24.10.2007 | 19:30 von DonAlphonso

Die grosse Illusion des Bürgerjournalismus

Eigentlich hätten am letzten Montag gleich zwei grössere Medienprojekte mit Beteiligung und Einladung von Bloggern online gehen sollen, und beide haben den Termin – mal wieder – nicht eingehalten. Beide werden von Bloggern mitverantwortet, und beide sind aus den älteren und neueren Pleiten derartiger Versuche – Projekte wie bequeen und Freundin von Burda, germanblogs von Holtzbrinck, readers-edition der Netzeitung, um nur mal ein paar besonders missratene Versuche anzusprechen – offensichtlich nicht klüger geworden. Die Idee, den Bürger zum Journalisten zu machen, ist nämlich eine der Vorstellung, von der man sich mit Blogs verabschieden kann.

Zumal, wenn es darum geht, ihn an der Grenze der Sittenwidrigkeit praktisch nicht zu entlohnen und dafür bei rechtlichen Problemen im Regen stehen zu lassen, wie das in diesen Fällen wohl geplant ist. Bliebe als einzige Motivation, schreiben zu dürfen, bei einem mehr oder weniger bekannten Medium oder der de facto Verbandspostille ostelbischer Nichtmehrnazijunker, was immer das sein mag *hust*. Klingt in der Theorie der Powerpoints gar nicht mal so schlecht, wenn man nicht weiss, dass diejenigen, die es da vorne verbreiten, keine Erfahrung mit Bürgerjournalismus haben.

Es ist jedoch so, mit dieser – bisher im linken politischen Spektrum durchaus bekannten – Form des engagierten Schreibens und Radio Machens: Es funktioniert nur sehr begrenzt. Dass es überhaupt funktionierte, liegt daran, dass es praktisch keine andere Möglichkeit gab, das finanzielle Risiko eines Medienbetriebs zu tragen. Man muss sich also zusammentun, um es überhaupt zu stemmen. Von der ersten Minute an sind solche Projekte engagierter Menschen aber durch Konflikte bestimmt, die sich aus eben jenem Engagement speisen. Da geht es dann um politische Linien und Grabenkämpfe, um Qualitätsvorgaben und deren Nichteinhaltung, und alles und jeder betont, dass man ja aufhören oder gehen könne, wenn es nicht passt. Das Aufhören wäre jedoch definitiv, mangels Alternativen, also frisst man bei derartigen Betätigungen lange in sich hinein, bis man entweder resigniert, ein totalitäres Scheusal an der Spitze mit ein paar Handlangern ist, oder eine Alternative findet, die einem das Publizieren mit vielleicht etwas besserem Angebot erlaubt. Davor ist die monopolartige Stellung der Bürgermedien der Kitt, der so ein unstabiles System zusammenhält, das eben nicht die Alternative Bezahlung bieten kann oder will. Nur äusserst erfahren Alternativprojekte sind bslang in der Lage gewesen, gute Leute für lau langfristig zu halten, und dort gab es dann meistens ein paar andere positive Aspekte, Freiheit des Ausdrucks beispielsweise.

Der grosse Unterschied zum Internet ist, dass es die Bedrohung durch Publikationskosten oder die Einschränkungen durch alternative Medienbesitzer oder Mobs nicht mehr gibt. Es ist hier nicht mehr nötig, sich solchen Strukturen unterzuordnen, und wer es nicht glaubt: Es macht auch fast keiner. Man betrachte nur mal das weitreichende Blogkrepieren bei der taz, die von allen Alternativmedien in Deutschland vielleicht die besten Möglichkeiten und Plattformen haben könnte, aber eben doch nicht anzieht: Weder bei möglichen Autoren, noch bei den Lesern. Und dabei wendet sich die taz gezielt an Leute, die etwas bewegen und artikulieren wollen.

