4.9.2008 | 1:53 von DonAlphonso

Nachgetragenes zu einer lästigen Chronistenpflicht

Ich mache absolut keinen Hehl daraus, dass ich der gesamten Branche der SEO-, Affiliate und Werdeschnellreichblogs einen möglichst schnellen Exitus an den Hals wünsche. Dieser sich gegenseitig pushende und beschleimende Misthaufen hat mit Bloggen in meinen Augen absolut nichts zu tun, und wenn so ein Stück Abschaum hier kommentiert, wird es sofort gelöscht. Dass ich mich hier gleich nochmal mit dem Thema auseinanderzusetzen habe, hat ein paar gute Gründe.

1. Das schon besprochene Blogschrott-Projekt des Teenie-SEO-Versuchers geht mittlerweile in einer hübsch peinlichen Verkaufsgeschichte unter, die nochmal einen guten Eindruck von der dort anzutreffenden Form von Professionalität bei Verticker und Notkaufendem vermittelt.

2. Vielleicht erinnert sich auch mancher an einen gewissen René Kriest, der bis vor ein paar Monaten mit, freundlich gesagt, Anleihen ähnlich monetär interessierter US-Blogs versuchte, das “Probloggen” in Deutschland voranzubringen. Mit bezahlten Blogpostings, imperinenter Werbung. “Blogparaden”, gegenseitigem Hochjazzen von Links und Besucherzahlen und suchmaschinenoptimiertem Dranhängen an “Sex-Skandalen” auf Bildzeitungsniveau. Probloggerworld hiess das Ding, und die letzte Aktualisierung stammt vom April 2008. Es sieht so aus, als habe sich der Verfasser dieser Lachnummer ausgeblogt, auch wenn die Wirtschaftswoche noch eine Liste mit wichtigen Blogs veröffentlicht hat, bei der diese Seite genannt wird.

3. Das hält aber andere nicht davon ab, die gleiche Masche zu probieren: Der aktuelle Spamdreck aus meinem Postfach verdanke ich dem Münchner Edib Isic, der mich folgendermassen belästigt:

Hi lieber Blogger

wie ich gesehen habe, hast du auch einen Blog indem du über Internet, Affiliate und Geld im Internet schreibst— hey dass ist genau dass Thema über was ich auch schreibe.
deswegen dachte ich mir, ob du evtl mal auf meinen Blog vorbei schauen könntest und evtl deine Meinung zu meinem Blog kundtun könntest.
da ich erst vor einigen Tagen meinen Blog gestartet habe wäre es super nett wenn du mir noch einige Tips geben könnntest was besser machen kann mit seinem Blog.
ich wollte dich nur kurz informieren dass mein neuer Blog unter [Edit: URL der Art eyischwerdevollfettreischischwöre.de] zu finden ist.
Bitte schaue vorbei und abonniere meinen Feed. wie ich auch deinen schon abonniert habe.
Ich hoffe du kommst mal auf vorbei und gibst mir einpaar Ratschläge wie du es auch geschafft hast dich in der Bloggerszene zu etablieren und wie man seinen erfolgreichen Blog noch erfolgreicher machen könnte.
ich hoffe in Zukunft auf eine gute Zusammenarbeit. Blogger sind nartürlich auf die Hilfe anderer Blogger angewiesen und ich hoffe wir helfen uns gegenseitig.

Eine tolle Hilfe ist nicht nur das Verhalten von Edib Isic, meine Mailadresse gegen meinen erklärten Willen abzuziehen, sondern sie auch gleich noch an 76 andere Personen zu schicken, weil er deren Adressen zusammen als Empfänger angegeben hat – darunter auch mindestens zwei Dutzend andere unerfreuliche Personen, die Blogs vornehmlich als Mittel zum Suchmaschinenspam und Werbeschaltung begreifen.

4. Zu der Frage, wie man mit derartigen Problemen umgehen soll, hat Elias freundlicherweise einen tollen Kommentar geschrieben:

Ich komme immer mehr zu der Überzeugung, dass man mit Gewinn für jedes Nachdenken zwischen einem Blog und der Blog-Software sehr genau unterscheiden sollte. Eine Blog-Software ist nichts weiter als ein sehr simpel gestricktes CMS, dessen Hauptfunktion die chronologische Anordnung der Inhalte ist, diese Grundfunktion wird oft ergänzt um eine Reihe weiterer Features, wie etwa eine Verschlagwortung, eine Ablage in Kategorien…

Ach, hier weiß hoffentlich jeder, was eine Blog-Software ist.

