13.11.2007 | 9:43 von DonAlphonso

Prima Leben mit Blogs, aber ohne Medien

Auch, wenn man sich einen grossen Teil seiner Netzunterhaltung heute nicht mehr bei klassischen Informationstexten der Medienangebote holt, sei es, weil man in Communities Leute stalkt, dumme Gewinnspiele macht, erbärmliche Bildergalerien klickt oder ein Blog schreibt, kommt man um eine gewisse Grundversorgung durch Medien nicht herum. Blogs können in vielen Bereichen Geschichten anstossen und schneller sein; umfassend sind sie als Einzelkämpfer nicht, und das Zusammentragen ist weiterhin die Domäne der Medien.

Allenfalls bei Spezialthemen, wenn man so will, sind die Blogs ungeschlagen. Katzenbilder, dummdreister Web2.0-Hype und islamophober Rassismus sind in den letzten beiden Bereichen leider in den Blogs besonders stark verbreitet, da helfen auch die Anstrenungen diverser Medien wenig, mit eigenen Projekten wie deutsche-startups.de, elektrischer Reporter oder im Bereich Hetze und Propaganda durch rechtslastige Kommentatoren den Anschluss zu halten.

Nachdem aber die Web-2.0-Blase kurz vor dem Platzen steht und bekannte Rechtsaussenblogger wie Lizas Welt wieder in der onbskuren Sektiererecke verschwunden sind, aus der sie ein krochen, stellt sich die Frage, ob sich im Schatten dieser oft angesprochenen Themen nicht auch weitere Bereiche finden, in denen Blogs klassischen Medien den Rang abgelaufen haben. Oder zumindest so gut sind, dass man sich allein auf sie stützen kann. Die Antwort ist: ja, es gibt so einen Bereich jenseits der Katzenbilder: Die Kochblogs.

Um hier nur mal eine kleine Auswahl zu präsentieren, eine kleine Auswahl an Kochblogs, die dank eines Metaportals auch zusammen abgegriffen und durchsucht werden können. Es gibt dort eine erstaunlich hohe Qualität der Beiträge und Bilder, und es ist weitaus vielschichtiger, als das Gebrutzel der TV-Köche oder die lieblosen Rezeptsammlungen des Internets. Weil es aussenrum oft noch eine Geschichte gibt, und hier mit Passion gekocht und geschrieben wird. Ähnlich ist es auch bei den Weinblogs, die einen einfachen Zugang zum Thema erlauben, ohne dass man sich teure Fachzeitschriften kaufen müsste.

Wenn man als Blogger was bewegen und eine eigene Öffentlichkeit schaffen will, die in Konkurrenz zu klassichen Angeboten bestehen kann, dann sollte man sich die Ansätze der Kochblogs sehr genau anschauen: Wie sie eine Nische besetzen, entwickeln und ausfüllen, und wie aus diesen Blogs anschliessend auch Engagenments jenseits des Internets und der in ihm abgelegten Beiträge enstehen können: Buchverträge, Vorträge, Werbung, Kundenbeziehungen. So kann es gehen.

12.11.2007 | 5:00 von DonAlphonso

Dinge, von denen ich 2007 nicht erwartet hätte, sie noch lesen zu dürfen

Vor ein paar Wochen war ich – als Blogger – zu Gast bei einer Unterorganisation des Deutschen Journalisten Verbandes (DJV) in München, und sprach über die aktuellen Qualitätsprobleme der Medien – namentlich über die Abzocker und Peanutsanbieter von Essen bis München, die nach den Angebereien auf den Podien die Kosten für Web2.0 auf die Mitarbeiter umlegen. Und die Illusion, dass die Haptik von Papier irgendwas garantiert. Letztes Jahr war ich bei einer Tagung des DJV in Berlin eingeladen, ich kann also nicht gerade behaupten, dass “der” DJV bloggerfeindlich ist. Vielleicht auch nicht immer bloggerfreundlich, aber man interessiert sich zumindest für das, was Blogger so tun.

