11.12.2007 | 21:01 von DonAlphonso

Blogpleiten im Focus – eine Weihnachtsgeschichte

Weihnachten 2004. Und in der Familie B. hat man gemerkt, dassin der Nachbarschaft überall Geigen erklingen. Es ging los mit den feurigen Zigeunergeigen auf der Strasse, Csardas, Polka, viele Leute hatten ihren Spass daran, und so dachte man in der Schlossstrasse, dass so eine Violine doch eine nette Sache wäre. Manche ertrugen das aber nicht lang, weil die Weisen vor dem Fenster stets besser klangen als das, was die Zöglinge spielten. Kein Wunder, waren doch die angeheuerten Violinenlehrer selbst nur Theoretiker, die ihren Auftraggebern die gesammelten Weisheiten aus der Blogbar vorlesen, aber am Bogen nicht umsetzen konnten. Um es brutal zu sagen: Sie wussten nicht mal, in welche Hand man was nimmt.

Und so hielt man sich in der Schlossallee lange Jahre ob der kümmerlichen Streichereien die Ohren zu, bis man realisierte, dass die Violine als Soloinstrument unerträglich ist, keines der Blagen darauf Lust hatte, und kehrte zurück zum beliebten DPA-Radio mit seinen kurzweiligen Sendungen, oder nahm lieber die süssen Töne des PR-ivatradios in die Hallen auf, wie man es schon immer gewohnt war. Die fette Tante aus dem Süddeutschen, die zwischenzeitlich bekannte Geiger bekrochen hatte, doch bitte in ihrem Sälong aufzutreten, liess gar ihren nach Kadaver riechenden grafflichen Hüterhund von der Kette, damit der die Strassenmusikanten anbellte, und die eigenen Domestiken wurden solange in den Besenschrank gesperrt. Und so nahte Weihnachten 2007, mancherorts poppte noch eine weitere, drittklassige Geigenschule für untalentierte Schreibbratzen auf, wiederwoanders krächzten in matten Tagesspiegeln und zu unpassender ZEIT ein paar grauslich klingende Folterinstrumente, an die man Praktikanten und andere Aschenputtel der besseren Gesellschaft geschmiedet hatte. Überall.

Nur bei der Familie B. nicht, die eines der grössten Häuser hatte, zudem auch ein paar schicke Lakaien und Hoflieferanten. Dort hatte man sich die untalentiertesten aller Strassenmusikanten mit Namen wie “Ensemble Blogdée” oder “Die SIEBEN rohrkepierenden VorderLOADer” fest engagiert und tat so, als ob man das besser fände als die braunen Krachmacher drüben bei v. H..

Und gerade zum Weihnachtsfest 2007 also wollte der grosse Sohn des Hauses auch mal wieder Geigen probieren. Ach je. Was hatte man nicht alles versucht. Die erste Anfängergeige wurde ihm von so ein paar Strassenmusikanten der Blogbarkombo gleich wieder in sein dreistes Maul gestopft, als er mit falscher Melodie mitspielen wollte. Ein halbes Jahr später versuchte man es dann mit neuen Violinen und Gespielinnen für den Sohn, aber all die ansonsten berühmten Leute wie Müller, Leyen, Koch und wie sie alle hiessen, sie starben dem Sprössling nach und nach unter den Fingern weg. Und so ging das immer weiter, berühmte Golfgeiger, Hochsprungvirtuosen, Politikkratzer und Lobbybogenschinder, den allen war beim Sohn, dem liebe Focus Online, der mal sooooo gross wie der Spiegel sein wollte, kein langes Fiedeln beschieden. Letztes Jahr im Sommer griff man dann für ein paar Wochen nach dem angeblichen Berliner Meistergitarrengeiger Tonio Mahonio aus der berühmten Spreevistabella-Famiglia, aber nach ein paar Wochen endete auch dessen Engagement.