Diese Software allein, sie macht noch kein Blog. Genau so wenig, wie Blender allein einen Computerkünstler machte, wie Kompositions-Software allein einen Musiker machte, wie eine Textverarbeitung allein einen Autoren machte. Mit dieser Software kann ein Mensch erstmal sehr vieles anstellen, und nicht alles, was damit angestellt wird, entspricht den Absichten, mit denen diese Software ursprünglich erstellt wurde.

Trotzdem sollte man solchen Blogsoftwarestümpern hin und wieder deutlich die Meinung sagen. Nur damit ihnen ab und zu das feiste Grinsen im Gesicht verrutscht. Und Google etwas mehr findet, als penetrante Eigenwerbung und Infomüll.

31.8.2008 | 20:20 von DonAlphonso

Lästige Chronistenpflicht

Vor vier Jahren war das diesem Blog zugrunde liegende Buch gerade fertig, und ich habe darin als Vorteil der Blogger gegenüber dem Journalismus im Internet ausgemacht, dass für Blogger Leser mehr sind als eine Schweinehälfte, die es an die Werbeindustrie zu verschachern gilt.

Damals war das Thema Kommerzialisierung in den Blogs faktisch nicht existent, und ein gewisser Yannick Eckl war erst 12 Jahre alt. Jetzt, vier Jahre später, kann ich nur zweierlei sagen: Das Kommende war so nicht absehbar, und Yannick Eckl ist ein ausgesprochen unerfreulicher Einzelfall. Natürlich kann sich so einer für geschäftsfähig erklären lassen, sich zum SEO – besser vielleicht Suchmaschinenspammer – erklären und ein Blog mit den üblichen “Verlinkst Du mich verlink ich Dich”-Tricks bei Linkzählcharts nach oben bringen, er kann sich auch für redaktionelle Beiträge über Online-Games von deren Machern bezahlen lassen und mit Hinweisen auf Sexvideos auf die Jagd nach Clicks begeben, er kann RSS-Reader mit werbenden Beiträgen ohne Kennzeichnung zuknallen und hoffen, dass ihm daraus keine rechtlichen Nachteile erwachsen, und obendrein kann er auch das suchmaschinenoptimierte Blog mit allen Nutzerdaten und Mailadressen an den Meistbietenden verkloppen. Das geht alles. Und ich lerne auch dazu. Blogs sind nur eine Software, mit der vieles möglich ist. Man kann damit Welten entdecken und sich noch im minderjährigen Alter auf die Karriere im Bodensatz des Netzes festlegen, man kann Geschichten erzählen und sich zur Lachnummer machen. Alles ist machbar.

Ein Einzelfall, wie gesagt. Glücklicherweise.

29.8.2008 | 16:14 von DonAlphonso

Nichtkult

aber natürlich schon etwas Besonderes. Das Bloggen. Deas kein Kult sein will.

Es ist nämlich so: Wenn ich etwas Zeit für das Internet habe, vergesse ich sehr schnell, wo ich schon war. Es passiert mir oft, dass ich ein klassisches Nachrichtenangebot aufmache und merke: Öps. Da war ich doch schon vor fünf Minuten mal. Das ganze belanglose Zeug habe ich schon mal zunehmend genervt durchgescrollt. Blablabla, nächste Seite – ups, da war ich auch schon.

Umgekehrt gibt es auch Webseiten, bei denen ich nicht vergesse, dass ich vor fünf Minuten schon mal dort war. Wenn mein Desinteresse in Verärgerung umschlägt. Weil der ganze Medienbetriebsmüll, der mich ohnehin schon aus dem Netz anquäkt, dort nochmal überhoben und zum Kult gemacht wird. Das sind dann sehr oft Blogs und ähnliche Webprojekte, dann gerne auch mit antimedienbetrieblichem An Strich. Zweit-, Dritt-, n-Verwerter. Erregungsweltmeister. Manchmal mit Anzeigenschaltung zähmbar.

