11.3.2008 | 0:41 von DonAlphonso

Die Kommentare der anderen

Während ich das hier schreibe, meldet sich gerade ein Leser von Stefan Niggemeiers Privatblog mit einer neuen Identität bei Blogger.de an. Wie er es jetzt schon seit ein paar Wochen macht. Er kopiert seitdem in den Abendstunden einen Artikel von Stefan Niggemeier, und spamt damit mein Blog mit dem immer gleichen Text und dem Link, drei, vier mal in kurzer Folge, bei allen oben stehenden Beiträgen vom Kuchenbild bis zur Medienkritik und will, dass man den Artikel bei Niggemeier liest. Wenn ich ihn gelöscht habe, meldet er sich mit einem neuen Namen an, und das Spiel beginnt von vorne, inzwischen 40, 50 mal, irgendwann habe ich aufgehört, genauer hinzuschauen. Mal als Ollimoppel, mal als Johannes2, als Mann oder Frau, ganz offensichtlich hat da jemand Zeit und Ausdauer und ist der Meinung, auf diese Weise etwas bewegen zu können. Immer wieder.

Sowas passiert. An der Blogbar, da meistens zwar auch beleidigend, aber wenigstens on topic beleidigend, oder bei denen, die das Pech haben, Besuch der geistigen Wirrköpfe aus den Kommentargossen von Politically-Incorrect oder des badischen Arztes und Aktienspekulanten, der als “Kewil” die Website fact-fiction.net betreibt, zu bekommen – auch das hatten wir hier schon. Von den 300 sich wiederholenden Spamkommentaren, die ich auf dem Höhepunkt der StudiVZ-Debatte unter einem einzigen Beitrag löschen musste, ganz zu schweigen. Es ist immer das gleiche, es sind Leute, die im Schutze der Anonymität das Rad immer noch eine Runde weiter drehen als die, für die sie zu sprechen meinen oder vorgeben. Typen, die glauben, den ungesagten Willen ihrer Meister vollstrecken zu können.

Die Blogbar war noch recht neu, als wir hier über das Thema FAZ und Netzeitung schrieben, und seitdem weiss ich, dass es wohl wirklich so ist, denn da lief einer aus der Anonymität auf, der genau das in die Kommentare quetschte, was andernorts unter massiven juristischem Druck kam. Was dann natürlich per Impressum unter Verantwortung der Blogbar war. Was mich bei solchen Dingen ärgert, sind weniger die Spammer, die man schnell zusammenlöscht, es sind mehr diejenigen, die das als Verursacher bewirken, fördern und stillschweigend Spass daran haben, dass die eigenen Leuten es den anderen mal zeigen. Bei StudiVZ gab es eine Gruppe, die nur zu diesem Zweck gegründet wurde, der einzelne feige Hilfsspammer von oben braucht dagegen keine Absprache.

Man kann natürlich in den eigenen Kommentaren zündeln, das Feuer brennen lassen, und es ist schon komisch, Kommentare zu bereinigen, die einen inhaltlich unterstützen, aber verbal voll daneben liegen. Manchmal muss man Grenzen aufzeigen, und niemand hat das Recht, anderen juristische Probleme zu bereiten, nur weil es eben gerade geht. Man kann sich fetzen und auf die Gelegenheit warten, es dam anderen bei der nächsten Gelegenheit reinzudrücken. Das ist Meinungsfreiheit, trotz allem. Aber die Kommentare sind sowas wie eine Aufforderung zum Diskurs, sie sind mehr als der Leserbrief, der in der Regel im Papierkorb landet, und dieses “Dem anderen anonym seine Beiträge zerschiessen” ist mehr als nur eine Unart, es spielt denen in die Hände, die denen “da draussen” Blogs als Ursuppe des unkontrollierbaren Hasses vorstellen wollen. In manchen gezielt eingesetzten Kommentaren lebt das Üble fort, was es im Gegensatz zu all den Behauptungen der Publizistik-Profs und DJV-Chefs nur in weniger Ausnahmefällen gibt.