Aber es ist 2007, und Weihnachten, und deshalb versucht es B. und deren grosser Sohn nochmal. Nachdem es nicht einfach so ging, dann eben mit den Dottorae Bartolo & Cie. und ihren brandneuen, wissenschaftlichen amerikanischen Ideen. Wie man so nebenbei hört, fehlt es jetzt etwas am Geld für das begleitende Geigenquintett für der B.´s grossen, karitativen Neujahrsempfang für hungerleidende Web2.0-Adabeis namens DLD, aber da ist noch genug da, um die auf englischem gedruckten Stücke der Weltklassevilionistin Arianna Stassinopoulos Huffington auf deutsches Papier des Sohnes zu übersetzen – weil der Entscheiderhofstaat der B.s offensichtlich Musik von englischem Papier nicht lesen kann.

So, wie es aussieht, wird es aber nicht so weit kommen, dass die neuen Blogquacksalber den fetten Sohn des B. mehr schaden können, als ihn ein wenig zur Ader lassen. Und wenn das alles auch nichts wurde, darf man sich Weihnachten 2008 erneut überraschen lassen, womit man im Hause B. endlich all die wunderbaren Weisen da draussen auf der Strasse aufzunehmen gedenkt. Darf ich einen Vorschlag machen?

Das Traumensemble des schon strickcommunitygesponsorten Peter T*ri, dazu Rene Kr*est und Prof. Prof. Dr. mult. Huber als Wirtschaftsexperten, Kulturexperte wird der Süddeutschen Graff, den Kanzlerinnenpodcast syndizieren und obendrein L*bos Gastkommentare aus dem soziälchenhalbdemokratischen Beiratsbonker, nur echt mit Vorratsdatenspeicherung. Aufgelockert wird das Concerto durch ein Softporn-Zwischenspiel des hauseigenen Bequeenportals und danach Videohäppchen von TV-Gusto, und das Marketing übernimmt Trigami. Die Zukunft bei B. ist golden, es ist alles schon da, man muss nur zugreifen, und der Himmel wird voller Geigen hängen.

Ausserdem: Alles andere hat man ja schon versucht.

(A blogbar Tribute to WWWW-100000-Hal Faber)

10.12.2007 | 20:47 von DonAlphonso

Wenn man lobt, macht man es auch verkehrt

Als ich beim hessischen Rundfunk in Darmstadt war, habe ich den Anwesenden aus der Wirtschaft empfohlen, sich das mit dem Bloggen besser genau zu überleben, ob es wirklich was bringt – und wenn sie es doch tun, dann sich nicht auf Berater zu verlassen, sondern es selbst zu tun. Offen und ehrlich. Mit guten Produkten. Wie zum Beispiel das Saftblog.

Nun. Es sieht so aus, dass ich das nächste Mal wieder sage, es einfach komplett bleiben zu lassen. Um sich sowas zu ersparen. Oh Mann.

Ohhhh Mann.

10.12.2007 | 20:21 von DonAlphonso

Parteien ohne Blogs.

Und dafür gibt es mehrere Gründe.

Zum einem haben die Parteien aus den Pleiten ihrer Versuche beim letzten Mal Lehren gezogen. Das habe ich zumindest aus ein paar Diskussionen der letzen Wochen mitgenommen. Zumindest von zwei grösseren Parteien weiss ich, dass sie das Abenteuer Bloggen nicht wie beim letzten Mal handhaben werden und daher dazu tendieren, es beiseite zu lassen, oder es soweit freistellen, dass es nicht zentraler Teil der strategischen Planung ist. Vielleicht gar keine so dumme Entscheidung.