Der fühlbare Wunsch, einen Subkulturhit zu landen, das Generieren von Kult, das vom Umfeld Herausgehobene, die dauernde Bestätigung der Singularität und Unersetzbarkeit, das Schielen auf die nächste Topstory gleich nach dem Click weil jetzt anrufen und eine Wanne Geld gewinnen geht da nicht. Irgendeiner sagte mal, in Blogs gäbe es kaum Sex. Ich kenne viele Blogs, die kennen auch keine Ruhe, kein Innehalten, keine echten Schwankungen, ein erfundener Involvementbrei und das erkennbare Gefühlsleben einer Festplatte. Aber dennoch den Anspruch, sowas wie Kult zu sein. Dauerbelustigung, Tagesbegleitung, die geilste Blubbertapete seitdem das Radio ausgefallen ist, alternativ und taschengeldsuchend.

Glücklicherweise kenne ich auch sehr viele Blogs, die ganz anders sind. Und die fast durchgängig nicht in den Listen der Drängler und Linkkettenstricher auftauchen. Kein Kult, aber durchaus eine lebendige Kultur. Stille manchmal, auch sehr lang, aber zu gut, um nicht ab und an hinzuschauen in der Hoffnung, dass dort etwas Unspektakuläres steht, und nicht, weil ich im Erregungszirkus schon wieder vergessen habe, dass ich dort gerade war. Reiche Blogs, deren Wert nicht daran zu messen ist, dass sie jeder liest und findet und beipflichtet. Blogs, an denen die Echauffierungswellen vorbeitreiben, weil sie in sich selbst ruhen. Die eine Abwesenheit von Relevanzkriterien gut finden. Erzählende, die aus sich heraus etwas sind. Es gibt nicht viel dazu zu sagen, Zurückhaltung ist still und Nachdenken ist keine Sensation.

27.8.2008 | 0:22 von DonAlphonso

MC social Winsel oder: Zum Stand der Professionalisierung II

Teil 1 ist hier. In Mainz traf ich auf dem Podium und danach auf Benedikt Köhler, der dort auch die Sache der im Frühjahr gegründeten “Arbeitsgemeinschaft Social Media” vertrat. Später meinte er, er habe isch schon gewundert, warum ich hier noch nicht darüber geschrieben habe. In der Diskussion habe ich mein Grundproblem mit dem Ansatz der AG angerissen: Die AG versucht, der Beziehung zwischen Leser, Autor und Betreiber von sozialen Medien wie Blogs einen besonderen Wert beizumessen, der auch gleich verwertet werden soll. Ich habe ein anderes Verständnis von sozialen Beziehungen: Sozial schliesst eine wirtschaftliche Verwertung erst mal aus, und ich reagiere hochgradig allergisch, wenn ich bemerke, dass jemand versucht, auf einem persönlichen Kontakt plötzlich vor allem seine Geschäfte durchzuziehen. Das tut man nicht.

Abgesehen davon halte ich den allergrössten Teil der “Beziehungen” zwischen Bloglesern und Blogautoren für hochgradig irrelevant. Ich glaube auch nicht, dass ein Blogger als bezahltes “Testimonial” für eine werbende Marke andere dazu verführt, diese Marke für ebenso cool wie den Blogger zu halten. Sollte es anders sein: Um so schlimmer, denn die Verehrung von Bloggerstars ist ein sehr begrentes Phänomen und trifft ausserhalb der Blogosphäre auf wenig Verständnis. Selbst die bekannten Blogger sind nur Vertreter einer im Internet aktiven Szene unter sehr vielen anderen Szenen. Ich glaube, man kann unter Fans mit einem Snowboarder Snowboards promoten. Ich glaube aber nicht, dass irgendwelche meist fahruntüchtigen Blogger und Pausenclowns andere Blogger dazu bewegen, sich einen Opel Astra zu kaufen. Und die extrem niedrige Widerholungsrate derartiger Aktionen zeigt meines Erachtens auch, dass die Erfolge nicht allzu üppig waren.