Die Blogosphäre ist kein Ponyhof, es gibt handfeste kommerzielle, ideologische und persönliche Interessen, angefangen beim Wunsch, sich zu profilieren, sich für einen verlorenen Prozess, eine insolvente Firma oder ein suboptimales Arbeitsverhältnis zu revanchieren, über die saubere Weste des eigenen Blogvermarkter bishin zu denen, die zwischen ihren Sexvorstellungen und den anderen nicht trennen können, was dann leider solche Folgen hat. Solange deren scheinbare Opfer nicht das Austeilen anstelle des Einsteckens bevorzugen. Es wäre nett, wenn solche Ausritte zukünftig wieder nur bei denen zu verorten wären, denen man solche Methoden qua politischer Hassäusserungen zutraut, dann ist es für alle leichter – besonders für das diejenigen, denen wegen ihres neu gewonnenen Verständnisses und ihrer folgenden Zurückhaltung nicht mittelfristig ein zweiter Ausgang in den Darmtrakt gemacht wird.

10.3.2008 | 15:37 von DonAlphonso

Der wenig erfreuliche Start von MeinVZ

Ich bitte diese meldung mit der gebotenen Vorsicht zu behandeln, aber wie es aussieht, entwickelt sich der StudiVZ-Abelger meinVZ nicht so gut, wie man das bei Holtzbrinck erwartet hat. Es gibt zwar nach Mitteilung der üblicherweise wohlinformierten Kreise in einem gewissen Bonker aufgrund der Verknüpfung der Netzwerke nominal Nutzersteigerungen, aber die Anzahl der Neuanmeldungen und die Aktivität ist eher mau. Was jetzt in meinen Augen nicht wirklich überraschend ist, denn warum sollte man von StudiVZ mit seinen vielen Mitgliedern irgendwohin, wo kaum einer ist? Durchschlagender Erfolg würde wohl auch bei Alexa – wieder mit der gebotenen Vorsicht – anders aussehen.

Dazu kommt dann wohl auch die eher negative Publicity, die StudiVZ in den letzten Wochen erfahren hat. Abmahnungen gegen Konkurrenz und das Rausrücken von Daten sind nicht wirklich gute Werbung für einen Dienst, der sozial sein will. Und auch bei StudiVZ tendieren Mitglieder schon seit längerem dazu, ihre Anwesenheit besser zu kontrollieren.

Über weitere Gründe, warum es nicht rund läuft – der Reiz den Neuen ist weg, Konkurrenzangebote, Sicherheitsbedenken, schöneres Wetter draussen – kann man trefflich spekulieren, aber meinem Gefühl nach habe ich den Eindruck, dass es sowas wie einen Charteffekt gibt: Man hat das eine Weile gehört, toll gefunden, es gekauft, andere kamen nach und fanden es auch toll, und irgendwann ist die Zahl derer, die es langweilig finden, genauso gross oder grösser als die Zahl derer, die dazukommen. Irgendwann hat man alle seine Freunde gebitchslapt und alle durchgegruschelt, die “Freundesliste” ist nicht mehr so wichtig, ausserdem ist das alles voller Kids und Erstis. Blöd, wenn dann der Ü30-Club leer und öde ist, wie es gerade bei meinVZ zu beobachten ist. Xing und Linkedin wird es freuen.

Ob diese Probleme alle Netzwerke betreffen, weil der Hype des Neuen vorbei ist (siehe eine Studie der FAZ), oder das Problem besonders bei StudiVZ und ihren Töchtern auftritt, ist mir nicht klar. Was sich allerdings nicht bestreiten lässt: Laut den Februarzahlen der IVW ist auch der Aufstieg von StudiVZ gestoppt. Selbst im bereinigten Vergleich zum zwei Tage längeren, tendenziell zu Beginn aber nutzungsärmeren Januar stagniert StudiVZ, oder muss sogar leichte Verluste hinnehmen. Das alles natürlich noch auf einem sehr hohen Niveau, aber der Aufwärtstrend scheint vorerst gebrochen zu sein: Die Visits fielen von 173.713.894 auf 168.438.732, die Pageimpressions von 6.296.956.835 auf 5.832.919.296. Auch bei SchülerVZ geht es nicht wirklich gut voran; ganz böse hat es allerdings eine andere Community erwischt. Die mit Unterstützung der Samwerbrüder gegründete Partygemeinde “Schwarzekarte” hat es im dritten Monat in Folge mit knapp 20% Verlust zum Vormonat schwer gebeutelt.