Insofern bin ich schon etwas überrascht, wenn Michael Konken, der Bundesvorsitzende des DJV vor kurzem folgendes gesagt hat:

Der Onlinebereich ist aber auch ein Bereich, den wir verstärkt unter qualitativen Kriterien werten müssen. Nicht jeder, der sich dort als Journalist bezeichnet, hat etwas damit gemeinsam. Uns steht es gut zu Gesicht, wenn wir Richtlinien finden, um Müll von Qualität zu trennen und dies den Internetkonsumenten deutlich machen. Das Internet ist eine Plattform auch für Schmierfinken ganz besonderer Art. Schmierfinken, die sich als Journalisten bezeichnen, die aber Persönlichkeitsrechte verletzen, sich nicht an unsere Postulate wie Wahrhaftigkeit, Objektivität, Vollständigkeit halten. Sie treiben ihr mieses Geschäft mit Veröffentlichungen, gegen die wir oft rechtlich nicht vorgehen können, die aber nicht selten ihre Voyeure finden.

Na, das kennt man ja, sollte man meinen: Bilderklau für Galerien, schlampig zusammengeschmierter Dreck, die Lust am selbstfabrizierten Niedergang von Pete Doherty und anderen Promis, die Probleme haben oder im Knast landen, Kampagnenjournaille, gekaufte Artikel, meine Rede, wenn es um die Kombination schlechter Ausbildung und gnadenlosem Kostendruck in den Onlinemedien geht – aber dann sagt Konken weiter:

Blogs sind meines Erachtens nur in ganz wenigen Ausnahmefällen journalistische Erzeugnisse. Sie sind eher der Tummelplatz für Menschen, die zu feige sind, ihre Meinung frei und unter ihrem Namen zu veröffentlichen.

Oha. Ich finde es nicht schlimm, dass Konken so denkt. Es ist nicht gerade neu, dass sich Journalisten nur ungern mit Neuerungen auseinandersetzen, die ausserdem an ihrer monopolsartigen Position als Gatekeeper sägen.

Es ist mehr der Vorwurf der Feigheit, den ich mir von einem real existierenden Journalisten ungern anhöre. Und der Umstand, dass hier das eigentlich Grosse des Bloggens, das Schreiben ohne Agenda, Zielgruppe und Markt, ignoriert wird. Der Mann konzentriert sich meines Erachtens auf die paar halbwegs journalistischen Blogs, die immer wieder zitiert werden und möglicherweise auch einen gewissen Einfluss und eine Agenda haben. Es gibt etliche rechtsextreme und gnadenlos dumme Funblogs, auf die dieser Vorwurf tatsächlich zutrifft, aber nackte Frauen auf Seite 3 und kaum kaschierte Lobbytexte von der INSM und der Bertelsmann Stiftung sind auch in den Medien nicht selten anzutreffen.

Aber wo soll die politsche Aussage sein, wenn ich mit meinen Lesern über Torten spreche, Katzenbilder zeige, Texte vorlese und andere empfehle? Natürlich gibt es ab und an allgemein gesellschaftspolitische Aussagen aus meiner Perspektive, das nennt man hierzulande Meinungsfreiheit, und deren Nutzung ist nicht allein auf Journalisten begrenzt. Das alles sind Selbstverständlichkeiten, da muss man eigentlich nicht drüber reden, dachte ich immer.

Aber ich habe mich wohl getäuscht. Es gab in den letzten Wochen noch so ein paar Erlebnisse, die mich glauben lassen, dass Blogs und Medien noch sehr, sehr lange bestenfalls nebeneinanderher existieren werden; sei es durch die versuchte Abwertung der Blogger als mediales 200-300-Euro-Subproletariat, sei es durch due Niegung mancher Blogger, sich jedem PR-Dealer an den Hals zu werfen, oder eben durch solche Ansagen. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass sich das mit dem Nachwuchs der Journalisten ändern wird; die sind viel zu sehr damit beschäftigt, in den Beruf reinzukommen, als dass sie sich gross für alternative Publikationsformen begeistern würden. Das Letzte, was man mir nachsagen kann ist, dass ich ein Web2.0-Apologet wäre, aber genauso fühle ich mich, wenn ich Journalisten, egal ob alt oder jung, von dem erzähle, was ich im Netz erlebe. Das ist nicht deren Ding, hinter StudiVZ, der eigenen Medienseite und deren Community gibt es kein Internet mehr. Aber bitte. Wie heisst es nicht so schön?

Es ist schliesslich deren Begräbnis.