Nun gibt es da draussen auch eine Blogger in Kiel, der sich MC Winkel nennt und sich auch als “Marke MC Winkel” präsentiert, und der als sowas wie ein Vorreiter der Selbstkommerzialisierung gelten kann. Vom gescheiterten Charteinstieg seiner Band bis zum Hundekotspielerei, von der Opeltesterei bis zur vergessenen Kennzeichnung von Werbung war sehr viel dabei, was die Blogosohäre nicht zwingend schöner gemacht hätte. Eine Sache jedoch blieb uns erspart: MC Winkel als deutsche Version eines Echtzeitmarketingprojekts von Ikea. [Disclosure: Ich würde mich gegen Ikeamöbel in meinem Haushalt ebenso wehren wie gegen das musikalische Werk von MC Winkel] Ein gewisser Nils sitzt für Ikea in einem Raum und kommuniziert mit Twitter, Telefon, Video, was auch immer mit denen, die sich das anschauen. Im Grunde ist diese Idee des Schauwohnens schon sehr, sehr alt und seit der Erfindung der Möbelgeschäfte bekannt; jetzt kommen halt noch ein paar neue technische Kommunikationskanäle dazu. Ikea hat es in den USA vorgemacht, und widerholt es in Deutschland. Und hier nun bringt sich MC Winkel ins Spiel:

Eigentlich sollte ich denen meine Idee in Rechnung stellen. Ähnliches hab ich nämlich den Marketing-Leuten Anfang des Jahres vorgeschlagen. Projekt kam nicht zustande… bis jetzt. Frechheit.

Ein paar für ihn nicht allzu schmeichelhafte Debatten später erzählt er dann die ganze Sache aus seiner Sicht: Er wollte die amerikanische Ikea-Idee an Ikea Deutschland mit sich als Hauptfigur nochmal machen, Leute einladen, Party machen, kurz (http://www.whudat.de/?p=1629)

Warum sollte MC Winkel also nicht einmal sowas haben können? Und sich das dann auch noch Alles von Ikea bezahlen lassen!?

Am Ende jedoch scheiterten die Verhandlungen seiner Behauptung zufolge daran, dass ihm Ikea nichts für seinen Auftritt bezahlen wollte.Und macht es nun ohne Party, aber längerfristig mit einer anderen Person selbst. Und ich denke, dass Ikea richtig gehandelt hat. Denn die sozialen Bindungen, die nach dem mcwinseligen Beitrag aufschlagen, sind eher von der Schattenseite der sozialen Bindungen. Da wird der andere Darsteller zum “Gesichtsgulasch”, es sei “kreativer diebstahl”, der Blogger solle sich dafür von Ikea die Bude neu einrichten lassen, oder sie verklagen.

Die Fans, die uns hier gegenüberstehen, hätte Ikea natürlich auch mit Freibier abfüllen oder mit kostenlosen Backlinks ködern können, aber darum geht es Ikea vermutlich nicht. Was wir hier sehen, ist ein ziemlich zynischer Zugang zum Werbenden, der nur etwas gelten würde, wenn er zahlt, und verteufelt wird, wenn er sich gegen den Anführer der Fans entscheidet. Und obendrein haben wir noch eine “Marke MC Winkel”, die diese Reaktionen durch seine indiskreten Erzählungen aus den Verhandlungen mit Ikea hervorruft. Das ist nun mal social media in Reinkultur, und ich habe arge Zweifel, ob das Verpfeifen von ausgestiegenen Geschäftspartnern an den eigenen Mob hilft, diesen Bereich der Professionalisierung der Blogosphäre voranzubringen. Ich sehe da einfach keine Kunden, die ich würde haben wollen. Und niemanden, von dem ich meine Ziele vertreten lassen möchte.

Ikea hat sich entschieden, sich selbst einen – möglicherweise auch der Kuindschaft eher entsprechenden, keine Waschbeckenpinkeleien veranstaltenden – Charakter zu erschaffen und zu versuchen, ihn als soziale Identifikationsfigur zu entwickeln. Ich glaube nicht, dass sie Erfolg haben werden. Aber lieber kein Erfolg, als beim Kaufversuch von nicht sozial angelegten Loyalitäten draufzuzahlen.

24.8.2008 | 9:01 von DonAlphonso

Verschärfung des Datenschutzes?