9.3.2008 | 2:15 von DonAlphonso

Widgets sind Scheisse

und werden sich in der real existierenden Form nicht durchsetzen.

In der einzigartigen Munich Area der New Economy gab es haufenweise Powerpointturner, die ganz tolle Websites mit megabytegrossen Applikationen und Filmchen und Flashintros bauten, die dann auf dem Rechner im Büro ganz toll aussahen. Traurige Berühmtheit haben damit Firmen wie Boo.com und Das Werk erreicht, die irgendwann einfach vergessen hatten, dass ein Grossteil der Nutzer all die tollen Features mangels Breitbandanwendung gar nicht nutzen kann – und wenn sie es könnten, aufgrund der völlig überflüssigen Angebote auch gar nicht nutzen wollten.

Nach dieser Phase, die in der Katastrophe endete, faselte der gleiche Startup-Müll Mobilfunkfirmen mit dem gleichen Quatsch zu. Features, die keiner braucht, und dafür Bandbreiten, die keiner will. Die Ergebnisse konnte man am Ende beim Milliardengrab UMTS und der Siemens-Handy-Sparte betrachten, oder auf der Systems 2003, auf der Vodafone die Funktion von UMTS mit WLAN simulierte. Billigmobilfunkanbietern mit Simpelsthandieherstellern geht es dagegen prima, und das widerliche Pack, das das Debakel zu verantworten hat –

scheint heute als Evangelist für sogenannte Widgets unterwegs zu sein. Widgets sind in Sachen neugründer-Phantasie sowas wie der Nachfolger des RSS-Feeds, der 2003 eine gigantische Zukunft haben sollte und heute immerhin schon 2 von 100.000 Leuten an der Bushaltestelle ein Begriff ist. Widgets sind kleine, mit hip-abgerundeten Ecken versehene Kästen für Websites, in denen die Interessen irgendwelcher Firmen und Leute typischerweise in Blogs eingebunden werden, mit deren Inhalten sie “ergänzen”. Es gibt schon etwas länger Wetterwidgets und Der Autor als Strichmännchen-Widgets, es gibt seit ein paar Jahren den Lokalisierungsdienst Plazes, mit dem man jeden, den es einen Dreck angeht, seinen Aufenthaltsort zeigen kann, es gibt angebliche Trafficerhöhungswidgets und Besucherbilderanzeigewidgets, es gibt Werbewidgets und Codeschmutzwidgets, die nach beschissenen Plugins quäken, es gibt Totladewidgets und Browseraufhängwidgets, und das verfickte Drecksding, das mir vorher wieder den Firefox abgeschossen hat, heisst qik und gilt einigen Leuten in Westdeutschland als heissester Scheiss zum Herzeigen von was auch immer, wenn nicht wieder mal die Verbindung zusammenbricht.

Und das wichtigste: Es gibt kaum ein Widget, das irgendwie sowas wie relevante Inhalte bietet, wegen derer ich eine Website besuche. Flickr war da mal die Ausnahme, aber das ist lange her, in einer Zeit vor Yahoos Zensurmassnahmen. Die restliche elende Codepest, miserabel geschrieben, eine Bremse beim Seitenaufbau und ressourcenfressend, dient fast ausschliesslich dem Aufzeigen irgendwelcher persönlichen Fehlleistungen, angefangen vom Trash, den man bei Ebay ersteigert, über Filme, die unsere Eltern nie auf Super8 gebannt hätten, bishin zu reinen Eitelkeitstools, wieviel tausend Techdeppen das Blog im Reader haben, um es dann nicht zu lesen – völlig zurecht übrigens, weil es sich in dem fremdcodebasierten Gesabbel verliert. Widgets sind ideal dazu geeignet, Kommunikation noch ein wenig dümmer und platter zu machen, warum viel im Blog schreiben, wenn man es auch im Widget schmieren kann, ein Auto-Bitchslab-Plugin hätte sicher Riesenerfolg auf dem Weg in die Myspace-Bedeutungslosigkeit, die mit ihrem Geflimmer uind Gewackel Pate für die meisten Widgets steht.