Weil, und damit kommen wir zu den Parteien, die in meinen Augen theoretisch wählbar sind, die Dummheit fortgeschrieben wird. Rot und Grün haben aus den Pleiten rund um die letzte Bundestagswahl meines Erachtens nur mitgenommen, dass da irgendwo “ihre” Wähler sind, und dass man die “damit” schon irgendwie bekommt. Die Grünen basteln nach meinem Wissen eher leise an ihrem Konzept, bei meiner eigenen Partei hat man dagegen einen grosskotzigen Internetbeirat installiert, den ich allein schon meiden würde, weil das gleiche auch schon der Stoiber peinlicherweise versucht hat, um dann nach draussen zu strahlen. Wirft man einen Blick auf die Beteiligten, stellt man fest, dass man diesmal das beeinflussende Werberpack nicht rausgekickt, sondern einfach blognäher ausgewählt hat. Ich bin schon gespannt, ob Adical Werbung für die SPD schaltet, womit sich dann meine Zugehörigkeit zu dieser Partei erledigt hätte.

Allgemein gesprochen: Es gibt das nächste Mal massive Unterschiede zur letzten Wahl. Das letzte Mal stand für die Linke die Verhinderung eines schwarzgelben Neocondurchmarsches auf der Tagesordnung. Rotgrünes Weriterwurschteln oder schwarzgelbes Durchregieren zugunsten der Wirtschaft war die Frage. Die Antwort heisst grosse Koalition mit Mehrwertsteuererhöhung, mehr Staat, mehr Staatsausgaben, keinesfalls weniger Bürokratie bei weniger Leistung, mühseelige Kompromisse wegen ein paar Cent Mindestlohn, eine CDU, die die SPD in der Aussenpolitik links überholt und ein Schäuble, den im Internet kaum einer leiden kann, eine irrwitzige, gemeinsame Politik in Sachen Vorratsdatenspeicherung und juristische Ermöglichung von Abmahnwahnsinn und Plattenindustrieterror. Lauter Zeug, das auch nicht im Sinne derer war, die für schwarzgelb geschrieben haben. Warum sollte man für etwas werben, was man noch nicht mal guten Gewissens wählen kann?

Ich gehe deshalb stark davon aus, dass die grösseren Player des letzten Wahlkampfes, unabhängig von der politischen Einstellung, dieses Mal weniger Lust haben werden, sich vor ein System der Pfründesicherung und der Machterhalts spannen zu lassen. Zumindest ist es das, was ich aus dem Verstunmmen vieler politischer Blogger herausgehört habe. Die Belange der Blogger sind CDUCSUFDPGRÃœNESPDLINKE scheissegal, sie kommen wenn überhaupt erst zur Wahl angekrochen. Mal von den durchgeknallten Blogs am äussersten rechten Rand sehe ich momentan kein auch nur halbwegs einflussreiches politisches Blog, das Anstalten macht, sich gezielt für eine bestimmte Partei reinzuhängen. Würde man die alle nur in der Blogosphäre zur Wahl stellen und als zusätzliche Möglichkeit “Alle Abwählen und für 10 Jahre verbannen” – nach bestem Athener Demokratievorbild – bieten, hätten alle Parteien Gelegenheit, endlich ihre unerträglichen Führungsgesichter auszutauschen.

Oder? Ist hier irgendjemand für Beck und den Bloggerabmahner Gabriel? Für Merkel und den Spitzel Schäuble? Für Westerwelle und seine Einflüsterer von der bloggerverfolgenden INSM? Für den Huber und den Beckstein mit ihren Überwachungswünschen? Für den geifernden Oskar und seine alten Kader im Osten? Für die vor dem Vorstand kuschenden Grünen? Für sie alle, die ein paar Wochen für Unterstützung froh sind, um sich dann einen Dreck darum zu kümmern, wie es denen ergeht, die im Internet gerne so etwas wie Meinungsfreiheit ohne Abmahnung und Staatsschnüffler hätten?

Deshalb wird der politische Diskurs keiner sein, der die Wahlen im Sinne von Parteien beeinflusst. Muss aber auch nicht sein. Denn früher war es so, dass man halt nur bei den Wahlen mitentscheiden konnte. In den Blogs kann man aber immer mitreden, vorher, nachher, und dazwischen, wenn es ihnen weh tut. Und genau darum wird es diesmal gehen. Nicht denen da oben den Polante machen, sondern sie in den Diskurs zwingen. Nicht das Kommentiervieh der Internetbeiräte sein, sondern selbst aktiv sein für die eigene Sache. Nicht ein paar Wochen als digitale Plakatkleber helfen, sondern dauerhaft Druck machen. Wenn Parteien keine Politik mehr machen, muss man eben Politik ohne die Parteien machen.