Sofort. Ja. Bitte. Gerne auch mit hohen Strafen gegen die Kriminellen, die damit illegale Geschäfte machen. Und eine massive Ausweitung auch auf den Bereich der Persönlichkeitsrechte. Ich fände es durchaus legitim, wenn Gossenmedien, die sich die Bilder ihrer Sensationsberichte im Internet gegen den Willen der Betroffenen zusammenstehlen, ebenfalls betroffen wären. Wie auch die Firmen, die den Schutz der ihnen anvertrauten Daten nachlässig betreiben.

Ich finde es auch nicht übertrieben, wenn Leute wie Glos jetzt gleich mit dem Gesetz kommen, statt eine tränendrüsige Verschiebung des Problems auf die Nutzer und Opfer zu propagieren, den mündigen Nutzer einzufordern, der selber auf seine Daten aufpasst. Eigenverantwortlicher Datenschutz ist angesichts der Erfolge von StudiVZ, Werkenntwen und anderen Angeboten ein schlechter Witz, weil die Ansätze von Schnüfflern und Datendieben auch bei hohen Hürden über Umwege zu relevanten Ergebnissen kommen. Und man auch nicht erwarten, dass sich jeder durch die Selbstliterarisierung schwer greifbar macht. In einem offenen Raum wie dem Internet wird man sich nie so gut schützen können, dass ein Angreifer nicht doch zu seinem Ziel kommt. Es sei denn, da ist jemand, der den Anreifer niederballert und seine Eingeweide umsortiert.

Ih bin in diesem Kontext übrigens auch für empfindlichste Geldstrafen für Firmen, die sich nicht an hohe Standards beim Datenschutz halten, gerne auch bis zum Ruin. Die Schludrigkeit von Startups und Call Centern wird sich nicht mit netten Worten ändern. Das geht nur, wenn ab und an einer von denen tot und ausgeweidet gut sichtbar über dem Zaun hängt. Es darf bei der Weitergabe von Daten kein Opt-out mehr geben, und keine automatische Zustimmung, wenn eine Frist verstreicht. Natürlich sind das extreme technische Herausforderungen für Firmen, aber auch Banken bekommen Tresore nicht geschenkt. Es sind vielleicht auch Einstiegshürden für Startups, aber ich bin nicht der Meinung, dass Firmen, die mit den Daten ihrer Nutzer schlampig umgehen, wirklich nötig sind. Den Nutzer kann man sicher auch nicht aus der Verantwortung entlassen, aber wer ihm in den AGB und Datenschutzbestimmungen vorgaukelt, sein System sei sicher, sollte die Konsequenzen tragen. Allein schon, damit diejenigen, die sich Mühe geben und sauber spielen, keine Nachteile haben.

21.8.2008 | 0:04 von DonAlphonso

Cisco: Blogs als PR-Waffe

Der Netzwerkausrüster Cisco Systems hat im Internet nicht gerade den besten Ruf: Es war die Technik dieser Firma, die es dem chinesischen Mörderregime erlaubt, das Land effektiv gegen regimekritische Seiten und anderes unerwünschtes Material abzuschotten. Relativ gesehen mag das, was nun in Amerika bekannt wurde, eine lässliche Sünde sein, aber es zeigt doch, wie weit mittlerweile Verflechtungen zwischen interessierten Firmen und angeblichen Watchblogs und die Reaktionen daraufgehen können:

Da gab es also ein Watchblog, das sich “Patent Troll Tracker” nannte, anonym betrieben wurde und sich mit amerikanischen Patentanwälten und deren mitunter fragwürdigen Methoden auseinandersetzte. Patent Troll Tracker war alles andere als erfolglos und wurde ein Problem für seine Gegner, so dass eine Anwaltskanzlei 10000 Dollar Belohnung für die Enttarnung des Bloggers anbot. Wie sich dann herausstellte, war diese Person eben nicht nur laut Selbstbeschreibung “just a lawyer; interested in patent cases but not interested in publicity”, sondern ein Angestellter von Cisco, die selbst immer wieder mit derartigen Klagen zu tun haben. Und nun werden Cisco, der Vorstand für geistiges Eigentum und ein ehemalige PR-Manager wegen etwas verklägt, was man in Deutschland vielleicht als “üble Nachrede” bezeichnen könnte. Allzu gut steht Cisco dabei nicht da, denn offensichtlich war das Treiben des Angestellten kein Geheimnis:

Noh and Yen said in court filings Monday that while they were aware that a Cisco employee was regularly posting articles on the blog, they “did not review the articles at issue prior to their publication, and did not forward or otherwise circulate the articles to any other person.”

