei, den Anschein einer unabhängigen öffentlichen Meinungsäußerung über Politiker, politische Gruppen, Produkte, Dienstleistungen, Ereignisse usw. zu erwecken, indem das Verhalten vieler verschiedener und geographisch getrennter Einzelpersonen zentral gesteuert wird.

Aus der Wikipedia.

Letzten Dienstag bekamen ich und mindestens ein weiterer Blogger eine etwas kuriose Mail. Mit einer polnischen Mailadresse wies eine “Sylwia” auf ein deutsches Blog hin, das sich mit Statistiken zur anstehenden Fußball-Europameisterschaft 2008 befasste. Nicht irgendwelche Statistiken, sondern Zahlenmaterial das von dem Schmiermittel-Hersteller Castrol aufbereitet wurde. “Sylwia” schrieb, man habe eine “persönliche Beziehung” (O-Ton) zu den Machern bei Castrol aufbauen können und es sollen EM-Fan-Artikel und Tickets verschenkt werden. Wenn man noch Frage habe oder über das Blog oder das Zahlenmaterial sprechen wolle, könne man einfach mit einer Mail antworten.

“Sylwia”.

Kein Nachname.
Kein Agenturname.
Keine Adresse.
Keine Telefonnummer.
Nichts.
Nada.

Das sind die Momente wo meine Bullshit-Detektoren Alarm schlagen.

Ein Blick auf die genannte deutsche Website: kein Impressum. Der Name Castrol tauchte in jedem zweiten Blogeintrag auf, war in der Navigation mehrfach verlinkt. Die Blogeinträge nicht namentlich gezeichnet. Viele Bezüge auf andere Blogs. Fishing for Backlinks? Die polnische Website von der die eMail-Adresse stammt, war ähnlich aufgebaut: EM 2008, Castrol, Castrol, Castrol, keine Namen, keine Macher, kein Impressum.

Es roch drei Meilen gegen den Wind nach Astroturfing oder mieser Schleichwerbung.

Per WHOIS bzw. Denic ließen sich die deutsche und polnische Domains über den Umweg der unbekannten Agentur “Clicking Edge Consultancy” auf den Geschäftsführer der Designagentur Blue2 Design zurückführen, die wiederum der Marketingagentur Charlton angeschlossen ist.

Das schien die Bullshit-Detektoren zu bestätigen: hier war PR-Schmu im Gange. Mit oder ohne Wissen von Castrol? Ich antwortete “Sylwia”:

Willst du vielleicht noch einen zweiten Anlauf nehmen und etwas mehr ins Detail gehen? Und zwar ohne “tarnen & täuschen”, sondern richtig auf die Karten “Transparenz” setzen?

Die Antwort kam einen Tag später. Wieder ohne Nachname, Telefonnummer, Kontaktadresse, Firmenangabe, Agenturnamen. Aber dafür mit der Bestätigung, dass die Websites von Castrol gesponsort werden. Neben der Lobpreisung des Castrol-Zahlenmaterials fiel auch das Eingeständnis, dass die Blogs noch nicht die gewünschten Besucherzahlen hatten und daher andere Blogger angeschrieben wurden.

Daraufhin schickte ich eine Anfrage an die Presseabteilung von Castrol Deutschland. Sechs Fragen die sich darum drehten, wer die zuständige Marketingagentur sei, ob diese offiziell im Auftrag von Castrol handele und wie Castrol zu Transparenz bei PR-Maßnahmen stünde, insbesondere in diesen konkreten Fall.

Ich bekam einen Tag später eine Antwort, nachdem Castrol Deutschland sich noch einmal beim Mutterhaus in England erkundigen musste.

1/ Die Agentur ist 1000heads Ltd.. Die Website von 1000heads besitzt nur eine Telefonnummer, aber keine Adresse. Domaininhaber ist oben erwähnte Marketingagentur Charlton. In der eMail-Antwort von Castrol legt 1000heads Wert auf die Feststellung, dass eMail als primärer Kommunikationskanal verwendet wird und Telefonnummern, Instant-Messaging-Adressen etc… erst auf Nachfrage genannt werden.

2/ Castrol sponsort die Blogs, erklärt sich aber nicht für die Blogs verantwortlich. Diese würden alleine von 1000heads produziert werden.

Wie es auf der Website von 1000heads unter “Ethik” gemäß einer Selbstverpflichtung von versch. Agenturen so schön heißt:

Honesty of Relationship

We practise openness about the relationship between consumers, advocates, and marketers. We encourage word of mouth advocates to disclose their relationship with marketers in their communications with other consumers. We don’t tell them specifically what to say, but we do instruct them to be open and honest about any relationship with a marketer and about any products or incentives that they may have received.

We stand against spam, shill and undercover marketing, whereby people are incentivised to make recommendations they don’t believe in.

We comply with regulations that state: “When there exists a connection between the endorser and the seller of the advertised product which might materially affect the weight or credibility of the endorsement (i.e., the connection is not reasonably expected by the audience) such connection must be fully disclosed.”