Ich kann mir auch aus meiner eigenen Erfahrung schon vorstellen, dass man gewisse Teilbereiche theoretisch bürgerjournalistisch machen kann. Beispiel Rezensionen: Immer vor Weihnachten häufen sich die Anfragen bei den Verlagen für Hochwertiges, das ändert sich auch nicht bei angeblich linken Medien. Wo es was zu holen gibt, findet sich immer einer, der zum Mitmachen bereit ist. Dunmmerweise kollidiert das aber mit den Interessen der Anzeigenabteilungen, die es eben nicht auf den Prachtband allein abgesehen haben, sondern auf die Werbung dafür, und die einen abgeschriebenen Waschzettel stets angenehmer empfinden, als eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema. Ansonsten stehen auch Bürgerjournalisten unter dem gleichen Quotendruck wie alle anderen Medienmacher: Um als einigermassen klassisches Medum halbwegs zu funktionieren und beim Leser akzeptiert zu werden, muss ein Medium auch von Bürgern mehr liefern, Qualität, Recherche, Wissen, also genau das, was man bei einer halbprofessionellen Plattform wie Westropolis und Co. schon bei sog. “echten” Journalisten schmerzlich vermisst.

Irgendeinen besonderen Anreiz werden Medien ihren Lesern bieten müssen, um zu erklären, warum man unter ihrem Joch die Verlagskarre engagiert, verlässlich, ohne Bezahlung und Absicherung ziehen soll – wenn man nicht gerade ein anderweitig bezahlter PR-Schreiber, eine blöde Kuh oder ein Hornochse ist. Und ich wage die Prognose, dass verlagseigener Bürgerjournalismus an dieser Frage in Deutschland scheitern wird: Denn wer will, verzichtet auf Redakteure, Anweisung und Druck, und macht selbst ein Blog auf. Dann muss man auch nicht 5 Verschiebungen warten, bis der Laden endlich läuft.

23.10.2007 | 13:44 von DonAlphonso

Interessanter Gedanke zur Relevanz

von Urs Schäuble aus den Kommentaren:

Für mich bringt das die Tragik der blogs in Deutschland ganz gut auf den Punkt. Dass da die Gatekeeper-Funktion der etablierten Medien und Verlage mit all ihren Manipulationen wegfällt, jeder schreiben kann was er will und alle es lesen und … es nützt gar nix. Es interessiert gar keinen, was diese vormals unterdrückte und nun endlich befreite “Gegenöffentlichkeit” zu erzählen hat. Und da dämmert einem dann, dass Substanzhaltigkeit von Texten und die Zwänge der Struktur, in der sie entstehen, in einem schwer beschreibbaren aber nichtsdestoweniger vorhandenen Verhältnis zueinander stehen müssen. Oder anders gesagt: Hätte Grass je seine “Blechtrommel” schreiben können, wenn er als “Blogger” begonnen hätte? Substanz kann dort entstehen, wo Geist auf den Widerstand der Welt prallt.

Nun kann man ja nicht jedem vorwerfen, dass er ein substanzloser Kuschelblogger ist (oder geworden ist), aus dem Bloggen entstehen durchaus Bücher und viele lesenswerte Texte, aber ganz unrecht, meine ich, hat Urs damit nicht. Eben weil so viele lieber mal einen Haufen miese PR für Trigami, Ebay oder Billigplörre schreiben, um mal das negative Extrem vorzustellen, weil es halt der einfachste Weg ist, das, worauf man Lust hat.

22.10.2007 | 14:55 von DonAlphonso

Abgründe des Blog-Marketings

Kein Witz, das ist aus einer Mail einer schwäbischen Web2.0-Klitsche an mich:

ich würde gern wissen, wie man denn bei Ihnen einen Blogeintrag veröffentlich kann?
Wir hätten auch Interesse daran, etwas über uns zu schreiben, wenn dies möglich wäre.

Über eine baldige Antwort würde ich mich sehr freuen.
Ein schönen Tag noch.

Mit freundlichen Grüßen

xxxxx xxxxx
Apprentice to Marketing

Offenbar klauen solche Leute lieber nur die Email-Adressen zusammen, statt sich auch nur 5 Minuten mit den Blogs auseinanderzusetzen, die sie gern als kostenlose Plattformen für ihre PR-Scheisse haben möchten.

18.10.2007 | 21:43 von DonAlphonso

Und ihr wundert Euch, dass es euch schlecht geht?

Mal ganz im Ernst, ohne jede Gehässigkeit oder Schadenfreude und Nachtreten, Robert und Rene: Klar ist Bloggen Ende 2007 für einige, die es schon länger machen, nicht mehr das, was es mal war. Bloggen ist immer individuelles Erleben des Schreibens, und wenn sich die Rahmenbedingungen ändern, ändert sich eben auch das Gefühl.

