20.6.2007 | 12:00 von DonAlphonso

Marken und Marktwert von Blogs I

Es gab im letzten Jahr drei ernsthafte Übernahme- und Kooperationsangebote für die Blogbar. Einmal eine Agentur, die vollkommen indiskutabel war, und zwei bekannte deutsche Qualitätsmedien. Mit denen habe ich mehrere Gespräche geführt, in einem Fall bis zu dem Punkt, an dem es nur noch um Bagatellen ging, die dann aber ausschlaggebend waren für meine Entscheidung, es bleiben zu lassen. Bezahlung, Umfeld, Ausrüstung, Ausbau und Verankerung bei den Medien als externes Angebot waren prima und durchdacht. Die Blogbar wäre vom Konzept her so geblieben, wie sie ist, wir hätten lediglich das Layout an das Medium angepasst, es im Header erwähnt und verlinkt. Keine Werbung, keine Abhängigkeit, meine Leitung, eine journalistische Spielweise, auf der das Medium auch mal journalistische Dinge austesten kann, die in ihrem Angebot nicht möglich wären. Am Rande: Eines dieser Medien kooperiert bei der Suche mit Yahoo. Es war meinen Gesprächspartnern vollkommen klar, dass sich das mit der Blogbar nicht vertragen würde, und man deshalb eine andere Lösung entwickeln müsste.

Aber im Kern waren da zwei Punkte, weshalb ich froh bin, es nicht getan zu haben. Einerseits dachten mir beide Anbieter viel zu kurzfristig. Bloggen ist zwar schnell, aber es hätte keinen Sinn gemacht, die Blogbar als Spezialprojekt mit einem Budget grösser zu machen, als sie jetzt ist, wenn die Partner nach einem Jahr kalte Füsse bekommen. Andererseits war es die Grundidee, eine Art Brücke von einem bekannten Medium in die Mitte dessen zu schlagen, was sich im Netz neu entwickelt. Ich habe die Gespräche sehr desillusioniert verlassen, weil die andere Seite nicht versteht, was sich hier entwickelt hat, und die Aufgabe völlig unterschätzt hat. Es ist normal, dass solche Pläne scheitern, und es war mit einigem Abstand betrachtet die beste Lösung.

Bei solchen Gesprächen hat man es nicht nur mit Journalisten zu tun, sondern auch mit Vertretern der geschäftlichen Seite. Ich fand es sehr spannend, mit denen zu reden, denn sie haben eine ganz andere Sicht auf Blogs. Für sie ist ein Bliog ein vergleichsweise kleines Investment, das sich nicht zwingend über Werbung oder Vermarktung refinanzieren muss. Was diese Leute suchen, sind Marken mit einem gewissen Wert. In einem der beiden Fälle kam der Impuls für das Angebot dann auch atsächlich aus dem wirtschaftlichen Bereich des Medienkonzerns, denn die haben sich überlegt, welche Marken im Internet zur Firma passen könnten. Die Idee war, grob gesagt, mit der Kooperation denen “da draussen” zu zeigen, dass man verstanden hat und bereit ist, sich auf das Neue voll und ganz einzulassen. Betriebswirtschaftlich macht es vermutlich mehr Sinn, sich innerhalb des Neuen eine Plattform zu suchen, auf der man aufbauen kann, als mal wieder die eigenen Leute mit peinlichen Blogversuchen zu versenken. Und es existiert mittlerweile auch die Erkenntnis, dass man ohne Hilfe hier draussen kaum Chancen hat, eine gewisse Bedeutung zu erlangen.