Was ja als Exit Option für Schreibfaule auch nicht weiter schlimm ist, keiner hält euch auf – solange das neueste Bloggerjamba-Klingelzeug mir nicht den Firefox gefrieren lässt, oder endlich mal ein Widget kommt, das Leser mit dem anspricht, was sie lesen oder sehen wollen.

7.3.2008 | 19:54 von DonAlphonso

Berliner Zeitung: Enteignet David Montgomery!

Nicht im Sinne von: Nehmt ihm die ruhmreiche Berliner Zeitung weg, verstaatlicht sie und lasst sie von einem Redaktionskollektiv managen, das den aktuellen Chefredakteur Josef Depenbrok mit der Klobürste alle Untiefen der Sanitäranlagen im Haus am Alexanderplatz ausloten lässt. Das wäre zwar gar nicht so unschön nach allem, was Montgomerys Hedgefond Mecom mit der Berliner Zeitung und anderen Medien angestellt hat, aber es sollte noch eine andere Lösung geben.

Denn wir haben 2008. Die Produktionsmittel für Zeitungen, die früher komplett von der Druckerei bis zum Vertrieb in den Händen eines Verlegers lagen, sind heute meistens ausgegliedert, oder werden von Dienstleistern ersetzt. Man kann heute eine Zeitung machen, indem man die Redaktion, die Layouter, Anzeigenvertrieb, ein paar Computer und Internet hat. Den Rest kann man zukaufen oder über das Netz abwickeln. Und wenn es bei der Berliner Zeitung tatsächlich so ist, dass grosse Teile von Redaktion, Layout und Vertrieb mit dem Investor und dem Chefredakteur nicht mehr können, verstehe ich nicht, wieso sie ihn nicht einfach geschlossen sitzen lassen.

Kann man nicht machen? warum eigentlich nicht? Was spräche dagegen, den Laden zu bestreiken und solange im Internet einen eigenen Notbetrieb aufrecht zu erhalten, der den Lesern zeigt, was die eigenen Anliegen sind, und welche journalistischen Leistungen man bringen kann, wenn Mecom nicht in die Suppe spuckt. Warum nicht daraus eine Alternative entwickeln, während Depenbrok und Montgomery eben keine Redaktion, keine Inhalte und keine Zeitung haben. Warum nicht die Lage und die Aufmerksamkeit nutzen, um eine Berliner Zeitung 2 zu gründen. Das Risiko kann und wird sich lohnen, denn nicht nur die Redaktion, weite Teile dieses Landes haben die Schnauze voll von investment driven decisions, die nur auf schnelle Gewinne setzen und Mitarbeiter und Firma verarschen. Redaktionsabspaltungen hatten in Umbruchzeiten oft Erfolg, die technischen Rahmenbedingungen waren noch nie so gut wie heute, und nichts könnte einer Redaktion nobler zu Gesicht stehen, als ein erfolgreicher Kamopf gegen das, was Mecom vor- und Holtzbrinck nachturnt.

Wenn der Journalismus eine Chance gegen weiches PR-Gewäsch haben will, muss er aufstehen und für seine Ideale kämpfen. Mecom, Montgomery und Depenbrok sind die Feinde der Ideale, die man sich eigentlich nur wünschen kann, wenn man die Leser in so einem Konflikt halten und mitnehmen will. Man kann in 12 Stunden ein sauberes CMS aufsetzen, und ich würde darauf wetten, dass eine Revolte genug Unterstützung von draussen erfahren wird – besonders, wenn sie sich selbst sofort weltweit kommunizieren kann. Kein Zeitungskäufer will kaputtgesparte DPA-Verbreiter, die zahlen für Journalisten, Kompetenz im Lokalen und umfassende Information mit starker Meinung. Vielleicht zahlen sie auch gerne mehr, wenn Journalisten nicht nur feige Sesselpupser sind, sondern mit vollem Risiko und Einsatz gegen diejenigen antreten, die sie kaputt machen.

Also, wie wär´s, am Alexanderplatz?