10.12.2007 | 2:44 von DonAlphonso

Das Internet verstehen. Oder auch nicht.

Aus der Serie “Die schönsten Steine aus dem Glasbloghaus”.

“Du hast das Internet nicht verstanden”. Diese häufig zu lesende Aussage ist sowas wie der Nazivergleich2.0. Alternativ wird das auch für Artverwandtes verwendet: Barcamps, Blogs, Communities, RSS, Trackbacks, Tags, in dieses “Argument” passt einiges rein.

Bleiben wir mal beim zentralen Vorwurf. Das Problem ist, um es mal in einem weiteren Rahmen anzusprechen, dass es ausschliesslich Leute gibt, die das Internet nicht verstehen. Da sind etwa meine Eltern, die es nicht verstehen müssen, und denen es egal ist. Da sind Leute, die es nicht verstehen wollen, wie einige bekannte Journalisten aus der staubtrockenen Hirnfickdiskursebene. Und die teilweise identischen Meinungsmacher, die denken, das Internet sei “Quick&Dirty”, und das könnten sie auch mit Links. Da gibt es welche, die verstehen nicht, dass man im Internet nicht plötzlich mehr klauen darf, als im realen Leben. Da gibt es die schlauen Berater, die Seminare veranstalten, als dessen Ergebnis Nullnummern wie das Daimlerblog entstehen. Sie alle verstehen ein klein wenig vom Internet, vielleicht, dass es für sie irrelevant, oder feindlich, oder ein mögliches Geschäftsmodell ist, aber es in seiner Gesamtheit verstehen?

Wie bei jeder Medienform bräuchte man dazu eine Menge Wissen und Erfahrung. Diejenigen, die es länger nutzen, haben vielleicht so etwas wie ausreichende Erfahrung, aber das Wissen ist eher stark begrenzt. Es gibt einen Haufen nackter Zahlen, aber allein deren Bewertung ist strittig. Was sind User- und Clickzahlen, wenn sie auf eine hirnrissige Bildergalerie gelenkt werden? Was bedeuten Technoratilinks, wenn Vermarkter dazu auffordern, dass sich die Teilnehmer gegenseitig verlinken? Was sind die Eigenangaben überhaupt wert? Wie definiert man darauf aufbauend Relevanz? Für wen und welche Gruppe? Welche Bedeutung hat die Aufmerksamkeit? Bewegt sie etwas, oder ist es nur ein Infogrundrauschen gelangweilter Büromenschen?

Je mehr man sich darüber Gedanken macht, desto eher verlässt man den Rahmen der Zahlendeutung und der Wissenschaft, und nähert sich philosophischen Fragen, die kaum gestellt werden. Gibt es jemanden, der das alles geistig durchdrungen hat und es entgültig versteht?

Ich denke, diese Person wird kommen. Ziemlich genau an dem Tag, an dem der Messias wiederkommt. Bis dahin wäre es ganz nett, auf Banalitäten wie den Hinweis auf das Nichtverstehen des Internets zu verzichten. Jeder versteht das Internet. Anders. Und damit auch nicht.

6.12.2007 | 3:00 von DonAlphonso

Warum muss ich immer an Vivi@n denken.