Das Amüsante ist nun der Vergleich zwischen journalistischer und wirtschaftlicher Leitung. Für die Journalisten ist so ein Blog einerseits die Basis, auf der sie expandieren und neue Wege erproben wollen. Weil ihnen diese Basis aber nicht sicher genug ist, wollen sie Mitspracherechte und Kontrollen. Die Konzernleute dagegen sehen es anders: Die sehen die Marke, bewerten und bezahlen sie und wollen keinesfalls, dass irgendjemand daran rumpfuscht und schon wieder ein Debakel verursacht, nachdem die Redaktion schon mal ziemlich viel Geld mit anderen gekauften und falsch integrierten Marken versenkt hat. Integrieren oder entwickeln, Kontrollieren oder wachsen lassen war die Frage, und man fühlt sich dann wie der Baum, bei dem Gärtner darüber reden, ob er bonsaimässig abgekniffen oder im Park gepflanzt werden soll. man ahnt es: Dass die parkliebenden Manager zwar konzeptionell die Freiheit der Marke Blogbar durchgesetzt haben, die bonsaischnibbelnden Journalisten aber letztlich die Umsetzung betreut hätten, war in einem Fall der Punkt, an dem klar wurde, dass es so nicht geht. Man macht die Kluft zwischen Journalismus und dem hier draussen nicht dadurch kleiner, dass man die Marke über den Abgrund zieht und hofft, dass man damit leichter rüberkommt und das Ding schon irgendwie fliegen wird.

Denn das Ding fliegt nicht. Wir sehen gerade an den diversen Debatten um Werbung für Yahoo und den Grimmepreis, wie sensibel Blogleser und andere Blogger auf Verschiebungen des Gesamtgefüges reagieren. Wähend medien erfolgreich alles versuchen, vertikale Marken zu sein, ist die Blogosphäre eine Netzwerkstruktur. Die Blogbar ist erst mal nur ein Buch, eine Website und Texte. Sonst nichts. Die Marke Blogbar machen die Leser aus, die Reichweite, die Struktur dieser Reichweite, der Einfluss, die Kommentatoren und auch die Feinde. Um mal ein Beispiel zu bringen: Es ist für die Marke und ihren Wert überhaupt kein Problem, wenn man einen abfälligen Kommentar bei einem Koofmich findet; das Geschrei der mit Werbung vollgeklatschten Feinde wegen der kommerziellen Unabhängigkeit ist eher Auszeichnung denn Verlust der Reputation.

Die Markenbildung ist also zentral abhängig von dem, was die anderen tun und schreiben. Das ist meines Erachtens auch das, was der Spreeblick, Stefan Niggemeier, felix Schwenzel, René Walter und andere wie Flickr im Moment erleben und noch lange Zeit erleben werden: Wenn man ein Blog als Teil einer Netzwerkstruktur plant und aufbaut, kann man sich nicht mehr völlig frei und unabhängig bewegen. Entweder man schafft es, die Nutzer an einen Wandel zu gewöhnen oder ihn nachvollziehbar zu erklären. Das ist eine Kunst. Oder man ändert die Grundausrichtung und glaubt, dass man schon irgendwie damit durchkommt. Das ist die Realität. Die Nutzer, oder zumindest manche Nutzer wissen sehr genau, dass sie mehr sind als nur dummes Klickvieh oder blinde Fans, auf deren Vermarktung sich Adical nach eigenen Worten spezilisiert hat. Fans sind nur ein kleiner teil des gesamten Sozialgefüges der Blogs; ich persönlich hätte weniger Angst vor dem, was kritisiert wird, als vielmehr vor denen, die nichts mehr sagen. Genauso, wie sich momentan manche ärgern, jemals Flickr eingebunden zu haben, würde ich heute nicht mehr Nerdcore verlinken, selbst wenn er ein Video von das Bundeskanzler bei der Annahme eines Briefumschlages von der INSM hätte.

Die klassische Antwort der Blogmarken auf solche fundamentalen Verwerfungen ist: “Ist mir doch egal, auf die paar Meckerer kann ich prima verzichten. Und wer sagt, dass er mich aus dem Feedreader schmeisst, kommt dann eben so vorbei und guckt Werbung.” Im zweiten Teil schauen wir uns ein paar historische Fälle an und überlegen uns, ob man sich das tatsächlich leisten kann.

20.6.2007 | 10:24 von DonAlphonso

Judith, Lilli und Grimme

Es ist vielleicht nur ein Detail am Rande des grossen Skandals um die Mauscheleien und Preiszuschubser beim diesjährigen Grimme Online Award. Aber nachdem die Frage aufgeworfen wurde, ist es durchaus sinnvoll, etwas über die Informantin zu schreiben, die mit zwei Kommentaren unter anderem hier bei der Blogbar unter den Namen Judoth und Lilli die Panne der vorzeitigen Bekanntgabe der Gewinner aufdeckte.