9.11.2007 | 13:51 von DonAlphonso

Die Hungerlöhne des Web2.0 – und ihre Profiteure

Momentan tingeln gewisse Leute durch die Kongresse und erzählen von den steigenden Werbeeinnahmen im Internet, und dass das doch allen zu Gute käme und man damit wenigstens Leute ordentlich bezahlen könnte. Oder Arbeitsplätze schaffen. Damit im Internet etwas vorangeht. Es sind meines Erachtens die gleichen Leute, die einen ziemlich guten Ãœberblick über das haben, was bislang für das Fussvolk des Web2.0 bezahlt wird – und peinlich genau darauf achten, dass es so weit wie möglich und bei allen Beteiligten bei ein paar Krumen vom Tisch der fetten Werbeerlöse bleibt.

Beispiele gefällig? Der Westen, dessen Chefin früher öffentlich forderte, dass man Blogger angemessen bezahlen würde, bietet aktuell – und, wie man so hört, recht drängend, weil es eher unrund läuft – Bloggern 300 Euro im Monat für das Füllen eines Blogs an. Und dabei erwarten sie mehr,als den akteuell von der eigenen Redaktionsbloggerei produzierten Texttrash. Später könne man sich eventuell über mehr unterhalten, wenn es gut läuft. Man fragt sich, ob der Westen seinen Mediaberater, den bei der Agentur Sinner Schrader gegangenen Marc Pohlmann (Umstände der Redaktion bekannt), unter ähnlichen Bedingungen bezahlt – vermutlich nicht.

Oder Burda Digital Ventures. Die haben bei Suite101, “Das Netzwerk der Autoren” investiert und sind auf der Suche nach Redakteuren und freien Autoren, die bereit sind, sich gegen Umsatzbeteiligung des noch nicht gestarteten Portals zu engagieren. Gearbeitet werden soll von zu Hause aus und in Teilzeit, gern auch Studenten mit ersten journalistischen Erfahrungen. Zum Launch bietet Suite101.de erstmal 20 Euro pro veröffentlichtem Beitrag.

Oder die Münchner Abendzeitung. Die sucht gerade einen Volontär für Online. Mit Qualifikationen und Aufgabenbereichen, für die man eigentlich zwei zusätzliche Vollprofis bräuchte, und keinen Berufsanfänger:

– die onlinegerechte Aufbereitung von Print-Artikeln inkl. Bildbearbeitung
– das Erstellen eigener multimedialer Beiträge
– die inhaltliche, gestalterische und technische Umsetzung von Video-Beiträgen
– die Betreuung von Web2.0-Anwendungen
– die Erfassung und Analyse der Reichweitenentwicklung
– die Mitarbeit an der Weiterentwicklung der Website

So gesehen lagen die 200 Euro, die das Holtzbrinck-Netzwerk Germanblogs mal zahlte, gar nicht so schlecht. Und man ist noch immer besser dran, als die Werber, die für lau bei Red Bull schuften dürfen – alles so hübsch sozial user generated hier draussen.

Was bei den Kongressvorträgen der Borcherts, Hebigs, Lummas und Urbans dieser Welt fehlt, ist der dezente Hinweis auf das, was sie wirklich gern hätten: Dass es unten genug Deppen und Verzweifelte gibt, die für einen Hungerlohn oder am besten ganz umsonst die Kosten für Büros, Infrastruktur, Sozialabgeben, Aufwendungen tragen und somit die Anlaufkosten für ihre schöne, geldige Web2.0-Welt mit viel “sozial” und “Userbeteiligung” praktisch aufkommensneutral gestalten. Web2.0 als mediales Subproletariat, als billigste aller möglichen Qualitätsplattformen für den boomenden Medienmarkt.

7.11.2007 | 10:06 von DonAlphonso

Von Parasiten und Wirtstieren

Ich hasse Tchibo. Ich mag keinen Kaffee, es könnte mir also egal sein, aber ich kriege die Krätze, wenn ich an dem Trash vorbeilaufe, den sie jde Woche neu anbieten. Zum Beispiel eine schäbige Kopie der feinen Tivoliradios. Oder aktuell eine kleine Ausgabe eines grauenvollen leuchterhirschs, dessen Existenz auch in den letzten beiden Jahren nicht besser wurde. Einer der Leute, die auf Seiten von Scholz & Friends an diesem Trashvermakten beteiligt sind, sass gestern in Mittweida bei der Debatte, an der teilzunehmen ich das Vergnügen hatte. Und schon im ersten Statement ging ihm eine Begeisterung voll ab, als es um das Thema “Medien produzieren Ãœbertreibungen um Firmen wie Second Life” ging. Da mekrt man schnell, was so einer gern hätte: Nette, devote Medien. Angenehmens publizistisches Umfeld. Leider gab es auf dem Podium nichts dergleichen, sondern nur mich.