Im Oktober 2000 war ich auf einer Party in einer Räumlichkeit beim Haus der Kunst in München eingeladen. Dass es schon nicht mehr die ganz tolle zeit der New Economy war, merkte man nicht nur am Fiingerfood, das schlichtweg zu gering ausgefallen war. In Zeiten des allgemeinen Cost Cuttings hatte es auch die Autos eines beteiligten Projekts erwischt: “Vivi@ns“, Mitarbeiterinnen der damals gestarteten neuen Frauenzeitschrift von Burda, fuhren in einer kleinen Flotte üppig beklebter Smarts vor. Und dabein sollte Vivi@n doch erklärtermassen die Blaupause für die zukünftige Ausrichtung von Printtiteln sein, von einem üppigen Onlineangebot begleitet und ein starkes Communityelement definiert. Die Party war dann eher langweilig und trist, aber immer noch ein rauschendes Fest gegen den Tag, an dem die Redaktion auf der Website nach neuen Stellen suchte – und diese dann schnell plattgemacht wurde. Nach enormen Anlaufproblemen und einem von Februar auf Oktober verschobenen Start wurde es eine der grösseren publizistischen Pleiten des Jahres.

Man sagt, Geschichte wiederholt sich nicht, und ich sage, dass sowas nur Leute sagen können, die sich mit Geschichte nicht auskennen. Ich denke, die modernen Vivi@ns tragen Namen wie Ivyworld.de (Burda) und Utopia.de, setzen sich wie Vivi@n in eine Nische und hoffen, dass irgendwann schon die passende Community entsteht. Wer sich die beiden Portale angeschaut hat, wird bemerkt haben, wie zäh sich das Wachstum bislang gestaltet. Bei beiden sind die Inhalte eher lieblos zusammengeschrieben, für eine Zielgruppe, die es im Kopf der Vermarkter gibt, aber nicht zwingend in der Realität und schon gar nicht bei deren Leserschaft.

Ein ähnliches Prinzip Hoffnung treibt meines Erachtens auch die diversen Kochprojekte um. Burda ist mit Bongusto.de dabei, Gruner+Jahr mit dem web2.0igen essen-und-trinken.de, und der Kochverlag Graefe und Unzer hat für Kuechengoetter.de einige Blogger und Autoren eingespannt. Es lohnt sich, die Seiten nebeneinander aufzumachen und zu vergleichen: Mal abgesehen von den Farben sind die Ähnlichkeiten frappierend. Und alle hätten sie gern eine Community für ihren Cross Media Ansatz. Alleinstellung? Keine Ahnung. Mitmachen? Wo ist der Benefit? Rezepte tauschen, ah ja. Hm. Wenn man genauer nachliest, fällt Bongusto – zumindest in meinen Augen – durch die lieblose Machart ab, und die Küchengötter hatten zumindest heute Abend ein wenig vom technischen Fluch der WAZ – auch hier war die Agentur Artundweise am Werk.

Aber wo wollen die hin, und was sorgt dafür, dass die Nutzer mitgehen? Ich werde den Eindruck nicht los, dass man heute wieder genauso planlos wie zu Vivi@ns Zeiten vorgeht. Auch damals waren die Inhalte nicht schlecht. Die Zielgruppe hat es auch irgendwo gegeben. Aber das zusammenzubringen, ist eine hohe Kunst, und nicht mit ein paar verlosten Fresskörben, CO2-Emissionszertifikaten, Gratisrezepten und Ratschlägen für eine bessere Umwelt zu machen. Dass Verlage eine Strategie für das Internet brauchen, wenn ihre Inhalte dort einfacher zu verteilen und zu finden sind, steht ausser Frage, natürlich lassen sich Mitglieder prima verwerten, siehe etwa die Kuechengoetter-AGB (http://www.kuechengoetter.de/verschiedenes/agb.html) Marke Halsabschneidung

Mit der Einstellung räumen die Nutzer Küchengötter an den Inhalten unwiderruflich die nicht-ausschließlichen, weltweiten und inhaltlich unbegrenzten Nutzungsrechte zur Veröffentlichung und Verbreitung der Inhalte im Internet ein, insbesondere das Datenbank- und Archivierungsrecht und das Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung sowie zur Sendung (jeweils zur Selbstnutzung und Lizenzvergabe an Dritte); die Rechtseinräumung gilt über das Nutzungsverhältnis hinaus

– aber ich frage mich, ob man Nutzer nicht doch flexibler halten kann, ohne den Zwang zu einer Community, einfach auf Grundlage konsequent guter Inhalte. Mich zumindest schreckt all der zusätzliche Ballast dieser Seiten ab, den Communities verlangen – die aber kaum entstehen werden, wenn die Vereinnahmung der Nutzer den Nutzwert der Seite in den Schatten stellt. Nutzer sind nicht blöd, wenn es ihnen etwas bringt, kommen sie wieder. Aber das hat schon Vivi@n mit dem Versuch, als Leserinnen “Vivi@ns” zu machen, nicht verstanden.