Für manche sind Klickzahlen und Verlinkungen die Regeln des Spiels. Für manche ist es ein Drama, wenn Witzseiten wie Technorati und Blogcharts kleinere Zahlen ausweisen, denn daran machen sie die Bedeutung fest. Es geht – zumindest partiell – also nicht mehr um das Schreiben an sich, sondern um die Reaktion des Publikums. Das ab und zu nicht mehr so viel debattiert, das neue Attraktionen findet, das man winkelmässig erbärmlich mit kleinen Linkspamparaden bei Laune halten muss, wenn man es nicht anders kann und nötig hat. Dann ist der Katzenjammer gross, besonders, wenn es bei der Sache auch noch um das Verdienen geht. Und es ansonsten keine anderen Beweise für die Relevanz des eigenen Tuns gibt. Also definiert man sich und sein Schreiben durch die Reaktionen anderer, morgen stehen wir vielleicht schon vor der Überlegung, wie die Süddeutsche Bildergalerien zu machen, das sind eben die Zwänge, wenn die Awareness zum wichtigsten Gradmesser des eigenen Tuns wird.

Es ist ja nicht so, dass dieses Rattenrennen andere nicht, hm, ab und an etwas nerven würde. Es soll Leute geben, denen ist das Schielen auf diese Zahlen ein wenig suspekt, die haben den Eindruck, dass es nur noch um das grosse Bruhaha geht, dass das Platte, Gängige, Gewöhnliche ein “Vorne” definiert und das dann erreicht, weil sie eben die meisten Links anderer Blogs haben, wofür man sich nicht mal einen Lutscher kaufen kann.

Und dann ist natürlich noch der Frust da, über Jahre vorne mitzuspielen in dieser Liga, und zu erleben, dass es sowas wie “Aufstieg” nicht gibt. Wachstumsschmerzen wie bei einem Startup, der Gedanke, was ist, wenn es immer nur so weiter geht. Wenn die Dynamik nachlässt. Oder ins Vergessen rutscht. Kann durchaus passieren; von den sich “Gross” wähnenden des Jahres 2003 ist heute – nach den Kriterien der Awareness – keiner mehr da.

Stellt sich also die Frage: Was ist falsch: Das Bloggen, weil manche glauben und fühlen, dass ein Hype durch ist und im Niedergang eine Modeerscheinung entlarvt wird? Oder vielleicht auch nur die Auffassung vom Bloggen als einem Rattenrennen hin zur individuellen Relevanz für das hoffentlich möglichst grosse Publikum, das im Vergeleich zur Gesamtzahl der Blogs und Blogleser möglichst gross sein soll?

Ich gebe ihnen recht: Bloggen mit dem Ziel Relevanz und Grösse ist am Ende der Entwicklung angelangt. Zumindest mit den Mitteln, die einzelne Blogger haben. Spreeblick, Bildblog, die Blogbar, all das hat einen maximalen Leserkreis, recht viel weiter kommt man nicht, eher wird es weniger. Verdientermassen, wenn ich das mal so deutlich sagen darf, es gibt keine Garantien auf vordere Plätze, nur die Garantie, dass nichts von Dauer ist.

Aber Bloggen als Möglichkeit zu schreiben? Warum soll das vorbei sein? Seit wann ist schreiben vorbei? Ein Blog, WordPress, Antville, das ist nur ein Haufen Software auf einer Siliziumscheibe, entscheidend ist immer, was man damit macht, und historisch gesehen ist die Möglichkeit des Schreibens, wenn sie eröffnet wurde, immer genutzt worden. Genauso wie das Lesen. Nur weil Gutenberg pleite ging, ist Buchdruck noch lang keine schlechte Idee. Nur weil Adical aus dem letzten Loch pfeift, kann man immer noch in das Internet schreiben. Und gerade wegen der Sinnkrise mancher Kommerzschreiber ist Schreiben vielleicht bald wieder besser denn je. Dann geht es nämlich wieder um das Schreiben. Und nicht um bescheuerte Zahlen.

17.10.2007 | 11:22 von DonAlphonso

Blogger – arriviert, geliebt und begehrt. Bäh.

Das hier ist eine öffentliche Absage an den Verlag Rommerskirchen.

Ganz ehrlich, das ganze Kongresstingeltangel, verbunden mit der fehlenden Kompetenz der Veranstalter, mal neue Stimmen aus der Blogosphäre zu finden, nervt. Inzwischen erheblich. Es werden immer die gleichen 10, 20 Hansel angesprochen, die immer angesprochen werden, und mittlerweile kann ich die Antworten auf die ahnungslosen Moderatoren vorher auf Tafeln schreiben und hochhalten, denn es ist immer das gleiche.