Und ich war ohnehin in famoser Stimmung, wie man sich das nach ein paar Runden in Mittweida im Hagelschauer so vorstellt. Da kommt es wirklich prima, sich eine Stunde Ideen anzuhören, wie man als Werber möglichst nah an die Menschen und ihre sozialen Bindungen rankommt, wie man das alles noch e-mo-tio-naler macht, sozialer, einfach noch näher dran oder am besten gleich drin im Menschen. Und es kotzt mich, gradraus gesagt an.

Denn wenn es eine Gefahr gibt für das, was man als soziales Netz bezeichnet, und von denen leider auch so erkannt wird, dann ist es eben dessen werbebasierte Kommerzialisierung. An dem Tag, an dem Blogger nicht mehr miteinander reden, sondern Blogs nur noch als Möglichkeit begreifen, einander Werbetafeln ins gesicht zu halten, ist da nichts mehr soziales. Das ist eine virtuelle Tupperwareparty, sonst nichts.

In meinen Augen sind das parasitäre Wirtschaftsformen auf der Suche nach einem Wirtstier. Und Leuten, die Leuchterhirsche bei Tchibo verkaufen, glaube ich keine Sekunde, dass ihnen die Gesundheit des Wirtstiers irgendwas bedeutet. Unsere modernen Parasiten sind nicht mehr einfache Blutsauger, sie begreifen das Wirtstier als nach Möglichkeit kostenlos im Internet verfügbaren Wertschöpfungsmechanismus, dessen Regeln sie verstehen wollen, um ihm möglichst lang möglichst viel abzapfen zu können. dazu muss das Wirtstier erhalten bleiben, und der Parasit muss sich so geschickt wie möglich tarnen, oder besser noch Teile des Organismus finden, die ihm gegen Bezahlung bei der Tarnung helfen. Und dass es darum geht, das “Soziale” ihres Kommerzes möglichst authentisch rüberzubringen, haben sie auch schon begriffen. Das machen sie mehr oder weniger gut, und manche von Innen suchen durchaus Parasiten, denen sie behilflich sein können.

Ich glaube durchaus, dass es sowas wie “social commerce” geben kann, der Soziales mit Geschäftlichem verbindet. Das muss noch nicht mal Prostitution sein, und es gibt gute Gründe, gute Produkte zu empfehlen und billige Plörre verächtlich zu machen. Aber der Werber ist da die absolut falsche Person, so etwas zu arrangieren, Kuppler tun Liebe nie gut, Gefühl lässt sich nicht kaufen, und eigentlich müsste man jeden Morgen einen Werber aufsuchen und mit ihm darüber reden, wie krank und sozial unverträglich eigentlich sein Job oft, allzu oft ist.

Was ich – neben dem guten Gefühl, genau das getan zu haben – aus der Veranstaltung mitnehme, ist die Erfahrung, dass meine Katze in Sachen Vegetarismus ein besserer Gesprächspartner ist, als ein Werber beim Thema Soziales. Sie sehen, dass es passiert, und alles, was sie darin erkennen, ist ihr Profit. So nicht, Freunde der Blasmusik.

6.11.2007 | 1:05 von DonAlphonso

Web2.0-Leichen wegräumen.

Ich muss heute mit ein paar Leuten über Web2.0 reden, die mutmasslich eine andere Meinung haben werden. Das Problem ist, dass manche von denen Restbestände der New Economy sind und geradezu betonen müssen, dass es heute ganz anders ist. Oder sie verschweigen, an was für enormen Pleiten sie mitgestrickt haben. Aber Web2.0 klingt nun mal eben besser als “ehemaliger Information Manager der Nemax-Pleite Brokat” oder “Beteiligter am RWE Powerline Debakel”, mal ganz zu schweigen von den heute wieder vollkommen üblichen Ãœbertreibungen und Lügen.