4.12.2007 | 19:39 von DonAlphonso

Ich meide Barcamps

Ich war auf ziemlich vielen Konferenzen zum Themen wie Blogs, Web2.0, Onlinejournalismus und Internetkultur – letzteres ist übrigens ein Desiderat, eine oft übersehene Perle, falls das hier jemand liest, der eine Konferenz organisieren will und sich beim thema nicht sicher ist. Ich gebe freimütig zu, dass ich fast immer als Referent dort war, was vor allem damit zu tun hat, dass es in meinem Leben genau so viel Internet gibt, wie ich möchte. Alles andere würde sich zur Belastung entwickeln. Manchmal, wenn mir das Thema nicht gefällt, sage ich auch ab.

Was ich aber ganz sicher nicht tun würde, wäre: Ein Barcamp. Ich wurde heute von einem federführenden Organisator zu so einer Veranstaltung sehr freundlich eingeladen, ich habe ebenso freundlich abgesagt, und vielleicht ist es ganz gut, das mal öffentlich zu diskutieren. Ich weiss, dass es nicht ganz fair ist, über etwas zu urteilen, was man nicht erlebt hat. Allerdings kenne ich “Barcamps” aus dem Bereich Kultur und Lesung, da heisst sowas “Open Mic” oder “Poetry Slam”. Auf deren Pfad sehe ich Barcamps, gerade in Deutschland. Und es ist kein guter Pfad.

Denn im Gegensatz zu den Blogs, wo jeder schreiben kann, was er will, hat sich die entsprechende Szene in meinen Augen verklumpt. Es gibt da zum Beispiel die Adabeis, die in Sachen Barcamp das Land abklappern und dann “zufällig” allerorten auch als Vortragende auftauchen. Weil sie die bei der Organisation der Tagesabläufe die nötige Durchschlagskraft und einen eklatanten Mangel an Einsicht in die eigenen Unzulänglichkeiten haben. Bezeichnenderweise tauchen diese Leute so gut wie nie auf, wenn es darum geht, grössere Konferenzen zum gleichen Thema zu organisieren. Es hat sich so eine Art “Barcamp-Adel” gebildet, der sich allein durch Gewohnheitsrechte und entsprechende Drängeleien definiert, und in gewissem Rahmen auch durch eine Art “Gefolgschaft”. Da setzt sich dann nicht unbedingt Qualität durch.

Qualität ist auch bei normalen Konferenzen oft genug ein Thema, von dem im Zusammenhang mit “Mangel” gesprochen werden muss. Das reicht von der klassischen Powerpointstöpselei Richtung Leinwand bis zur fehlenden Vorbereitung auf eine eventuelle Diskussion der eigenen Thesen. Manche Blogger, Professoren und Unternehmer sind im realen Leben langweilig, öde, können nicht vortragen und auf das Publikum eingehen. Das sind aber genau die Fälle, die nach ein paar Fehlschlägen draussen sind, weil sich so etwas rumspricht. Klassischerweise sitzen in jeder Konferenz Leute, die selbst etwas organisieren, und dann entscheiden, wen sie wollen, und wen nicht. Dieser flexible Erkenntnisprozess, der in ein effektives Qualitätsmanagement ohne allzu viele Aussetzer mündet, fehlt bei Barcamps weitgehend. Mit dem Ergebnis, dass der Gehalt so einer Veranstaltung von den Pfeifen und Gschaftlhubern runtergezogen wird. Man kennt als Vortragender die nervigen Coreferenten im Publikum, die keine Frage haben, sondern ein sexuelles Verhältnis mit ihrem Selbstwertgefühl: Für solche Leute sind Barcamps ideal.