Es ist ziemlich offensichtlich dass dies hier nicht der Fall war. “Sylwia” hat sich auch auf Nachfrage als gar nichts ausgegeben. Von einer Agentur oder einem Auftraggeber nicht die Spur. Die Verbindungen zwischen den Blogs und Castrol wurden anfangs als “persönliche Beziehung” umschrieben und erst auf explizite Nachfrage als Sponsoring bezeichnet. Auf der Website war nirgends eine Auszeichnung des Sponsors zu erkennen und damit für den Besucher nicht klar, aus welchen Interessenslagen heraus, die üppige Erwähnung der Castrol-Statistik-Website geschieht.

Die obige Selbstverpflichtung ist mit Verlaub der reinste Bullshit, wie auch die Antwort von 1000heads zeigte, die in der eMail an Castrol nicht auf den konkreten Fall einging.

Mitte Januar kontaktierten mich ebenfalls aus England Ogilvy PR Worldwide um Astroturfing in Sachen Gebärmutterhalskrebs zu betreiben. Ich bekam nicht nur unaufgefordert eine ellenlange eMail. Die Agentur hakte per Telefon aus London noch einmal nach ob das Thema für mich und das andere Blog interessant sei. Ich verneinte. Der Rest floß in diesen blogbar-Blogeintrag von Strappato ein.

Drei Monate später nun die nächsten PR-Honks von der Insel. Dies ist wohlgemerkt kein Versehen gewesen. Blogs, eMail und Webauftritt der Agentur sind nach dem Prinzip “Tarnen und Täuschen” angelegt worden.

Ich fühle mich hintergangen, wenn sich jemand mit Täuschungsmanöver versucht, bei mir Aufmerksamkeit und Links zu generieren. Es zerstört Vertrauen, wenn man sich angewöhnen muss, hinter jeder eMail-Anfrage kommerzielle Ansinnen zu vermuten. Und natürlich bin ich durch solche Geschichten gegenüber PR-Agenturen nicht aufgeschlossener geworden. Sortiert endlich eure schwarzen Schafe aus und haltet euch an eure eigenen Selbstverpflichtungen! Wenn die PR nicht anfängt Selbstreinigungsprozesse in Gang zu setzen, müßt ihr euch nicht mehr wundern, wenn ihr nur noch als Bodensatz behandelt werdet.

Zumindest Castrol Deutschland muss ich etwas in Schutz nehmen: sie haben sich professionell verhalten. Es gab noch am Tag meiner Anfrage eine erste Rückmeldung und einen Tag später die weitergeleitete Antwort aus England. Die Blog-Aktion ist offensichtlich aus England gesteuert worden.

Und als Kirsche oben drauf das schlechte Gewissen. Zum Vergleich ein Screenshot vor (oben) und nach dem Wochenende (unten).
[1] Sponsorenhinweis
[2] Sponsorenhinweis
[3] Impressum mit Adresse der 1000heads Ltd., aber ohne ViSdP.

27.3.2008 | 23:54 von DonAlphonso

Tobias L., der Spammer von Whatsyourplace

Das Geschäftsmodell von “Whatsyourplace”, virtuelle Grundstücke in Deutschland auf Basis von Google Maps zu verkaufen und dann auch noch bei einem “Grundbuchamt” eintragen zu lassen, macht auf mich nicht den Eindruck, als habe die dahinter stehende Value Maps GmbH einen Anwalt konsultiert. “Sittenwidrig” ist ein Wort, das mir da einfällt, und “Urheberrecht” ein zweites, wenn man sieht, mit welchen “Objekten” da geworben wird. Aber das ist jetzt nicht mein Problem.

Mein Problem ist der Spam, mit dem der Geschäftsführer Tobias L. der Value Maps GmbH. Klausenburgerstr. 9 in 81677 München auf Deppenfang in der Blogosphäre geht. Unverlangt schickt er diese mit dem Namen des Angeschriebenen individualisierte Massenmail an Blogger:

Hallo (Name),

ich möchte Dich in dieser Mail auf die Entwicklung von WhatsYourPlace – reale Orte virtuell kaufen – aufmerksam machen. Da Du häufig über verwandte Themen schreibst, ist das vielleicht was für Dein Blog? Also, mal kurz Werbeplatte an (wenns denn gestattet is ;-) ):

Nachdem genau das im deutschen Rechtsraum eigentlich nicht erlaubt ist, können Empfänger dieser Mail gegen den Herrn L. und seine Firma mit Abmahnungen vorgehen, zumal ihm offensichtlich bewusst ist, dass er hier nicht mal eben auf eine Tasse Tee vorbeischaut. Angesichts des nun wirklich lausigen Geschäftsmodells, das in etwa so menschenfreundlich wie 9live, Klingeltonabos und geschmierte Gefälligkeitsinterviews ist, vielleicht nicht die dümmste aller Ideen. Dann Jedenfalls sicher nicht dümmer als pseudopersönliches Geschleime und diese elende Duzerei, ohne dass er einem vorgestellt worden wäre.