Es gibt eindeutige Nachweise, dass Lilli keine interne Quelle ist. Der zeitliche Abstand zwischen der Onlinestellung der Ergebnisse und den Kommentaren ist meines Erachtens zu kurz, als dass jemand mal schnell die fundamentalen Kennzeichen so eines Kommentars wechseln könnte. Darüber hinaus weiss ich durch andere Eigenheiten, dass “Lilli” nicht den Mitarbeitern von Grimme angehört. Ich glaube, dass sie nicht zufällig hier gepostet hat, und ich glaube, sie wusste, was sie tat. Sie hatte diese Information gefunden, sie war nicht froh darüber, und sie hatte keinen anderen Weg, sie zu veröffentlichen.

Ich glaube, ich weiss, wer sie ist. Und ich bin froh, dass es in dieser ekelhaften Geschichte auch noch Leute wie Lilli gibt. Und wer ein wenig Ahnung von Kulturgeschichte hat, wird bei der Wahl der beiden Namen um ein Lächeln nicht herumkommen.

19.6.2007 | 12:36 von DonAlphonso

He Marl! Es reicht!

Dann zieht endlich die Reissleine und sagt das ekelhafte Preisschubserding formerly known as Grimme Online Award ab, wenn ihr es schon nicht könnt und Eure Partner Versager sind!

Dass hausgemacht.tv als Gewinner des Publikumspreises zu dieser Zeit auch schon fest stand, erklärt Hagedorn so: “Aus technischen Gründen” habe die Abstimmung auf der Seite des Partners “TV Spielfilm”, der für die Abwicklung des Votings zuständig sei, bereits am Nachmittag beendet werden müssen. “Das hat uns auch sehr überrascht”, sagt Hagedorn.

Zur Erinnerung: Hagedorn ist der Herr, der Kritik so lässig abbügelt, wenn er im Interview die Fragen von seinem EX-PR-Mann gestellt bekommt.

19.6.2007 | 11:36 von DonAlphonso

Wenn ich das Grimme Institut wäre II

Das Grimme Institut hat nach diesem Grossdebakel trotz allem einen Verteidiger: Den mittlerweile doppelten Awardträger und für Yahoo werbenden Stefan Niggemeier. Wenngleich er selbst seinen Lesern die Frage stellt, ob er den Award jetzt überhaupt will, hat er immer noch ein klares Feindbild: Die Blogger, die mit anderen den Fall erst ins Rollen gebracht haben:

es gibt an dieser stelle nichts mehr, was grimme tun oder sagen könnte, was den blutrausch von don und fixmbr (und ich fürchte auch deinen) befriedigen würde, außer, dass es das institut seine vollständige selbstauflösung bekannt gibt. und selbst das würde euch nur reichen, wenn sie es vor 13 uhr schaffen.

Es ist bei von Yahoo bezahlten Bloggern momentan sehr beliebt, auf fixmbr einzuprügeln, weil sie von “Blutbloggern” sprechen, und Stefan Niggemeier ist viel zu gut vernetzt, als dass ihm jetzt andere Teilnehmer des käuflichen Bloggersystems für die sprachliche Entgleisung des “Blutrausches” ähnlich an die Karre fahren würden. Das Grimme Institut hat eine Reihe von Fehlern gemacht, über die hier geredet wurde, unter Blutrausch stellt man sich gemeinhin etwas anderes vor, die Worte “Axt” oder “Kettensäge” oder gar “Headashot mit 45”, wie jüngst bei Yahoowerber Spreeblick in einem Kommentar zu lesen war, sind beispielsweise nie gefallen.

Dabei gab es durchaus konstruktive und ernst gemeinte Vorschläge, wie man die Probleme lösen und dabei das Gesicht wahren kann. Das Grimme Institut und seine Jury haben sich jedoch anders entschieden, und jetzt klingeln sicher viele Medien in Marl an und wollen wissen, was zum Teufel da wie gelaufen ist. Wenn sie klug wären, würden sie jetzt den Befreiungsschlag versuchen. Schnell, bevor alles den Bach runter geht. Ich bin gerne bereit, dabei mit einer hübsch formulierten Vorlage zu helfen:

Marl – Durch eine bedauerliche Fehlschaltung unserer Website wurden am Montag, den 18. Juni die Gewinner der Grimme Online Awards vorzeitig veröffentlicht. Besonders durch den vorzeitig bekannt gegebenen Sieg von “hausgemacht.tv” in der Kategorie Publikumspreis und des ehemaligen Jurymitglieds Mario Sixtus in der Kategorie “Bildung und Wissen” entstand leider bei manchen Beobachtern der Eindruck, die Vergabe des Grimme Online Award würde durch unsaubere Machenschaften beeinflusst.