Unabhängig von der juristischen Bewertung und der vermutlich nicht unehrenhaften Intention des Bloggers bleibt meines Erachtens bei dieser Geschichte ein äusserst bitterer Beigeschmack. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Cisco diese Geschichte nicht hätte stoppen können, wenn sie gewollt hätten. Natürlich kann man anonym arbeiten, aber wenn die Anonymität eigene Interessen verschleiert, ist das nicht mehr in Ordnung. Gerade Watchblogs, die besser als ihre Objekte der Beobachtung sein wollen, müssen sich fragen lassen, wie sie es denn mit allgemein üblichen Standards halten: Offenlegung persönlicher Beziehungen, Hinweise auf eigene Verwicklung, Ehrlichkeit gegenüber der selbst erschriebenen Öffentlichkeit. Dinge, die kaum erfüllt sind, wenn ein Vorstand akzeptiert, dass ein Blogger/Angestellter anonym gegen Gegner schiesst.

Und es wirft – für mich selbst nach den Erfahrungen mit Dotcomtod – alte Fragen auf: Wie glaubwürdig ist ein Watchblog, das von Betroffenen finanziert und unterstützt wird? Wie trennt man zwischen privatem und öffentlichem Interesse? Wo ist die Grenze zwischen dem Recht, über Missstände zu informieren, und der Grauzone, in der man die Öffentlichkeit für die eigenen Ziele instrumentalisiert? Besonders bitter erscheint mir der Fall angesichts des Umstandes, dass es ohnehin zu viele Gefälligkeitsschreiber gibt, und Trittbrettfahrer wie Sevenload, die sich nach einer Löschung von investigativem Material mit pseudokritischen Peinlichkeiten unter ihrem sonstigen Trashangebotnicht entblöden. Kritische Berichterstattung und investigatives Arbeiten ist nicht typisch für Journalismus, und wer es tut, sollte am Ende nicht nur etwas “besser” als die Gegner sein, sondern sowas wie “gut”. Wer das nicht schafft, nützt letztlich nur denen, die mit solchen Fällen leichtes Spiel haben, Whistleblower, anonyme Informanten und Watchblogger zu diskreditieren.

19.8.2008 | 9:54 von DonAlphonso

Blogs und das Lokale

Ab und an hört man auf Kongressen auch Ideen, dass Blogs in die Lücke stossen könnten, die Zeitungen durch den Abbau ihrer Lokalredaktionen hinterlassen. Tatsächlich gab es auch schon ein paar wenig erfolgversprechende Versuche von Medienhäusern, so etwas selbst zu initiieren, beispielsweise Opinio der rheinischen Post, die Nutzerbeteiligung des blogähnlichen “Echo-Münster” oder das Gebettel der WAZ-Plattform derwesten, dort einer Community beizutreten und damit das hauseigene Sparprogramm bei den Lokalredaktionen durch user generated Dorfeppenhilfsarbeit wie Geotagging zu belohnen.

Umgekehrt gibt es durchaus schon einige regionale Blogs, und über die Jahre waren nicht alle so erfolglos wie das Gestöpsel von Minga.de. Aber auch nicht so erfolgreich, dass sie eine ernstzunehmende Alternative zu Regionalzeitungen wären. Man tut den Betreibern sicher nicht unrecht, wenn man ihnen keine absolute Hingabe an das Thema nachsagt, und damit eine Haltung, die es vermutlich wirklich bräuchte, um es einmal den Lokalblättern wirklich zu zeigen. Mal ganz abgesehen davon,dass man sich in Bloggerkreisen noch immer erheblich falsche Vorstellungen vom Thema Internetnutzung am Morgen oder in der Arbeit macht.