Kann man natürlich machen. Aber einserseits habe ich inzwischen bei diesen Shows den Eindruck, dass es nur darum geht zu zeigen, wie gut man die Blogger inzwischen gezähmt hat. Und Rommerskirchen kriecht nun schon seit Wochen auf einer breiten Schleimspur daher, erst mit der Bitte um einen ausgefüllten Fragebogen, jetzt mit Gesäusel für ihre Gespräche, und der Widerwille, den ich inzwischen bei solchen “Lasst uns doch auch mal mit so nem bekannten Blogger reden”-Einladungen habe, ist jetzt so stark, dass es raus muss. Klingt vielleicht nach Luxusproblem, und es gibt sicher Dutzende von Koofmichs, denen bei solchen Einladungen einer abgehen würde, aber in der Konsequenz ist das nichts anderes als der Versuch der Medien und Veranstalter, die Blogosphäre als Ganzes schubladenmässig wegzupacken. Da den vorlauten Vorzeigerebellen, da die aufrechten, aber öffentlich etwas maulfaulen Bildblogger, der vielleicht doch ganz gern auch Geld verdienen möchte, dann noch einen pleitengerosteten Kommerzdödel mit optischer Gaga-Blogcorporate-CI, fehlt eigentlich nur noch, dass alle auf dem Podium ihre Bücher in die Kamera halten.

Inzwischen ist das teilweise – bitte, nicht immer, aber in weiten Teilen tatsächlich – zu einer Art D-Promi-Schaulaufen verkommen, man sieht überall die gleichen Gesichter, man gibt sich die Klinke in die Hand, und was Neues kommt eh nicht dabei raus. Ich sage seit 4 Jahren, dass Medien an der Qualität was ändern müssen, die anwesenden Journalisten meinen, ich würde über ihre Gehaltserhöhung reden und die Verlagsmanager, dass man vielleicht so einen Blogger für 300 Tacken, um mal ein aktuelles Beispiel eines führenden Konzerns dieser Gagabranche zu erwähnen, ziehen könnte. Ich habe keinen Fernseher, ich weiss nicht, ob das Geschmonze da wirklich genauso ist, aber ich glaube, inzwischen geht das zu wie beim Interview von einem TV-Moderator mit fünf anderen Glotzdebilen. Es gibt in der Sache aber massenhaft Themen, die komplett ausgefiltert werden; wenn man sie anspricht, redet man gegen eine Wand:

Dass das hier draussen ein Kulturphänomen ist, beispielsweise. Auf den Podien habe ich bisher nur zwei Leute erlebt, die dazu was halbwegs Kluges geantwortet haben, beim Rest ist der Kulturbegriff entwickelt wie bei den iranischen Mullahs, und hat auch in etwa deren Horizont. Und so geht das immer in die gleichen Bahnen, und es soll dorthin auch gehen, denn so wird das ganze Geblogge da draussen berechenbar, man kann es verorten, es ist irgendwo aufgestellt und man hat den Pudding vermeintlich an die Wand genagelt. Und seinen Blogpromi auch mal da gehabt, den man vor ein paar Jahren noch doof fand, aber jetzt ist Web2.0 und wenn der auch noch kritisch ist, hat man den Metadiskurspflichtanteil auch noch abgekaspart.

Ich würde es gerne irgendwie höflicher sagen, aber

MACHT EUREN SCHEISS ALLEIN. Oder kauft Euch bei der bloggenden Resterampe der New Economy ein paar billige Pfeifen, oder lasst Euch mal was anderes einfallen, mit den vielen anderen spannenden Leuten, die es da draussen gibt.

16.10.2007 | 22:35 von DonAlphonso

Communities, das Viagra der Medienkonzerne

Ich war in den letzten Tagen selten online, und konnte meine Mails nur sporadisch durchschauen. Jetzt fand ich gleich drei mehr oder weniger dreiste Aufforderungen, doch bitte meine Daten und Informationen, und in einem Fall gleich auch noch ein Portrait, abzuliefern. Damit ist es an der Zeit, die Frage zu stellen: Wozu eigentlich?