Netterweise hat es mit Betty TV gerade einen interaktiven Anbieter tödlich erwischt, der im Vorfeld der Diskussion eine Success Story abliefern wollte, die nun ins Wasser fällt. Meines Erachtens ist das System Web2.0 jetzt schon ausgebrannt und kaputt, ruiniert von zu grossen Erwartungen und totgeschwiegen von der immer speichelleckenden Medienkamarilla.

Keiner redet heute mehr von Yahoo 360°, um mal ein wirklich gross angedachtes Projekt anzusprechen. Der Versuch, alle Web2.0-Dienste unter Führung des enorm erfolgreichen Photodienstes Flickr zu vereinen, wurde zwar mit viel Trara angekündigt, aber weder von der Firma nich von den Nutzern so umgesetzt, dass es vorzeigbare Ergebnisse gegeben hätte. Zum Glück für Yahoo ist MSN Spaces von Microsoft trotz anderslautender Behauptungen wohl auch kaum besser dran. Noch so ein Kandidat ist die Firma Sixapart, die nach einigen Debakeln mit ihrer Blogsoftwarelizensierung gegenüber WordPress ins Hintertreffen gelangt ist, und deren “Kinderleichtes Bloggen für Alle”-Versuch namens VOX ebenso im Abseits darbt, wie das übernommene Netzwerk Livejournal, oder der Mobilblogservice Splashblog. Um bei Bloghostern zu bleiben: Vom mal behaupteten Börsengang des deutschen Anbieters Myblog/20six hört man auch nichts mehr. Und wollte nicht mal Nokia ganz gross in den Bereich mobile Blogging einsteigen? Und was machen eigentlich nochmal die noch vor wenigen Monaten heiss gehandelten deutschen Twitter-Kopien wie Frazr? Immer noch unterwegs in den Fakeprofilen bei StudiVZ, wo letzten Monat diejenigen gehen musste, die mal stolz drauf waren, dort 16 Stunden zu arbeiten und auf dem Fussboden zu pennen? Erinnert sich vielleicht noch jemand an Second Life, das vor ein paar Monaten alle vom Spiegel bis Sascha Lobo als Zukunft des Online Business grossgeschrieben haben?

Momentan wissen Hype-PR-Seiten wie “deutsche-Startups” oder “Gründerszene” kaum noch wohin mit all den durchgereichten guten Nachrichten von jungen Gründern, das spart ihnen das Nachdenken und Ãœberprüfen, was eigentlich aus all den vollmundigen Versprechungen geworden ist. Es ist geradezu ein Kennzeichen des Hypes, dass man mit positiven Nachrichten zugedeckt wird, da muss man nicht lange überlegen, was früher angedacht, investiert und dann begraben wurde. Und selbst, wenn diese Dienste signigfikante Userzahlen vorweisen können, bleibt immer noch die Frage nach der Refinanzierung unbeantwortet. Doch für den Anteil vom Onlinewerbekuchen, der nicht an Googles Adsense und andere grosse Vermarkter geht, gibt es zu viele Neugründungen, die keine andere Idee zur Finanzierung als Anzeigen haben.

All diese Mechanismen, Teufelskreisläufe und Ãœberbewertungen einer Zukunft mit angeblich “sozialen” Medien kennt man zur Genüge aus der New Economy. Es sind gute Zeiten für Leute mit Ankündigungen, weil auf der anderen Seite jede Form einer kritischen Begleitung fehlt. Man liest nie etwas über Umsätze und Gewinne dieser Firmen, es ist eine fluffige, soziale Hätschelwelt, in der sich alle lieb haben und sich nette Geschichten erzählen, und gelobt werden von Beratern, Politikern und Medienmachern, die zwar keine Ahnung, aber erhebliche Interessen haben.

Geschichte widerholt sich, aber sie reimt sich nicht. Ich weiss nicht, wann und wie dieses System kollabiert, ob es zusammenbricht oder langsam abstirbt, ob es einen Knall gibt, oder man es leise beerdigt und möglichst unbeschadet zum nächsten Ding weiterzieht. Es hat viel mit der weiteren Entwicklung des Online-Werbemarktes zu tun, und der Frage, wie effektiv diese Werbung ist, sowie mit den Versuchen von Konzernen wie Google, Microsoft, Yahoo, und im kleineren Massstab Holtzbrinck und Burda, sich gegenseitig die scheinbaren Zukunftsmärkte streitig zu machen. Aber auch dort gibt es nur begrenzte Mittel für Zukäufe, und wo der Rest dann bleibt, wird sich zeigen.