6.3.2008 | 21:22 von DonAlphonso

Zoomer und ihre “lustigen” Sprüche

Auf diesen Beitrag gab es per Mail zwei Arten Reaktionen. Die einen fragten, warum Zoomer hier gar so schlecht wegkommt. Klare Antwort: Wer unter Tarif bezahlt, wird hier nicht über Tarif wertgeschätzt. Ich kann mir zwar durchaus Situationen vorstellen, in denen ein zeitweises Aussetzen von Tarifvereinbahrungen sinnvoll ist, aber für einen Medienkonzern, der Abermillionen seiner Gewinne nutzt, um bescheuerte Startups zu kaufen, und gleichzeitig seit den Zoomer-Vorläufern News Frankfurt und Business News konsequent auf Billigarbeitskräfte setzt und sich dabei mit zynischen Hinweisen auf die Lebenshaltungskosten in Berlin einen Dreck um Tarife schert, habe ich Null Verständnis. Es gibt, selbst wenn deren Mitarbeiter auch bei schlechten Konditionen froh sind, da werkeln zu dürfen, keinen Grund der Welt, das als normal zu betrachten, genauso wie es keinen Grund der Welt gibt, sowas wie “beta.zoomer.de”auf seiner Seite zu haben:

Sowas löscht man bei denen natürlich, aber erst, wenn an der Blogbar darauf hingewiesen wird. Davor stand das tagelang so im Netz. Und weil die andere Reaktion war, dass manche es gern sehen wollten, was bei denen so geht, hier nochmal der Screenshot. Journalismus kann der schönste Beruf der Welt sein – aber das, was sie mit Tarifbruch bei Holtzbrinck zwischen Schleichwerbung und blöden Sprüchen draus machen, ist eine Schande.

5.3.2008 | 22:48 von DonAlphonso

Abgründerbloggen bei der FTD

Drüben auf meinem Privatblog wurden die Fälle von “The Care Club” und “Elly & Stoffl” schon wegen des wirtschaftlichen Hintergrundes ihrer Krisen angesprochen, hier geht es jetzt um die Blogdimension. Weil sich an den beiden sehr schön zeigen lässt, wie man es als Gründer – bzw. als das sie unterstützende Medium – besser nicht machen sollte. Denn beide Firmen haben nicht nur beim Wettbewerb enable2start der Financial Times Deutschland mitgemacht und im Falle von Elly & Stoffl mit einem Luxuskindergarten gewonnen – sie haben in der Kommunikation auch extreme Fehlleistungen in ihren Blogs verursacht.

Zuerst mal “The Care Club” mit dem Claim “Charity Shopping 2.0”, deren Inhaber selber bei der FTD eine Blogkolumne führen. Die Idee des “Social Shopping”, bei dem bei jedem Kauf ein paar Prozente für karitative Werke abfallen, ist weder neu noch besonders karitativ, schliesslich lässt sich mit dem Mitleid anderer leute blendend Geld verdienen, und das wiederum war eines der Ziele des Startups, das sich auf Kontakte zu venture Capitalists – gemeinhin keine Samariter – freute. The Care Club hat es aber insofern überzogen, als sie sich mit dem Namen erheblich an der berühmten non-profit Hilfsorganisation Care orientiert haben. Das führte nach Aussagen der Gründer zu einer phösen, phösen Abmahnung und einer Auseinandersetzung, bei der den armen Gründern aufgrund des Kostenrisikos nur der Rückzug und ein paar verbitterte Blogeinträge mit einem Hinweis auf die Probleme bei Unicef blieben. Anders als andere Organisationen blieb die Reaktion von Care sehr überlegt, mit diesem Kommentar, der die Gründer als, sagen wir mal, wenig glaubwürdig dastehen lässt:

‚The Care Club’ hat den geschützten Markennamen “CARE” widerrechtlich genutzt, um Spenden einzuwerben.CARE Deutschland-Luxemburg e.V. als Teil des Hilfswerkes CARE International ist verpflichtet, die missbräuchliche Verwendung unseres Namens zu unterbinden. Wir haben deshalb ‚The Care Club’ gebeten, einen anderen Namen zu wählen und dafür großzügige Fristen eingeräumt. Dieses Angebot wurde nicht genutzt, so dass wir rechtliche Schritte in Form einer Unterlassungsklage eingeleitet haben. Von dieser Klage hat niemand profitiert, insbesondere nicht die Anwälte, welche pro bono tätig sind.