In den letzten Stunden haben das Grimme Institut und die Jury des Grimme Online Award intensiv über die Bedeutung und die Folgen der Vorfälle diskutiert. Wir sind zu dem Entschluss gekommen, dass es nicht sinnvoll ist, angesichts der im Raum stehenden Vorwürfe und Diskussionen weiterzumachen, als sei nichts geschehen. Deshalb wird die Verleihung, die für den 20. Juni geplant war, auf unbestimmte zeit verschoben.

Obwohl die Entscheidung der Jury unabhängig vom Grimme Institut gefallen ist, sieht sich auch das Institut aufgrund seiner Rolle als Organisator nicht in der Lage, sämtliche Vorgänge rund um den Award aufzuklären. Jury und Institut haben in Übereinstimmung beschlossen, das gesamte Verfahren von der Nominierung über die Abstimmungsmodalitäten insbesondere unter der besonderen Berücksichtigung einer Verlosungsaktion von “hausgemacht.tv” von einer unabhängigen Komission klären zu lassen.

(Namen, am besten aber nicht der Boss des Netzwerk Recherche, Kai Dieckmann, ARD-Präsidenten und Comical Ali. Und auch keine Schwippschwager oder Werbenetzwerkkumpels der Jury)

Die Kommission wird öffentlich tagen. Die Sitzungen werden per Lifestream und Podcast im Internet zu sehen sein. Auch die zu erarbeitenden Vorschläge der Kommission für die Richtlinien der Jury werden im Internet zur Diskussion gestellt

Mario Suxtus, der einer der Preisträger gewesen wäre, hat uns zudem mitgeteilt, dass er unter den gegebenen Umständen auf den Award verzichtet. Wir respektieren die Entscheidung und entschuldigen uns für die von uns verursachten Irritationen, die im Verlaufe dieser Entscheidung nicht dem der Förderung von Offenheit, Qualität und Transparenz im Internet dienten, die zu stärken wir eigentlich angetreten sind.

Das wäre ein durchaus gangbarer Weg, die Probleme erst mal vom Hals zu bekommen. Derr sauberste aller Wege für alle Beteiligten. Ganz einfach. Kein grosses Drama, lesson learned, man lädt die Kritiker mit ein, man spielt endlich offen und nimmt das verfilzte Mauschelzeugs komplett raus. Kein Blutrausch, nirgends.

Und ich bin mir absolut sicher, dass sie das genau nicht tun werden. Sie werden es einfach durchziehen. Die da oben. Was sind schon so´n paar Blogger. Eh nur Schreihälse. Sagt ja auch ein führender Blogger selbst, gell? Der mal in der Jury des Grimme TV-Awards war und es normal findet, dass man sich kennt.

18.6.2007 | 23:16 von DonAlphonso

Grimme Online Award: Jurymitglied Preis zuschubsen klappt, Internet dagegen nicht.

So ein Pech aber auch: da hat diue Jury des Grimme Online Awards tatsächlich das von ihr für den Preis nachnominierten Mario Sixtus nun auch gewählt. Und blöderweise die Informatgion der Schande für alle Beteiligten schon jetzt vorzeitig die Information veröffentlicht:

Preisträger 2007

Die Preisträger für den Grimme Online Award 2007 wurden am 20. Juni 2007 bei der Preisverleihung in der Vulkanhalle in Köln gekürt. Bis zum 18. Juni 2007 konnten Sie bei unserem Medienpartner TV Spielfilm aus den nominierten Websites Ihren Favoriten für den Publikumspreis auswählen.

Die Preisträger für den Grimme Online Award 2007 in der Bildergalerie.