Ich persönlich habe den Eindruck, dass unter Bloggern das Lokale, oder das, was sie selbst als das Lokale wahrnehmen, das Internet selbst ist. Das Wort von “Kleinbloggersdorf” ist nicht mein Ding, aber gewisse Mechanismen der Debatten und Gespräche erinnern tatsächlich mehr an den Dorfklatsch, denn an extrem effiziente Medienkonglomerate. Dorftratsch ist im Moment vor allem das sogenannte Microblogging, oder auch die Frage, ob man Mails veröffentlichen darf, oder die Freude mancher, dass man jetzt endlich wieder irgendwelchen Leuten die Daten der Besucher in den Rachen schmeissen darf, nachdem sich auch schon Google über diese Informationen freut. Ich habe jetzt über Nacht darüber nachgedacht, ob es überhaupt schon mal ein lokales Thema gab, das in den Blogs ganz gross rauskam. Und es ist mir nichts eingefallen.

Was es gibt, ist eine gewisse lokale Verortbarkeit mancher Blogs, aber selbst da sehe anderes, was weitaus dominanter ist: Soziale Gruppe oder Selbstdefinition, das Bemühen um Coolness oder die Verortung zwischen Mainstream und Indie, zwischen privatem Erzählen und öffentlichem Preisgeben, und all das unter dem grossen Begriff des Internets, das die Inhalte natürlich über weite Strecken beeinflusst. Dazu kommt noch, dass eine grosse Teile der bekannteren Blogger neben dem Bloggen und ähnlichen Tätigkeiten im Netzumfeld nur ein sehr begrenztes Realleben haben, was sich dann auch schon mal in Wünschen nach immer neuen Barcamps ausdrückt, wo man andere trifft, die sonst auch nichts mit ihrer Freizeit anzufangen wissen und sich schlecht fühlen, wenn nicht alle drei Minuten ein Update auf dem iPhone auftaucht. Und wer die meisten anderen Sozialgestörten zum Bejubeln der Sozialstörung zusammentrommelt, ist der King und bekommt das auch durch einen Kumpel beim Tagesspiegel bestätigt.

Ich bin hier gerade in einem echten Dorf, ich bekomme ähnliche Verhaltensstrukturen durchaus mit, ich sehe die Menschen, die ohnehin dauernd zusammenhängen, am Abend in Tracht in der Tenne vor Bier und Würsten sitzen, und vermutlich reden sie genauso inhaltsleer über das Leben in diesen kleinen Sozialsystemen und halten es für gross, toll und die einzige Art zu leben, bis es als Thema selbststabilisierend und definierend ist. Es ist diese Haltung, die unkritischen Lokaljournalismus nährt und überall auf der Welt einen engagierten Lokaljournalismus zur Netzbeschmutzung werden lässt. Das ist im Internet auch nicht anders, warum auch nicht, es steht nirgendwo geschrieben, dass das Lokale nicht auch der entgrenzte Ort des Internets und seine Mäuerchen, Hecken und Zäune rund um die Schrebergärten der Blogs ist. Es ist ok, es ist legitim, und deshalb sehe ich auch nicht, warum so etwas wie Lokaljournalismus im Netz funktionieren sollte – wer erst mal so weit im Netz ist, dass er wirklich Blogs als Informationsquelle ernst nimmt, hat einfach andere Interessen und Definitionen von relevanten Inhalten als der Miesbacher Trachtenfreund, dem er nur insoweit gleicht, als sich der eine zur Erkennung seiner Einheimischkeit ein Hirschhornbapperl auf seine Latzhose klebt, und der andere ein @ vor den Namen.

16.8.2008 | 23:15 von DonAlphonso

Cognitive Dissonanz oder auch Das Internet von vorvorgestern

Am Freitag war ich auf einem Podium in Mainz mit Teilnehmern vom Jurassic Park Broadcasting ZDF bis zu Julius Endert von Blinkenlichten, der die Zukunft des Fernsehens nicht nur im Internet sieht, sondern auch gestalten will. Und das Ganze fühlte sich ein wenig wie eine Zeitschleife an, denn die gleiche Debatte hätte man 2001 nicht nur führen können, sondern man hat sie auch schon geführt. 2002 hatte ich das Vergnügen, eine Veranstaltung zum Thema mobile content zu moderieren, und es ist schon etwas erschreckend, ein paar Jahre später die gleichen Ideen neu verpackt als neuesten heissen Scheiss präsentiert zu bekommen, inclusive der weitgehenden Ausklammerung der Refinanzierungsfrage, aber mit jungen Mädchen, die von Zeitungen ohne Einweisung mit der Filmkamera rausgeschickt werden. Und anderen, die glauben, dass Handyjournalismus das nächste tolle Ding ist.