Ich hol schon mal die Schaufel für eine grosse Grube.

5.11.2007 | 12:13 von DonAlphonso

Eine kleine Geschichte von der Haptik des Papiers

In den letzten Wochen und Monaten kam in einigen Debatten und Essays von Printjournalisten sehr oft das Argument, dass das Internet die Haptik, das Gefühl des Anfassens von Papier, nie wird ersetzen können; der Leser wollte etwas in der Hand haben. Das wird trotz Zeitungskrise stur weiterbehauptet, dazu kommt die Meinung, Papier sei das bleibende Medium, hier würde ein Text länger als 24 Stunden Bestand haben. Mal abgesehen davon, dass Zeitungspapier seltenst aufbewahrt wird: Wer sich mal seine Referrer im Blog ansieht weiss, dass dank Suchmaschinen auch jahrealte Texte immer noch gefunden und gelesen werden.

Was mich bei der ganzen Debatte aber wirklich ärgert, ist die Arroganz, mit der sich die Printpinscher hinstellen und sich als Sachwalter des Papiers aufführen. Zeitungspapier ist kulturgeschichtlich gesehen der letzte Dreck, eine Beleidigung des grandiosen Werk- und Wertstoffes Papier, dem wir neben dem JoHurnalismusekzem, dem Gossending von Aretino bis Prawda und Bild glücklicherweise auch die Überlieferung unserer Geistesgeschichte der letzten 600 bis 800 Jahre verdanken. Und warum? Weil Papier etwas anderes ist als das so hichgejubelte Zeitungspapier. Das hier ist Papier:

Feinstes Hadernbüttenpapier um 1785/6, auf dem absoluten Höhepunkt der Buchdruckerkunst in London und Perugia, in feinsten Einbänden und so wertig gestaltet, dass es problemlos die nächsten 1000, 2000 Jahre überdauern kann. Das merkt man auch beim Anfassen. Der Inhalt wird auch dann noch seine Gültigkeit bewahrt haben, denn es ist nicht anzunehmen, dass man Torquato Tasso oder Rousseau je auf den Müllhaufen der historischen Publizistik kippen wird, auf dem die meisten Journalisten dem Vegessen anheimfallen. Wenn man einmal in so einem Buch geblättert hat, wird man verstehen, wieso es geradezu vermessen ist, bei Zeitungspapier mit einer “angenehmen” Haptik zu argumentieren. Internet kann allenfalls so schäbig-grau wie Zeitung aussehen, aber um eine derartige Haptik zu erzeugen, muss man schon mal auf Keyboard kotzen.

Bleiben noch Hochglanzmagazine, richtig. Die versuchen, mit besserem Papier eine bessere Wertigkeit zu simulieren. Aber auch die sollten sich nicht sicher fühlen. Denn auch eine überlegene Haptilk schützt nicht vor dem Aussterben, wie obige Bücher jedem zeigen, der mal einen Blick auf seinen Bücherschrank und die aktuelle Buchproduktion wirft. Der Mensch geht in erster Linie nach dem Inhalt und ist dafür bereit, auch auf hochwertigste Verpackung und Gestaltung zu verzichten. Ich weiss nicht genau, wie hoch die in die zigtausende gehende Auflage der heutigen Nachdrucke von Tasso ist, aber in Perugia wurden damals nur 2000 Exemplare gedruckt, und davon haben vermutlich weniger als 100 überlebt. Schön finde ich das auch nicht, ich bin kein Freund vom industriell-kulturellen Niedergang, den die vergangenen zwei Jahrhunderte bei allen Verbesserungen in anderen Bereichen nach sich gezogen haben, aber so sind die Leute eben. Sie nehmen für geringere Kosten schlechtere Produkte in Kauf, und wenn sie etwas kostenlos bekommen, werden sie es nicht woanders in besserer Qualität nochmal kaufen. Eine kleine Minderheit tickt anders, aber die reichen für die aktuelle Produktion von klassischen Medien hinten und vorne nicht aus.

Mir ist durchaus bewusst, dass Medien das Internet mit seinen freien Informationsflüssen als Treibsand erscheint, in den sie keinesfalls gestossen werden wollen, aber noch tückischer ist der Aberglaube an die besondere Haptik, an die man sich klammert. Ich kenne jedenfalls keinen Journalisten, der eine grössere Sammlung haptisch wirklich guter Bücher besitzt, und wenn schon die so sind, die mit Papier arbeiten, wie ist das dann erst da draussen, wo man die Fische darin einwickelt.