In der Folge wird ein Barcamp Schwierigkeiten haben, die Qualität einer Konferenz zu erreichen. Zudem fehlt eine Komponente des Poetry Slam: Es gibt keinen Wettbewerb um Qualität, und keine Jury, die entsprechend Druck macht. Die dafür sorgt, dass die theoretischen Vorteile der Offenheit eines Barcamps nicht durch ihre praktischen Nachteile überwogen werden. Bleiben also die Zyniker, die sagen, dass sie eh nur wegen dem Socialisen hingehen, und die Vorträge egal sind: Kann man machen. Aber genau aus diesem Grund möchte ich dort nicht vortragen. Wenn man sich schon die Mühe macht, sollte das Publikum das Gebotene achten, und nicht nur als Drumherum für den Smalltalk auf dem Gang begreifen.

Allgemein wird über die hohe Zahl derer geklagt, die sich einfach nur anmelden, und dann doch nicht kommen. Das ist natürlich unschön, aber ich wage mal zu behaupten, dass es nur die Form der gleichen Beliebigkeit im Publikum ist, die so ein Barcamp ausmacht. Das bedeutet nicht, dass Pleitenkonferenzen wie die Web2.0 Expo in Berlin ausgeschlossen wären, und natürlich gibt es auch bei den horrend teuren Businesskonferenzen Vernastaltungen, die sich nicht lohnen. Aber wenn die kostenlosen Barcamps hier eine echte Konkurrenz sein wollen, müssen sie in Zukunft mässig regulativ eingreifen. Sonst werden sie mittelfristig der Web2.0-katzentisch derer, die es sonst nicht auf ein Poduim schaffen.

Und bevor die Beschimpfungen anfangen, fände ich es nett, wenn sich jeder Barcamper mal überlegen würde, ob meine Überlegungen nicht doch irgendwo ein klein wenig zutreffen.

3.12.2007 | 15:27 von DonAlphonso

Nachrichten vom Ende des Hypes

In den letzten Tagen und Wochen gab es ein paar bemerkenswerte Ereignisse, die recht schon zeigen, wie der Versuch, Bloggen als journalistische Technik in Medienkonzerne zu integrieren, nicht funktioniert.

– Vorreiter der Blogversuche der Medien in Deutschland war Gero von Randow als Onlinechef des ostpreussischen Vertriebenenanzeigers “Die Zeit”. Der ist Anfangs des Monats wieder zum Autor des Printprodukts geworden. Es wird gemunkelt, dass die Onlineabteilung in letzter Zeit wenig Erfolge vorzuweisen hatte. Die Blogs, von denen manche 2004 noch eine gewisse Bekanntheit hatten, sind inzwischen vollkommen marginalisiert.

– Chefreadkteur Ulf Poschardt von Vanity Fair macht den “Vorwortblogger-Blogger” und Ex-Chefredakteur Stefan Baron von der Wirtschaftswoche nach: Nach einigen im Blog veröffentlichten Vorworten wird das Projekt bei Vanity Fair Online beendet. Schon mit dem Medienblog unter Peter Turi hatte die VF weniger Vergnügen – unter anderem wegen einer falschen Tatsachenbehauptung und Verletzung der Urheberrechte des Verfassers dieses Beitrags.

– Apropos Turi: Der war Anfang dieses Jahres noch beim Versuch dabei, mit Medien2 ein modernes, blognahes Medienmagazin aus der Taufe zu heben. Dann kanm es zum Konflikt und Bruch mit den Mitgesellschaftern um den Verleger Dirk Manthey. Und seitdem wird Medien2 ab und zu angekündigt. Vor ungefähr drei Monaten wurde ich dann gefragt, ob ich nicht ein Interview für den bald kommenden Start geben möchte. Seitdem wartet man. Vergeblich.