Vielleicht sollte die FTD mal genauer hinschauen, wen sie zu solchen Blogs einlädt, und was die dann dort schreiben. Sowas kann extrem schnell ins Auge gehen, wenn frustrierte Startupper anfangen, Gegnern etwas zu unterstellen, das der prüfung nicht standhält.

Nochmal eine Runde härter ist aber das, was ein FTD-Journalist bei der Beobachtung der beim Wettbewerb siegreichen Gründerin des Luxuskindergartens blogt. Die ist nämlich nach einigen teuren Sonderwünschen und Umbauten im Gebäude in massiven Finanzproblemen, und zwar dergestalt, dass die warme Anteilsnahme der FTD ein publizistischer Bärendienst ist:

Die Summe lag 80.000 Euro über den rund 493.000 Euro, mit denen Reimers kalkuliert hatte. 60.000 davon soll Susann Reimers zahlen. Sie hat nachgeschaut – im Vertragsentwurf, den sie Ende vergangenen Jahres bekam. “Da stand ‘Pauschalpreis’. Das heißt für mich: alle Kosten sind enthalten”, sagt Reimers. Den endgültigen Vertrag bekam sie erst vergangene Woche. Nun war von einem Einheitspreis die Rede. “Danach wird jede Leistung einzeln in Rechnung gestellt.”

Das Delikate daran: Die Kosten der Einrichtung der Kita werden zu 2/3 von der Stadt München bezuschusst. 330.000 Euro bekommt die Gründerin dafür nach ihrem ersten Finanzplan, die hat sie auch schon durch den Umbau de facto ausgegeben, allerdings, wie man unschwer erkennen kann, erstmal ohne einen endgültigen Vertrag vorliegen oder unterschrieben zu haben. Dazu kommt nach Angaben der FTD nochmal eine nicht verhandelte und zu ihren Ungunsten ausgelegte Finanzierungslücke von 35.000 Euro. Es gehört nicht viel Wissen dazu zu erkennen, dass die Vergabe städtischer Fördermittel auch bei der schönsten Kita-Sauna nicht zwingend so laufen kann und wird, und dass hier jemand bis zum Hals in Problemen steckt, ohne dass es Betroffene oder Journalist überreissen würden. Wenn die Stadt oder die Medien wissen wollen, wie ohne gültigen Vertrag Finanzierungszusagen von ca. 1/3 Million verbaut werden – steht neben einem Haufen Gewinsel und reichlich ahnungsloser Schreibe alles brettlbreit im Gründerblog der FTD.

Will sagen: Wenn man schon so intelligent ist, einer berühmten Hilfsorganisation den Namen zu klauen, oder städtische Förderung ohne vertragliche Basis für Luxusschickimicki zu verbauen –

sollte man es wenigstens nicht gleich so wegbloggen, dass es jedem auffällt.

4.3.2008 | 23:21 von DonAlphonso

Gossipbar?

Interessante Vorstellung drüben bei Ethority. Die Blogbar als deutsches Surrogat für Valleywag ist zwar durchaus lobend, aber.

Das hier ist kein Dotcomtod2.0, und auch keine Startuprevue. Die Blogbar ist noch nicht mal ein Techblog – einfach, weil ich schlichtweg zu alt für das Web2.0 bin. Nicht zu alt im Sinne von “keine Ahnung”, sondern zu alt im Sinne von “Ich habe schon zu viel gesehen”. Zu all dem Schrott, den hochzuschreiben deutsche-startups.de angetreten ist, könnte ich Parallelen aus der New Economy ausgraben, die auch nicht gelaufen sind. Das Grundproblem damals wie heute: Massenhaft unreife Gründerburschis, die glauben, nur weil sie und all ihre Freunde so ticken, müsste jeder so ticken. Damals wie heute haben sie ein Menschenbild im Kopf, das nicht im Mindesten zu den realen Bedürfnissen und Fähigkeiten der Leute passt. Ich habe keine Ahnung, was später mal geht, aber ich weiss in etwa, was nicht gehen kann: 10 Startups in einer Marktnische, die nicht mal eines verträgt – Sportvereincommunities beispielsweise. Der Irrglaube, PR, Bloggen, Spass, Ehrlichkeit, Lobhudelei und Geldverdienen in ein schlüssiges gesamzkonzept überführen zu können – man betrachte nur mal die Pleite, die das 01blog der CeBit darstellt. Das alles sind: Rebellen ohne Markt.