4.11.2007 | 21:22 von DonAlphonso

Texte, die ich gerne lese

und verlinke: Der Weltenweise macht seinem Namen alle Ehre und weist darauf hin, dass schöne Texte mit Googleoptimierung und Werbung nichts, weniger als nichts zu tun haben.

3.11.2007 | 22:43 von DonAlphonso

Macht Internetfernsehen eigentlich blöd?

Diese Frage habe ich mir in den letzten Tagen einige Male gestellt, namentlich in Bezug auf die “Programmverantwortlichen”. Und zwar jedes Mal, wenn mein Firefox festgefroren ist, oder ein Video nur unfassbar langsam und unter ständigem Nachladen auch bei meinem 6000er-DSL oder im Firmennetz vor sich hin ruckelte, oder man mir grenzdebile Inhalte vorsetzte.

Um damit anzufangen: Vielleicht sind alle schon angeödet von “der Westen” und von den technischen Unzulänglichkeiten abgeschreckt, aber ich kann nicht aufhören, mich über die beiden schwächsten – und geistlosesten – Blogversuche zu wundern. Dass man von Trashformaten wie “Reich und Schön” und “Laufsteg” keine hohen literarischen Fähigkeiten erwarten kann, versteht sich von selbst, werden sie doch von richtigen Journalistinnen geschrie. Aber wenn die aktuellen, wackligen Kameradraufhaltungen vom Medienball NRW (http://www.derwesten.de/blogs/laufsteg/stories/122/) mit ihren C-Promis sowas wie Inhalt sein soll, dann ist die Videogruppe der 9. Klasse der Realschule Hintertupfing ein Qualitätsmedium. Angeblich sollen das ein paar “Videojournalisten” besorgen, was ich als weiteren Hinweis auf die klammen Budgets des Projekts werte. Und das nächste Mal vielleicht eine Fragestellerin schicken, die eine Stimme hat, und kein Ohrenkrebsrisiko ist.

Augenkrebs dagegen bekommt man beim ähnlich hochwertigen Videoportal Watchberlin, das gerade einen Relaunch hingelegt hat. Und zwar in Flash, das sich gehörig Zeit beim laden lässt. Die Zielgruppe waren möglicherweise früher schon angeödete Angestellte, die Zeit totschagen müssen – jetzt können sie es wirklich umfassend tun, ohne auch nur einen der Slumberichte anklicken zu müssen. Mathias R., der früher schon mal bei einem anderen Holtzbrinck-Blogprojekt um eine Kamera bettelte und jetzt bei Watchberlin ist, findet das gar nicht so schlimm. Klassische Webdesignerdenke, dass die blöden Nutzer doch bitte einfach die Schönheit des Flashgewitters bewundern sollen, und mit dem Einfrieren des Cursors Gefallen an der Langsamkeit finden möchten.

Und dann ist da noch der Videohoster Sevenload. Dessen Videos ich seit ein paar Monaten aus Prinzip nicht mehr anklicke, weil von flüssigem Abspielen seltenst die Rede sein kann. Ich nehme an, das Ding heisst so, weil es bei jedem Video mindstens sieben mal nachladen muss. Und sie bekommen das einfach nicht in den Griff. Das Ding ist technisch nicht ausgereift, und wenn der Gründer dann noch in den Kommentaren Leute annölt, weil die sich intensiv mit der stockenden Entwicklung von deutschen Videoportalen auseinander setzen, hat er falsche Prioritäten gesetzt. Jammern oder IPod-Gewinnspiele mit einem gewissen Schleichwerber ändern nichts am Griundproblem von Sevenload: Der miserablen Performance und die mässigen Inhalte, diejenseits kleiner Fangruppen keinen interessieren.

Dass Internetvideos keine Sackgasse sind, zeigen die Tausenden von Fans, die jede Woche auf die aktuelle Folge von BBC Top Gear bei Youtube warten. Weil da Inhalt und Technik passt. Und nichts mit der elenden Kamerawackelei von “Reich und schön und Rob Vegas will zu 9live und ix stammelt was und alle wären gerne kult”, dieser Verblödung2.0 zu tun hat.