– Und für alle, die gerne schreiben, dass ein peinliches Blog zum Rausschmiss führen kann, gibt es jetzt ein nicht unbedingt sachlich richtiges, aber plausibel erscheinendes Beispiel. Der etwas, nun, sagen wir mal exzentrische Herr Matussek, seines Zeichens Video”blogger” bei Spiegel Online und Kulturchef des gedruckten Magazins, wird seine avantgardistische Nebenbeschäftingung wegen Unzufriedenheit des Arbeitgebers nicht mehr lange ausführen, wie allgemein gemeldet wird.

– Aber vielleicht findet er ja wie andere gestolperte Mediengrössen ein neues Zuhause bei Watchberlin, wo sich unter der Ägide eines früher nach einem Kamerageschenk bettelnden Projektbeteiligten schon so namhafte Promis wie ein ehemaliger Kokainkonsument, ein ehemaliger Linksintellektueller und ein ehemaliger Opeltester eingefunden haben. Watchberlin sollte ja mal genz gross werden, mit Ablegern in anderen Metropolen. Aber, wie mir ein Vögelchen berichtet hat, wird es auf absehbare Zeit bei der Registrierung der passenden Domains bleiben, denn: Die Performance von Watchberlin sei nicht so prickelnd, wie man sich das gedacht habe. manche würden auch sagen: Unterirdisch. Und ich füge noch hinzu: Sollte Besitzer Holtzbrinck wirklich, wie kolportiert, die verlustreiche FTD oder die sündhaft teure Süddeutsche kaufen, braucht man das Geld an anderer Stelle.

Sieht eigentlich gar nicht so schlecht aus, das alles. Bitte genau so weitermachen. Dann hat sich das Problem der bloggenden Medien Ende nächsten Jahres weitgehend erledigt.

3.12.2007 | 3:17 von DonAlphonso

Drei Fragen gegen das dröhnende Schweigen zum derwesten

Ich mag meine Meinung nicht verstecken: Derwesten.de, das mit vielen Erwartungen und erheblicher Verzögerung gestartete Onlineportal der WAZ, ist immer noch voller technischer Fehler, und hat kein einziges Blog, das ich gern lesen würde, denn es wurde meist der übliche Fehler gemacht, unmotivierte/unfähige Zeitungsschreiber oder schreibunfähige Halbpromis an die Blogs zu setzen. Die machen dann enorme Peinlichkeiten wie die Promiblogs, die auch die BILD nicht in Sachen “Wir lauern auf Drogenexzesse” ekliger machen könnte. Es gibt ein paar technische Gimmicks wie Lokalisierung, die offensichtlich nicht besonders angenommen werden, und obendrein im Nachrichtenteil Autoren an der Tastatur, die online nicht gut schreiben können. Dafür, dass vor etwas mehr als einem Jahr sich ein Haufen geladener “Internet-Experten” hingestellt hat und das neue Portal als die heisseste Entwicklung des lokalen Onlinejournalismus in den Himmel gelobt hat, sind die Ergebnisse auch ohne Berücksichtigung der 300-Euro-Abspeisung angefragter Blogger irgendwo zwischen irrelevant und ernüchternd. Und das ist noch vorsichtg formuliert. Ich bin durchaus auf der Suche nach etwas, das derwesten besser machen würde als das ebenfalls nicht so dolle Westropolis, aber ich finde nichts.

Und nach dem hier habe ich einfach mal drei Fragen an die Leserschaft mit Ausnahme des PR-Tüpen Marc Pohlmann:

1. Gibt es dagegen jemanden, der derwesten richtig toll und gelungen findet?

2. Ist da etwas Wegweisendes, das ich übersehe, und das zumindest den früher formulierten Ansprüchen an eine radikale Neukonzeption des Lokaljournalismus im Netz so halbwegs entspricht?

3. Findet jemand die Blogs von derwesten genussvoll lesbar?

Bitte kein Bashing, keine persönlichen Animositäten, und wenn möglich mit Begründung.