Gibt es in Deutschland nicht schon genug Datenbanken? Glaubt da draussen irgendeiner, ich könnte mich, wenn ich wollte, nicht auch anderweitig vernetzen? Wozu sollte ich dazu die Krücken eines Verlages brauchen? Und warum soll ich Material liefern, dass dann von Urheberrechtsverletzern nach der Methode des Pleitier Peter Turi geklaut wird, bis man schlussendlich dafür sorgt, dass solche Figuren im Anwaltsbriefverkehr nur noch als “ehemalige Mitarbeiter” genannt werden? Und vor allem: Wieso sollte ich jemanden brauchen, der mir sagt, dass ich Mitglied werden soll?

Ganz allgemein gesprochen: Wenn ich parallel dazu sehe, wie Medienfirmen ihre Communities als wertgenerierend verkaufen, wie damit Gewinne erwirtschaftet werden sollen und wie man ein Mitglied bewertet, habe ich den Eindruck, dass alle miteinander das Fell eines Bären dreimal verkaufen, der bei genauerem Hinsehen noch nicht mal ein Heidelbär ist. Bestes Beispiel dafür ist vielleicht das Angebot des SPON “Einestages”, das Nutzer auf dem Weg zum Inhalt zu Klickorgien zwingt. Und wenn alle Communities ihre gewinnebringenden Zielzahlen erreichen, für Mütter, Hundebesitzer, Fashion Victims, muss ein Grossteil der Bevölkerung dauerklickend vor der Kiste sitzen.

Da ist sie also wieder, die alte Verlagsdenke vom Käufer, der von seinem einen Regionalmedium abhängig ist, sich in dessen Umfeld aufhält und sich davon von der Werbung bis zum abgetippten Politikerstatement alles vorsetzen lässt. Dafür spammt eine Firma wie Medien2 diverse Blogger, dafür werden Investitionsschwerpunkte verschoben, da erwartet man sich die Stickyness einer Hüpfburg für die Kleinen und Freibier für Papa. Vermutlich werden wir auch das noch sehen, die Einführung von Prämien für das Mitmachen, bis die Zeit der Konsolidierung kommt. Erste Anzeichen wie die nicht mehr besonders geförderten Communities der Flickrkopie bei Focus und Süeddeutsche.de sind schon jetzt erkennbar – und ich wage zu behaupten, dass sie es auch nach der kommenden Pleite nicht begreifen, dass man als Medium Nutzer nur hält, wenn man ihnen das an Information und Qualität gibt, was sie wollen.

12.10.2007 | 9:19 von DonAlphonso

Rivva und die Tücken der Technik (und möglicherweise auch die der Korruption)

Ich habe nicht viel übrig für Aggregatoren, die sich aus dem RSS-Feed der Blogs Inhalte für die eigenen, “übergreifenden” Seiten ziehen – beispielsweise die Schweizer Spammer von Blogbox, die wie viele andere Geld mit der Leistung anderer Leute verdienen wollen – oder besser gesagt, wollten. Bei der Plattform Rivva jedoch ist es was anderes, da wird nicht einfach Inhalt abgegriffen und verwendet, sondern versucht, anhand von Interaktion in der Blogosphäre relevante Themen zu gewichten und abzubilden. Der Entwickler Frank Westphal hat es so konstruiert, dass sich das Portal automatisch die wichtigsten Themen raussucht – und ist jetzt frustriert, weil nach einer gewissen Euphorie die Userzahlen sinken:

Gleichzeitig liegen meine Vorstellungen vom eigentlichen Wert eines Dienstes wie Rivva und die Wirklichkeit, die tatsächlichen Nutzungsmuster offensichtlich weit auseinander. Die Zugriffszahlen nehmen seit Wochen einen steilen Weg nach unten (und ich verstehe nicht, worans liegt …)

Dabei muss man nur mal schauen, welche Geschichten nach oben gespült werden, und welche nicht auftauchen. Die Blogosphäre hat jeden Tag viele schöne Geschichten aus dem Bereich “Tagebuch” und “Privates, aber aus irgendwelchen komischen Gründen tendieren Blogger dazu, diese Geschichten zu ignorieren und nicht zu verlinken. Es gibt einfach die seit Jahren unverrückbare Neigung, auf solche Texte nicht gesondert hinzuweisen. Das ist meines Erachtens dumm, weil es das Entdecken von Schönem enorm erschwert. Und es sorgt dafür, dass andere, die zwar für kein Fünferl schreiben können und keine eigenen Inhalte haben, die sich immer an PR und Medien hochziehen müssen, in den üblichen Charts ganz oben sind. Und nebenbei sorgt das auch dafür, dass diese Texte bei Rivva keine Chance haben