Die Preisträger des Grimme Online Award 2007 sind:

* Information
* Wissen und Bildung
* Kultur und Unterhaltung
* Publikumspreis

Preisträger des Grimme Online Award INFORMATION

* Fudder- Neuigkeiten aus Freiburg
* Stefan Niggemeier – Blog
* Tagesschau-Blog

Preisträger des Grimme Online Award WISSEN UND BILDUNG

* Elektrischer Reporter

Preisträger des Grimme Online Award KULTUR UND UNTERHALTUNG

* Nach 100 Jahren
* Polylog.tv

Preisträger des Publikumspreises zum Grimme Online Award

* hausgemacht.tv

Dass hausgemacht.tv nun nach der ausgesprochen wackligen Nachnominierung und ein paar Wochen Existenz den Publikumspreis bekommt (Laptopverlosungen können offensichtlich helfen), ist dann noch der Abschluss einer Veranstaltung, für die mir nur zwei Wörter einfallen:

SCHÄMT EUCH!

via Kommentar

18.6.2007 | 22:54 von DonAlphonso

Das grosse Zittern

Thomas schreibt öfters mal über die nicht wirklich netten Reaktionen der deutschen Medienbranche auf das, was wir hier tun. Und führt das auf verdrängte Ängste zurück, die für die herablassende Art der Ex-Infomonopolisten verantwortlich ist. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es so einfach ist.

Ich glaube, Journalisten haben Angst vor allem da draussen im Netz. Blogs sind nicht im Mindesten das Kernproblem. Nehmen wir nur mal die früher extrem wichtigen Autoanzeigen: Die Tageszeitungen bis runter zum lokalen Schmarrnblatt haben den Markt praktisch komplett an das Internet verloren. Oldtimerzeitschriften lebten früher von den Bildanzeigen – heute kann man sich den passenden Typ auf den Fanseiten ansehen und gleich Ratschläge bekommen. Journalisten merken das nur am Rande, weil es ein Problem der Anzeigenabteilung ist. Bis dann nicht mehr genug Geld da ist, um die Journalisten zu bezahlen.

Blogs taugen für die schreibende Zunft weitaus besser als Feindbild. Da sind diese Internetrebellen, die sich über Medien lustig machen, der Themensetzung der Medien nicht folgen und mit ihrem Privatzeug Irrelevantes nach vorne bringen. Das ist ein Affront in einem Bereich, der theoretisch im Zentrum des journalistischen Bemühens stehen sollte – also da, wo Cocktailempfänge, Autotestreisen und das Kopieren von Pressemitteilungen stehen. Aber bevor die Blogosphäre so weit ist, hierzulande der FAZ und SPON ernsthaft Komkurrenz zu machen, werden die Medien ganz andere Probleme haben.

Ihnen droht das, was im TV schon den Öffentlich-rechtlichen mit den Privatsendern drohte: Das Wegbrechen ganzer Nutzergruppen. Es ist nicht so, dass derjenige, der sich keine Tageszeitung mehr hält, sich die Informationen online zusammenkramt. Diese Leute verschwinden zu Browsergames, Pr0n und was das Netz sonst noch an Kurzweil bereit hält. Was für ihn wirklich wichtig ist, findet er auf Spezialseiten. Der Gesamtgesellschaftliche Kitt, der Zeitungen zu sein glaubten, erweist sich in so einem Szenario als Illusion. Das kann man bedauern, weil dadurch die Chancen sinken, diese Menschen auch noch für andere Themen zu erreichen. Vor allem aber sägt es an der Existenzgrundlage der Medien, und kein anziehender Werbemarkt kann die Verluste an Nutzern kompensieren.

Es ist simpel, sich mit Bloggern anzulegen. Blogger sind gewissermassen die grössten Lumpen aus dem nächsten Dorf, und solange man sich mit denen keilt, muss man sich nicht gross fragen, wo zum Teufel eigentlich die ehemaligen Leser wirklich sind. Es ist meines Erachtens gut möglich, dass es für alle Betreffenden ein Verlustgeschäft wird; denn der Trash lässt sich nicht kapitalisieren, und die Qualität hat keine Basis mehr. Der einzige Gewinner könnte Google mit seiner überall einsetzbaren Werbung sein – aber das ist auch keine schöne Vorstellung. Denn Medien werden in der kommenden, fundamentalen Krise schnell zum Speilball der Finanzinvestoren. Eine Süddeutsche zeitung in den Händen einer Private Equity Gesellschaft würde mir wirkllich nicht gefallen.