Ich denke schon, dass ein gut gemachtes, nennen wir es mal, distanziertes Blog eines Beteiligten an dieser Szene Erfolg haben könnte. Was man bräuchte, wäre einen Don Basic, wenn man so will. Einen, der mit drinnen hängt wie Robert Basic, aber nicht von der Szene abhängig ist, und obendrein zynisch und bissig schreiben kann wie ich. Robert hat zwar seinen Kopf, aber für ein hartes Gossipblog muss man geradezu beabsichtigen, es sich mit dem einen oder dem anderen zu verscherzen. Ein Autor sollte sich einen Dreck drum scheren, was andere von ihm denken, nicht nur, weil es ihm egal ist, sondern weil die Opfer der Berichterstattung wissen, dass Nichtbeachtung noch mal schlimmer als der Verriss ist.

Der Gründe, warum es das in Deutschland nicht gibt und geben wird, nicht nur im Web2.0, sondern in vielen anderen Bereichen auch – man betrachte nur mal das Modeblog Gufugyourself – sind vielschichtig. Die bei Ethority aufgeführten Beispiele für Tech-Gossip haben das Problem, dass sie Gefälligkeits- und Schleichwerbungsblogs sind, man lese Interviews und das Gewürge, wenn Turi und Hüsing auf die Verquickung von Nettigkeiten und Sponsoring angesprochen werden – was dem einen sein Springerkonzern, sind dem anderen seine Samwers. Meines Erachtens wollen die meisten Fachblogs ihr Geld mit den Gegenständen ihrer berichterstattung verdienen, und die Leserzahlen sind da nur ein Mittel zum Zweck, PR, Werbung und billig erstellte oder zusammengeklaute Inhalte zu einem unschönen Brei zu vermischen. Ein Gossipblog wäre das Gegenteil: Ein Blog für Leser, das sie unterhält auf Kosten eitler Gecken, die trotzdem um die “Awareness” buhlen. Als Geschäftsmodell ist dieser Ansatz jedoch schwer bin undurchführbar, und man muss zudem auch noch mehr können ausser Schleimen und Abschreiben.

Insofern: Ich sehe das nicht. Es gibt weder den Willen, noch den Mut, noch die Fähigkeiten, und schon gar nicht irgendwelche finanziellen Verlockungen. Was ich allerdings sehe, ist ein Einfallstor für klassische Medien, die manche dieser Probleme mit Finanzierung, Aufmerksamkeit von Anfang an und juristischer Absicherung beheben können. Die könnten es – wenn sie andere Autoren als die extrem peinliche Annika Rinsche wie bei der WAZ zur Verfügung hätten. Bis es soweit ist, geht die Blogbar sicher weiter. Mir ist es egal, was die von mir denken, ich bin keine feige Sau und kein Arschkriecher, ich will keine Werbung und verdiene mein Geld woanders. Ich will meinen Spass – und das sind die Gefährlichsten.

4.3.2008 | 14:18 von DonAlphonso

Beta.Zoomer: Müll in the making

Wer sich mal einen Eindruck von der holprigen Arbeitsweise einer 40-köpfigen Holtzbrinck-Redaktion kurz vor dem Start verschaffen will, rufe diese URL im Browser auf:

http://beta.zoomer.de/

Das ist gewissermassen der nach dem Start nicht mehr weggeräumte Testlauf. Da wundert einen gar nichts mehr. Ganz gleich, ob rassistisch angehauchte Vorurteile wie “Alle Japaner haben krumme Beine” als Thema der Gegensprechanlage, oder Überschriften wie “Titel für Platz 2
mit zwei Umbrüchen”, oder der Contentklau bei der Sendung mit der Maus. Es sind Lach- und Sachgeschichten aus einer Arbeitswelt, die keine Tariflöhne zahlt und entsprechende Leistung bekommt. So gesehen ist das miserable Niveau, das heute gefahrenwird, fast schon journalistische Hochleistung.

Also, schnell reinschauen und lustige Artikelversuche finden – bevor sie es ausknipsen.