Chancen haben dagegen alle Formen von Linkgeilen – um das mal hart zu formulieren. Man muss sich Rivva nur mal jeden Tag anschauen, es sind oft irgendwelche PR-Texte von Startups oben. Bedanken kann sich Frank Westphal für diese Gülle bei Leuten wie Robert Basic, Jochen Krisch, Alexander Hüsing und dem Pleitier Peter Turi, die momentan versuchen, sich als Meinungsführer im Bereich Web2.0 zu etablieren, und deshalb an Links und Texten raushauen, was geht. Aktuell gerade vorne mit dabei: Ein Geschenkservice, von dem erzählt wird, dass er seine Reputation in gewissen Blogs durch mehr als nur nette Anfragen ergattert hat. Wenn in der zweiten Reihe dann noch die SEO-Bratzen ihre Linkorgien abziehen, wird so eine softwarebasierte Lösung wie Rivva eben unlesbar.

Kurz: Rivva ist, wie auch einige Beifall kaufende Startups, dem Fehler aufgesessen, dass Verlinkung automatisch Qualität bedeutet. Linkschleudern bieten nun mal keine Qualität, und die Linkanzieher sind auch nicht zwingend gut, aber genau das Platte, Hingewurschtelte, Abgeschriebene und populär ins Netz Gekotzte zieht es bei Rivva nach oben. Und deshalb verlieren die Leser meines Erachtens sie Lust an diesem Dienst. Weil Rivva nicht mehr findet, weil Rivva nur Oberfläche abbildet, die man an jeder Ecke der Blogosphäre bei den Linkstrichern auch bekommt.

Ich denke, die technische Lösung könnte eine prima Hilfe sein, sich überhaupt erst mal zu orientieren – und dann manuell die Dinge nach vorne zu ziehen, die wirklich gut, wichtig und neu sind. Einen Leistungsmesser für die Rattenrennen der PR-Abschreiber und Link-Stechschrittparadenbüttel brauchen vermutlich nur die, die von sowas profitieren – Qualität ist was anderes. Und leider ist sie, siehe die strategische Dummheit derjenigen, die schreiben können, schwer zu finden.

11.10.2007 | 4:22 von DonAlphonso

Mediokre Korrekturen an 10 Thesen des DFJV

Thomas findet die Initiative der Fachjournalisten gut, ich empfinde sie dagegen angesichts des real existierenden Journalismus mal wieder als arrogante Wortwichserei derer, die ums Verrecken Gatekeeper bleiben wollen und keinerlei Einsicht haben – alles prima Samba im Journa-Uganda. Konkret sehen sie sich so:

“Eine Prüfung der Inhalte ist obligatorisch, der Journalist bewahrt auch bei Blogs seine Gate-Keeper-Funktion.”

Danke, wer solche neuen Freunde hat, braucht keine Feinde mehr. Gatekeepen könnt ihr woanders. Deshalb hier meine daran angelehnten, aber korrigierten

10 Thesen zu Typen, die mich langweilen und mit denen ich hier draussen nichts zu tun haben will.

1. Zeitschriften sind keine Konkurrenz zu Blogs, sondern irgendwo zwischen ignorant und parasitär. Sie greifen in der Regel schon aus Kostengründen nicht auf die Infrastruktur von vollausgestatteten Redaktionen der sog “guten alten Zeit” zurück und sind daher auf Diebstahl bei Wikipedia und Abtippen von Pressemitteilungen angewiesen. Ein Ersatz der Blogs durch diese neuen Angebote kann schon deshalb nicht stattfinden, weil zahlreiche Medien sich einfach hirnlos beim dpa-Ticker bedienen und sich einen Dreck drum scheren, welchen Bullshit sie da veröffentlichen – Debatten finden dort nicht statt.

2. Zeitschriften können durch eigene Berichterstattung über Blogs nach ein paar Tagen oder Wochen die Blogkommentare ergänzen, wenn sie von den Blogs ernst genommen werden (Buahaha). Zudem können Zeitschriften Berichterstattungsfehler machen und so zur gesteigerten Bullshitverbreitung nicht besserer Blogger beitragen. Sie sind daher ein Raum für die unvermeidbaren Blähungen für Medienkonsumenten, aber das sind eben nicht zwingend Blogger.