Manchmal habe ich das Bedürfniss, Journalisten zu schütteln und anzuschrein, dass sie endlich die Augen aufmachen sollen, wenn sie ihren Job in 20 Jahren noch haben wollen. Bis ich dann wieder einem üb er den Weg laufe und mir denke: Ne. Um Dich ist es echt nicht schade. Es hätte sehr viel sein können, aber der real existierende Journailsmus und seine Gewinnmaximierung hat keine Chance auf Artenschutz.

18.6.2007 | 3:43 von DonAlphonso

Zahlen zum Blogcensus

Der Blogcensus, der momentan von Dirk Olbertz und Jens Schröder erstellt wird, umfasst inzwischen

127.992 aktive deutschsprachige Blogs.

Und es werden noch mehr. Wobei es etwas wenig sind: Bloghoster gehen gern mit weitaus höheren Zahlen hausieren. Bei Myblog.de will man weit über 400.000 Blogs sein, was ich bezweifle: Nach meinen Testgruppen überleben höchstens ein Zehntel der dort neu angelegten Blogs das erste Jahr. Man muss Alexa natürlich mit enormer Vorsicht geniessen, aber wenn man sich mal die Entwicklung der Bloghoster anschaut:


rot: myblog.de, gelb: twoday.net, hellblau: blog.de, dunkelblau: blogger.de, schwarz: blogg.de

Dann sieht man, dass Blogger.de, Blogg.de und Myblog ungefähr auf dem gleichen Niveau liegen, wobei die Nutzerzahlen für Myblog.de seit dem Auftauchen von Blog.de langsam nach unten gehen. Das ist ein Indiz, dass heute die Kinder- und Strickblogger eher zu Blog.de gehen, das von der Nutzerstruktur her tatsächlich an Myblog erinnert – bishin zu einer enormen Anzahl an Karteileichen. Momentan ist es etwas still um Myblog geworden, dafür trompetet Blog.de um so mehr von wegen “grösster deutscher Bloghoster”. Wie man aber sieht, ist Twoday von den besucherzahlen her jetzt auch nicht wirklich klein.

Um mal über Vergleichsgrössen zu reden: Mein Blog “Rebellen ohne Markt” allein hat rund 1/4 des gesamten von Alexa gemessenen Traffics für Blogger.de. Wenn ich rund 2.200 Nutzer als Durcgschnitt nehme, kommen die drei kleineren Hoster alle Blogs zusammengenommen auf jeweis rund 10.000 Besucher.

Das ist nicht viel. Angesichts der theoretischen Grösse von Myblog, selbst wenn man deren Besuchern eine erhebliche Unkenntnis der nötigen Alexatoolbar im Browser unterstellt, wirklich nicht viel. Selbst wenn es um den Faktor 10 danebenliegen sollte. Aber auch bei Blog.de und Twoday sollten jetzt nicht gerade die Server rauchen.

17.6.2007 | 22:19 von DonAlphonso

Das Dilemma des Social Business

könnte man auch einfach mit 5 zeitlich nacheinander folgenden Zitaten der letzten Tage umschreiben:

Denn die Blogs, die durch adical vertreten werden, sind Blogs, die nicht in erster Linie als Geschäft, sondern aus Leidenschaft betrieben werden – das wissen die Blogleser zu schätzen. Dies bedeutet jedoch auch, dass adical nicht jeden Kunden annehmen kann und will.
Adical für Kunden

Werbung ist eine Kulturform, die andere Kulturformen ermöglicht
Adical-AG (?) und Ambient IPTV-Werber (???) Geschäftsführer Sascha Lobo

Und haben beschlossen, uns auf die moralische Bewertung der Werbekunden hinsichtlich einer „die sind gut – die sind böse“-Aussage möglichst selten einzulassen. Denn jeder Kunde, den wir als „verwerflich“ ablehnen, bedeutet im Umkehrschluss unsere moralische Absolution für die Kunden, die werbend auf Spreeblick erscheinen.
Adical-Gründer Johnny Haeusler zur Frage, warum man den Werbekunden Yahoo trotz deren Unterstützung des chinesischen Regimes bei der Verfolgung von Dissidenten nicht abgelehnt hat

meine Rücksicht gilt nicht meinen Geschäftspartnern Sascha und Johnny, sondern den Menschen Sascha und Johnny, die ich sehr schätze
Carsten Dobschat zur Frage, warum er Yahoo-Werbung ´von Adical behält

manche hoch erhoben zeigefinger wären zur zeit einfach besser in den zugehörigen arschlöchern aufgehoben.
Adical-Teilnehmer Felix Schwenzel in Bezug auf Leute, die Werbung für Yahoo nicht einsehen.