Es spricht wenig dagegen, schon mehrfach gescheiterte Konzepte neu aufzugreifen nach dem Motto “Millionen mussten auch erst mal sterben, bis man endlich von der Kanonenkugel endlich bei der Atombombe war”. Was mich aber schon etwas verwundert, ist die mitunter geschichtsklitternde Ignoranz beim Ausrufen neuer Trends ohne Rücksicht auf Erfahrungswerte. Angereichert mit einer Technikgläubigkeit, die 10 Megapixel einer Kamera mit einem guten Bild gleichsetzt. Die in “All Platform Journalists” ein Modell für eine Zukunft sieht, ohne auch nur einen Gedanken an die Untauglichkeit aller Plattformen für jeden beliebigen Inhalt zu verschwenden. Ãœberhaupt: Das Internet als Allheilmittel im Streit der Kanäle untereinander, als müsste etwas nur online sein, und die Sache wäre gut. Man kann wieder prima anderthalb Stunden über Medien im Web2.0 reden, ohne die Frage der Qualität der Berichterstattung, Glaubwürdigkeit oder gar Relevanz von Information anzusprechen oder dem zu machen, was es ist: Die in letzter Instanz absolut entscheidende Frage.

Und da frage ich mich schon, wo eigentlich der Lerneffekt aus dem Untergang der New Economy geblieben ist. Denn ein fraglos geändertes Nutzerverhalten durch Youtube, Bilderdienste und Kommunikationskanäle ist erst mal die Auflösung aller mediendefinierter Hierarchien, und ein Grundproblem der New Economy war, dafür weder die richtigen Inhalte anbieten noch ihre unzureichenden Inhalte kommerzialisieren zu können. Damals wie heute hoffte man massiv darauf, dass es die Werbung schon richten würde; damals hatte man neben dem eigenen Niedergang die Folgen des Terroranschlags vom 11. September, heute hat man die Kreditkrise, und miserable Click-Through-Raten, Tendenz weiter fallend.

Die Ergebnisse so einer unbedarften Haltung kann man sich dann bei Zoomer.de anschauen: Miserabel ausgeleuchtete Videos mit Zombieaussehen und Ton aus der Gruft, Gefälligkeitsschreibe für ein Zielpublikum auf dem netzbasierten White-Trash-Trip, und trotz riesigem Werbeaufwand bei StudiVZ unterirdische Nutzerzahlen, die nach ein paar Monaten einen Relaunch nach sich ziehen. Oder Germanblogs. Oder PiYoBo. Oder Ivyworld. Oder Watchberlin. Oder die eingegangene Max mit Flickr. Oder die FAZ, die ihren eher konservativen Lesern einen brandneuen, supigeilen “Reading Room” als Rückkanal anbieten wollte. Diese spezielle Zukunft hat längst begonnen, die Welle rollt seit ungefähr 2004, es gibt sehr, sehr viele Fehlschläge, aber es geht scheinbar immer weiter mit lustigen neuen Ideen Anno 2000 in neuer Verpackung.

Vier Jahre Web2.0. Eine absolut maue Bilanz. In der realen Wirtschaft hätte man ein derartiges Projekt schon nach 2 Jahren einer gnadenlosen Revision unterzogen, aber im Netz wird weitergestümpert. Es gehört zu den Grundüberzeugungen des Internets, dass man hier draussen vorne dran ist und die Zukunft gestaltet, aber für mich sind das die alten Fehler in neuer Atemlosigkeit, und das, obwohl man Jahr und Jahr Zeit hatte, sich gründlich zu überlegen, was man tun will, wen man erreichen möchte und wie man adäquat auf die Demokratisierung der Medien reagiert. Und ich sitze auf einem Podium und muss ausführen, warum Technik alleine vollkommen wertlos ist.