3. Auch “Leserreporter” und “Leserfotografen” können ein journalistisches Angebot nur ergänzen, niemals ersetzen, solange man damit nicht besser Kasse machen kann – aber daran arbeiten die Verleger bereits. Dabei weist das Bildblog laufend darauf hin, dass die Leser bei ihren Einreichungen unter Umständen in Konflikt mit dem Presserecht geraten können, während diverse Portale fröhlich die Inhalte ihren Nutzer sittenwidrig abzocken. Es obläge der Verantwortung der Verlage, dies durch Prüfung zu verhindern, aber gut geklaut ist halb vermarktet, und den Consumer generated Content gibt es netterweise für lau.

4. Medien können als Quelle für Presse-Mitteilungen, minderqualitative Aufreger und notdürftiges Recherchemittel dienen. Naturgemäß ist dabei der käufliche Charakter, die lausige Arbeitsauffassung der Johurnaille und jede Form finanziell-politischer Einflussnahme zu beachten. Eine Prüfung der Inhalte ist obligatorisch, der Blogger, wenn er es mitbekommt, würgt dem Schreibslerpack beizeiten das Passende rein.

5. Obwohl Zeitschriften oft Meinungen der Werbepartner widerspiegeln, können Blogs dort auch Expertenwissen finden, wenn sie zu doof sind, in spezialisierten Fach-Blogs (Nur echt mit D-F-J-V-Deppen-Bindestrich) nachzuschauen. Diese Nischen sind auch ähnlich inkompetente oder abschreibende Fachjournalisten wertvoll.

6. Medien haben die Arschkarte mit den wirtschaftlichen und hierarchischen Zwängen des Verlagsbetriebs und verfolgen in der Regel kommerzielle Interessen. Damit bieten sie den nötigen Freiraum, den PR und andere brauchen, und der so gefügig ist, dass dieses Pack sich von der mitunter weniger netten Blogosphäre fernhält.

7. Durch ihre durch Abhängigkeiten bedingte Subjektivität eröffnen Journalisten Bloggern einen ungefilterten Blick (UV- oder Polfilter? Kann man Blicke eröffnen? Wer schreibt eigentlich so eine Scheisse? Fachjournalisten? Ah ja.) in den Zustand der Medien über aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen der Thinktank- und Prekariatsszene. Im Idealfall können Blogger jeden Herbstfrust schnell beenden und wieder wissen, wieso sie das Schreiben nicht denen überlassen wollen.

8. Journalisten lassen ihre Medien keinesfalls als Interaktionsinstrument mit ihren Lesern, Zuhörern und Zuschauern nutzen, deshalb gibt es weder Links noch Trackbacks, und auch immer hübsch gefilterte Kommentare ganz unten unter der Werbung. So kann der Journalist versuchen, den Dialog weiterhin klickgeil auf seine Seite zu ziehen. Durch miserabel gemachte Medienblogs meint der Journalist die Möglichkeit zu haben, auf dieser Plattform die “Geschichte hinter der Geschichte” darzustellen, bis er merkt, dass es keinen interessiert und der Verlag dem Schreiber damit zusätzliche Arbeit aufdrückt.

9. Der journalistische Nachwuchs kann bei entsprechender Bereitschaft von den neuen Publikationsformen Blog und Podcast profitieren, wenn er dumm genug ist zu glauben, dass er a) hier draussen einen Fuss auf den Boden bekommt und b) es fair ist, wenn er bei doppelter Arbeit auch nicht mehr verdient. Nachwuchsjournalisten können durch diese
Kommunikationsformen das Verfassen von Text-, Video- und Audiobeiträgen üben und entsprechende Erfahrung sammeln, die sie später beim Abtippen von PR, Einpflegen von dpa und den Neuigkeiten aus dem Polizeiticker nicht mehr brauchen. Gleichzeitig können sie von der direkten Reaktion ihres Publikums profitieren, dessen blöde Pinwandsprüche sie jedoch schon vom StudiVZ kennen,

10. Blogger sollten am Fluss sitzen und auf die vorbeitreibenden Kadaver warten, die Auflagenentwicklung und das Wegbrechen der jungen Leser reguliert das von selbst.

Mit Bitte um Kenntnisnahme zurück an den DFJV.