Einen Account bei Flickr, ein Konto bei der Deutschen Bank kann man kündigen, man muss nicht Mercedes kaufen, und wenn Schuhe aus China kommen, kann man sich auch für Schuhe aus Italien entscheiden. Man ist autonom, man muss nicht an den drögen Manager bei Yahoo, den hektischen Kundenberater, den Aufsichtsratschef, der auch Rüstungsdeals abnickt oder den Sweatshopbetreiber denken. Um all diese Leute würde man gemeinhin oft einen Bogen machen, man will sowas nicht unbedingt daheim auf der Party sehen. Vielleicht muss man beruflich mit solchen Leuten ab und zu können, aber man kann das nach dem Job ausschalten.

All das – geht im Social Business nicht mehr. Denn man kennt die Leute. man hatte früher sogar gemeinsame Ziele. Oder man hat sich von einem freundlichen Werber einwickeln lassen. Und dann hat man vielleicht noch Leidenschaften, aber auch einen Haufen Zwänge, wenn es schief geht. Wenn oben plötzlich Änderungen der Geschäftspolitik passieren, wenn die guten Kumpels Mist bauen, wenn was durchrutscht, wenn man es zwar runterschmeissen könnte – aber dann muss der Vertrag dennoch erfüllt werden, man hat eben Zusagen auf eine gewisse Menge Klicks gemacht, und wenn man aussteigt, müssen alle anderen Freunde mehr Klicks bringen. Vielleicht schafft man es ja, das Auslaufen des Deals als halbwegs freiwilligen Rücktritt zu verkaufen.

Ich muss offen sagen, dass ich die Feigheit von Qype, die sich um ihre Existenz als Webkatalog herumreden, um nicht selbst juristische Probleme zu bekommen, weitaus übler empfine. Ich mag all das Freundschaftsgetue nicht, mit dem sich manche Leute zwecks Business an einen ranschmeissen. Oder bezahlte Freunde von Startups, die sich für Sekten stark machen, indem sie Kritiker ausforschen. Das alles kann im Beruf durchaus vorkommen, aber Blogs sind tatsächlich ein soziales Netzwerk. Es wird immer welche geben, die versuchen, darauf ihr Geschäftsmodell auszubauen. Es wird auch welche geben, die so etwas für schnellen Profit missbrauchen. Es wird immer Blöde geben, die mitgefangen und mitgehangen sind.

Der “Social”-Aspekt kann übrigens durchaus eine Stärke sein. Solange alle Beteiligten verantwortungsvoll damit umgehen. Dann wird möglicherweise tatsächlich so eine Art Kreislaufwirtschaft daraus. Wo Leute einen Sinn darin sehen, etwas anzuklicken, und man nicht mit den Augen zwinkern muss, um zu signalisieren: “Hey Freund, ich mach das nur für die Kohle und eigentlich inde ich Werbung auch Scheisse”. Sozial ist etwas anderes. Diese Stärke erkauft man sich zwangsweise durch Grenzen in anderen Bereichen – die Deutsche Bank ist ja auch ein anderer Konzern als eine Volksbank, ein Winzer, dessen Familie seit 200 Jahren einen Weinberg hat, tickt anders als ein Investor, der Millionen Liter Billigfusel verschiebt. Und “die Gesellschafter” werden in Blogs vollkommen anders wahrgenommen als der Helfer chinesischer Unterdrücker Yahoo. Gekaufte “Tests” für obskure Pokeranbieter und andere Spammer sind keine transparenten Inhalte, und werden entsprechend extrern angesprochen. Was ebenfalls seine Ursache in der Sozialstruktur dieses Dings formerly known as deutsche Blogosphäre hat.

Ich denke, es ist nicht allzu schwer zu verstehen, was soziale Netzwerke vertragen. Und was sie ruiniert.